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Der erste elektrische Reversierstraßenantrieb, ausgeführt auf der Hildegardehütte. Von Regierungsbanmeister a. D. Geyer-Berlin. (Schluß von S. 12G. — Hierzu Tafel IV bis V.) Retriebskurven. In den nunmehr folgen- — den Erläuterungen will ich versuchen. Ihnen an Hand während des Betriebes aufgezeichneter Kurven einen Ueberblick über die Wirkungsweise des elektrischen Reversierantriebes zu geben. Sie entsinnen sich der Verständigung, die wir init der Hildegardehütte hinsichtlich der Zeit- dauer zu treffen für gut befanden, in der die Walzwerksmotoren aus der Ruhestellung auf volle Tourenzahl zu beschleunigen seien, und daß diese Zeit 4 Sekunden betragen dürfe. Die Ausführung erwies die vollkommene Lösung der gestellten Aufgabe. Die Geschwindigkeit von 110 Touren wurde unter Aufwendung der er rechneten Stromstärke mit Leichtigkeit erreicht. Außerdem aber war es möglich — und das be weist die Güte der elektrischen Konstruktion —. den gesamten Antrieb in 2 bis 21/2 Sekunden von Null auf 110 Touren zu beschleunigen. Die Kurve Tafel I Abbildung b zeigt eine Reihe von Geschwindigkeitsmessungen, welche mit dem leerlaufenden Antrieb aufgenommen wurden, gerade um die Minimalzeiten für den Anlauf festzustellen. Die Kreisschläge sind in Abständen von 6 Sekunden Ablaufszeit des Papierstreifens gezeichnet. Die Verfolgung der Kurven von der Nullinie bis zu einem Aus schlage entsprechend 110 Touren läßt an vielen Stellen erkennen, daß die Beschleunigung 2 bis 21/2 Sekunden betragen hat. Sie sehen weiter, daß es möglich ist, mit dem Antrieb 140 Touren und mehr zu erreichen, eine Zahl, welche für die letzten Stiche willkommen ist. Es fällt ferner auf, und das wiederholt sich an den späteren Geschwindigkeitskurven bei dem Walz vorgang, daß der elektrische Antrieb von einer Drehrichtung zur andern bei dem Durchlaufen der Nullinie praktisch kaum zum Stillstand kommt, da der Führer den Steuerhebel von der Höchstgeschwindigkeit über Null hinweg sofort in die entgegengesetzte Drehrichtung bringt, wobei den Walzmotoren Gegenstrom zugeführt wird, selbstverständlich gänzlich ohne Schaden für die Motoren selbst. Der Walzbetrieb benutzt diese starken Beschleunigungen je nach den Er fordernissen des Walzvorganges, wenngleich sich bei dem elektrischen Betriebe für das Steuern eine eigene Praxis herausbildet. So sehen wir (Tafel IV obere Diagrammreihe) beim Auswalzen von Knüppeln aus 2 t schweren Blöcken den Maschinisten den Antrieb vor Ankunft des Blockes leerlaufend in Bewegung halten, mit 10, 15 oder 20 Touren, entsprechend jener höchsten Walzenumfangsgeschwindigkeit, bei der der Block im augenblicklichen Zustand der Drückung von den Walzen eben noch gefaßt und mitgenommen wird. Die Geschwindigkeitskurve erhält in diesem Moment einen Niedergang; dies entspricht folge richtig unserer Absicht, da die Walzmotoren stark compoundiert sind, d. h. bei größerer Stromaufnahme in der Tourenzahl heruntergehen müssen, ohne jedoch — und darin liegt der Unter schied gegenüber dem Dampfantrieb — stehen zu bleiben. Gleichzeitig öffnet der Führer den Stromzufluß, das Drehmoment steigt schnell an. der Block schießt durch das erste Kaliber hin durch. Entsprechend der für das Umstecken oder Umsetzen des Blockes von Kaliber zu Ka liber benötigten Zeit werden einige Kurven strecken für Leergänge des Antriebes größer oder kleiner. Während eines Stiches selbst sieht man hier und da ein Schwanken der Geschwin digkeit, herrührend aus vorübergehend auftre tendem Rutschen des Blockes zwischen den Walzen. Die Anzahl der Kurvenflächen ergibt die Gesamtzahl der für ein Walzprogramm auf gewendeten Stiche. Sie zählen zum Beispiel auf Tafel IV für das Auswalzen von Knüppeln 15 Stiche vom rohen Block bis zum Fertig kaliber; auf Tafel V beim Walzen von 45 cm- Trägern 25 Stiche. Die darunter liegende zweite Kurve ist von der Spannung der Anlaßmaschinen aufgezeichnet und deckt sich fast vollständig mit der Geschwindigkeitskurve der Antriebs motoren, ein Zeichen des genauen Ansprechens der letzteren. Interessanter ist die Stromaufnahmekurve der Walzmotoren. Die rechts vor dem ersten Stich über die Nullinie stark ansteigende Strommenge dient zur Ueberwindung der ruhenden Reibungswiderstände und zur Beschleunigung der Motormassen; die Kurve geht dann auf eine konstante Größe, entsprechend der Leerlaufs stromstärke, zurück, auf der sie verharrt, bis der Block von den Walzen gefaßt wird. Wir messen z. B. an dieser Stelle Leerlaufsstrom stärken von 500 bis 600 Amp. und gleichzeitig die an den Motoren bestehende Klemmenspannung von etwa 200 Volt; dies ergibt für die Leer laufsarbeit der Reversierstraße 100 bis 120 KW. Verluste durch Abdrosseln der Spannung auch bei diesen geringen Beanspruchungen treten nicht