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74 Stahl und Eisen. Berichte über Versammlungen aus Fachvereinen. 27. Jahrg. Nr. 2. garantiert mit 5 Sekunden Toleranz. Hier seien somit die Verhältnisse dem Wesen der Turbine besser angepaßt als bei „Lübeck“. Einen dritten kleinen Kreuzer mit Parsonsturbinen, „Ersatz Komet“, habe die Deutsche Marine vor wenigen Wochen in Auftrag gegeben. Hier sei das Deplacement abermals erhöht auf 3650 t und ebenso die Maschinenleistung auf ein Aequivalent von 15 000 ind. P. S. gebracht. Die garan tierte Geschwindigkeit sei die gleiche wie bei „Ersatz Wacht“. Die Kaiserliche Marine setze also die be gonnenen Erprobungen systematisch fort, allerdings ohne sich bisher zur Ausrüstung einer größeren Ein heit, z. B. eines großen Kreuzers mit Turbinen, ent schließen zu können. England sei inzwischen zur ausschließlichen Anwendung der Dampfturbine für alle Neubauten der Kriegsmarine übergegangen. Dort sei vor kurzem die „Dreadnought“ fertiggestellt worden, die ihre Probefahrt mit außerordentlichem Erfolge absolviert habe. — Der an den Vortrag sich anschließende Meinungs austausch war wegen der darin vielfach zutage tre tenden neuen Gesichtspunkte sehr bemerkenswert. Im Auftrage des Staatssekretärs des Reichs-Marineamtes brachte zunächst Vizeadmiral v. Eickstedt die in der Kaiserl. Deutschen Marine vertretenen Ansichten über die Turbinenfrage zum Ausdruck. In bezug auf die allgemeinen Anforderungen, welche an eine Tur binenanlage für Kriegsschiffe gestellt werden, gipfelte seine Ausführung in einer Anerkennung der Turbinen anlage des kleinen Kreuzers „Lübeck“. Die Nach teile der Turbinenanlagen, wie sie sich aus den Ver suchen ergaben, lassen sieh folgendermaßen zusammen- fassen: 1. Die Wirkung der Turbinen beim Rück wärtsfahren ist bedeutend geringer als die der Kolben maschinen. 2. Die Anordnung der Turbinenanlagen auf Kriegsschiffen ist viel umständlicher als bei Kolbenmaschinen. 3. Die Anordnung mehrerer von einander getrennter wasserdichter Maschinenräume läßt sich bei Turbinen schwer durchführen. 4. In der Konstruktion der Turbine ist der enge Zwischenraum zwischen Leit- und Laufrädern zu rügen, der zu mancherlei Anständen Veranlassung gibt und auch eine sehr lange Vorwärmzeit für die Turbinen be dingt, die Turbinenanlage ist infolgedessen lange nicht so schnell betriebsbereit wie die Kolbenmaschine. — Als zweiter Redner sprach Dr.-Ing. Arldt über „magnetische Erscheinungen an Bord.“ Es folgten dann noch Vorträge von Weiß über die „Aus rüstung und Verwendung von Kabeldampfern“, Dr.-Ing. Mehlis über die „Dampfüberhitzung und ihre Verwendung im Schiffsbetriebe“, Professor Laas über die „Entwicklung und Zukunft der großen Segelschiffe“. Den letzten Vortrag des Tages über einen „neuen Indikator für Zeitdiagramme“ hielt Professor Wagener in Danzig. Verein der Montan-, Eisen- und Maschinen-Industriellen in Oesterreich.* In der Hauptversammlung des Vereines, die am 20. Dezember 1906 in Wien stattfand, gab der Vor sitzende, Graf Larisch-Moennich, zunächst seiner Freude darüber Ausdruck, daß die geschäftliche Lage trotz aller Stürme sich gebessert habe; wenn auch die Preise nicht besonders angezogen hätten, so seien doch die Fabriken annähernd voll beschäftigt. Sodann gedachte er mit Worten warmen Dankes der ver dienstvollen Tätigkeit des Oberbaurates Günther, der seine ganze Kraft für die Interessen der Industrie eingesetzt habe. Hierauf erstattete der Sekretär des Vereines, Dr. Theodor Haerd11, den Rechenschaftsbericht * Vgl. „Stahl und Eisen“ 1906 Nr. 1 S. 53 und 54. für das Jahr 1906. Den Ausführungen entnehmen wir folgendes: Ein Urteil über den Einfluß des neuen autonomen Zolltarifes und der neuen Handelsverträge auf die Eisen- und Maschinenindustrie lasse sich namentlich infolge der erheblichen Besserung der Marktlage nicht abgeben, da die entsprechende Vergleichsbasis fehle. Jedenfalls aber sei die erreichte Stabilisierung des Zollschutzes eine unbedingte Voraussetzung für die ge deihliche Entwicklung der genannten Industriezweige und namentlich für die Eisenindustrie eine Existenzfrage. Es habe daher den Ausschuß mit Recht eigenartig angemutet, daß er sich erst kürzlich genötigt gesehen habe, gegenüber einer im Abgeordnetenhause ein gebrachten Interpellation, die eine Ermäßigung der Eisenzölle forderte, seinen Standpunkt, der auch von den gesetzgebenden Körperschaften anerkannt sei, neuerlich zu betonen.* Dio Wendung, welche das zoll- und handels politische Verhältnis zwischen Oesterreich - Ungarn und Serbien genommen hatte, habe den Vereins ausschuß im Anschlusse an eine diesbezügliche Aktion des Zentralverbandes der Industriellen zu einer Unter suchung über die in Serbien zu beobachtenden Inter essen der Eisen- und Maschinenindustrie veranlaßt. Das Resultat derselben sei samt einer Aeußerung über die Serbien gegenüber zu beobachtende Taktik dem Zentral- verbände zur weiteren Veranlassung übermittelt worden. Weitere gutachtliche Aeußerungen habe der Ver- einsausschuß über die bei den Handelsverträgen mit Spanien und Montenegro wahrzunehmenden Interessen der im Vereine vertretenen Industriezweige erstattet; auch sei er bei der am 19. und 20. März 1. Jahres vom Mitteleuropäischen Wirtschaftsvereine in Oesterreich abgehaltenen Enquete über das handelspolitische Ver hältnis Oesterreich-Ungarns zu den Vereinigten Staaten von Nordamerika durch den Vereinssekretär vertreten gewesen. Hinsichtlich des zukünftigen wirtschaftlichen Ver hältnisses zu Ungarn halte der Ausschuß an der An sicht fest, daß der künftige Ausgleich unbedingt den ganzen Komplex der wirtschaftlichen Beziehungen zu umfassen habe, und daß keineswegs durch Zugestehung eines Uebergangsstadiums weitere Opfer für eine künftige Aufrechterhaltung einer Gemeinschaft, deren Lösung von der anderen Seite offensichtlich vorbereitet werde, gebracht werden dürften. Die österreichische Industrie sei in ihrer Erwartung, daß die Regierung den durch die Zurückziehung der Koerber-Szellschen Ausgleichsvorlagen betonten Standpunkt wahren werde, durch die Art, wie man die Frage der Aufteilung der Heereslieferungen erledigt habe, erheblich herab gestimmt worden. In Angelegenheiten sozialpolitischer Natur habe sich der Vereinsausschuß mit der Pensionsversicherung der Privatangestellten und mit der Gegenwehr gegen die der Industrie feindliche Tätigkeit der gewerk schaftlichen Arbeiterorganisationen durch Gründung der Hauptstelle der österreichischen Arbeitgeber- Organisation beschäftigt. Auch gegen die Absicht des Ackerbauministeriums, zur sicherheitspolizeilichen Bewachung des Bergbau betriebes Vertreter der Arbeiter heranzuziehen, habe der Vereinsausschuß sich ablehnend geäußert, des gleichen gegen den Gesetzentwurf, nach dem die Mehrkosten für die Verstärkung der bergbaulichen Aufsichtstätigkeit durch eine Erhöhung der geltenden Maßen- und Freischurfgebühren auf das Doppelte aufgebracht werden sollen. Diesen Mitteilungen schloß sich der Bericht über die Geschäftslage der Montan-, Eisen- und Maschinen- Industrie im Jahre 1906 an, den wir in dieser Nummer unter den „Nachrichten vom Eisenmarkte“ wiedergeben. * Vgl. „Stahl und Eisen“ 1906 Nr. 24 S. 1528.