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Aufgebot. Auf Antrag des Vertreters in dem Nachlasse des am 28. Juli 1827 in Lößnitz gebornen und am 6. December 1884 in Rothschönberg ledigen Standes verstorbenen Schafknechts Johann Gottfried Möbius ist behufs Ermittelung der unbekannten Erden von dem unterzeichneten Amtsgerichte der 20. Mai 1885 Vormittags 10 Uhr zum Aufgebotstermin bestimmt worden. Es werden daher die etwaigen Erben des p. Möbius hiermit aufgefordert, spätestens in dem Aufgebotstermins zu erscheinen, über ihre Personen sich auszuweisen, bez. ihre Rechte und Ansprüche anzumelden, widrigenfalls der betreffende Nachlaß für erblos angesehen und den Gesetzen gemäß über denselben verfügt werden wird. König!. Amtsgericht Wilsdrnff, 21. »z vr. Gangloff. Bekanntmachung Am AK. diese» Monats ist der I. Termin Kandrente und Landeseulturrente sowie das I. Quartal Schulgeld und bis spätestens den 14. nächste« Monats der I. Termin Jminobiliar - Brandkaffenbeiträge, letztere nach Höhe von 1 Pf. pro Einheit, an die Stadtkämmerei zu entrichten. Wilsdruff, am 26. März 1885. Der Stadtrat h. Ficker, Brgmstr. 8kage»geschichte. Kaisers Geburtstag ist für alle Berliner der größte Festtag. Jedermann steht mit dem Wunsche auf: wenn du nur heute den Kaiser siehst! Der 22. März zog diesmal mit rauhem Nordwestwind und Schneefchauern ein, der Kaiser selbst war etwas heiser und konnte nicht alle Deputationen empfangen, wie sonst; als er aber an sein Fenster trat, da sah er unten um das Denkmal Friedrichs des Großen zahlreiche Tausende versammelt, Groß und Klein, Vornehm und Ge ring und alle sahen nach seinem Fenster hinauf und suchten einen Blick zu erhaschen und welch' brausender Jubel, als sie ihn erkannten. Im mer neue Schaaren strömten herbei, hielten Stunden lang Stand und bewunderten die glänzenden fürstlichen Karossen bei der Auffahrt. Der Kronprinz erschien in einem Viergespann von Rappen, die Kron prinzessin im Sechsspänner und wurden freudig begrüßt. Donnerndes Hochrufen vom Brandenburger Thor her, lawinenartig anschwellend, kündigte das Nahen Bismarcks an. Aus allen Häusern flatterten die Taschentücher, alles strömte dem Fahrdamm zu, eine unwiderstehliche Bewegung ergriff die Menge. Er saß in seinem Wagen in Kürassier uniform und der eiserne Mann war sichtlich und tief bewegt von diesem Sturm begeisterter Sympathie. Das Standbild Friedrichs war reich geschmückt und so oft der Kaiser sich einen Augenblick zeigte, brach der Jubel von neuem los. Königin Luise, die Mutter des Kaisers Wilhelm, kam einst ungewöhnlich ernst aus einer Hofgesellschaft zurück. Hab' ich etwas versehen, Majestät? fragte die alte vertraute Kammerfrau. — Nein, antwortete die Königin, ich bin nur etwas verstimmt, weil heute in der Gesellschaft sich Alle ausschließlich mit dem Kronprinzen beschäf tigten, feine frohe Laune und seine geistvollen Scherze bewunderten, während „mein Wilhelm" still und zurückgezogen in einer Fensternische saß und sich Niemand um ihn bekümmerte. Der Prinz ist doch auch begabt, wenn auch in anderer Weise als sein älterer Bruder, er hat den richtigen Blick, der den Hohenzollern eigen ist, und ich weiß, was ich an „meinem Wilhelm" habe, er wird mir Freude, niemals Kummer bereiten. Welchen Prophetenblick hat das Mutterauge in die Zukunft gethan! Den schönen Schluß der Feier des kaiserlichen Geburtstages bildete eine Abendunterhaltung im Weißen Saale des königl. Schlosses, welcher freilich die höchste Weihe, die Anwesenheit des Kaisers fehlte. Umsoweniger ließ es sich daher die Kaiserin nehmen, in der Gesell schaft zu erscheinen und ihre Gäste zu begrüßen. Am Arme des Prinzen Wilhelm kam sie von der Kapellenseite in den Festraum und hielt einen kurzen Cercle, bis sich von der anderen Seite her in feier lichem Zuge die höchsten Herrschaften nahten. An ihrer Spitze schritten be. Majestät der König von Sachsen mit der Frau Kronprin zessin, ihnen nach in scheinbar unendlicher Reihe alle einheimischen und fremden fürstlichen Herren und Damen. Die Kaiserin hatte den Ehrenplatz zwischen dem König Albert und dem Prinzen von Wales inne, nach rechts und links fanden die fürstlichen Damen und die Großherzöge von Baden, Sachsen und Oldenburg ihre Plätze. In zweiter Reihe saß der Kronprinz neben dem jungen Prinzen Albert Viktor von Englund und dem Vetter und Schwager seines königlichen Freundes Umberto, dem Herzog von Genua. Weiterhin der Kronprinz von Schweden, der Prinz Georg von Sachsen, der Herzog von Edin- burg und ungezählte jüngere Prinzen aus deutschen Häusern. In Ju gend und Anmuth, in der Pracht der Toilette breitete sich ein reicher Damenflor aus, welchen die Herren des diplomatischen Corps, die Generale, die Minister, die landsässigen Fürsten in weitem Kreise um säumten. Herr v. Hülsen erbat sich von der Kaiserin den Befehl zum Anfang der künstlerischen Genüsse, welche in einem lebenden Bilde: „Albrecht Dürer in Venedig", in drei Szenen aus „Dinorah", „Aida" und dem „Troubadour" und einem kleinen Tanzdivertissement bestan den. Während der Pause und am Schluffe hielt die Kaiserin wieder um Cercle, wobei sie alle fürstlichen Damen und Herren in den Kreis ihrer Unterhaltung zog. Auch König Albert knüpfte huldvolle Gespräche an und zeichnete insbesondere Herrn v. Hülsen und den Oberstkämmerer Grafen v. Redern durch eine längere Unterredung aus. Nachdem sich die Kaiserin empfohlen, übernahmen der Kronprinz und die Kronprin zessin die Würde der Repräsentation. Um1l Uhr wurde das Souper an Buffets eingenommen, gegen 12 Uhr erreichte das Fest sein Ende. Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht einen allerhöchsten Erlaß au den Reichskanzler Fürsten Bismarck, worin Se. Maj. der Kaiser für die ihm aus allen Theilen des Reichs von Gemeinden, Korporationen, Vereinen, Anstalten, Festversammlungen und einzelnen Personen ohne Unterschied des Ranges und Standes, ohne Rücksicht auf das religiöse Bekenntniß und die politische Meinung, selbst vom Auslande her zu- gegangenen freudigen Glückwünsche zu seinem Geburtstage seinen auf richtigen Dank ausspricht. Der Erlaß schließt mit den Worten: „In der allgemeinen, durch das ganze Land gehenden Bewegung giebt sich das wohlthuende Vertrauen kund, mit dem die Nation Meine ernsten Bestrebungen um des Volkes Wohl begleitet. Gestützt auf diese er- muthigendc Erfahrung werde Ich nicht müde werden, bis Gott Meinem Wollen und Können ein Ziel setzt, der Fürsorge für Mein geliebtes Vaterland Meine ganze Kraft zu weihen. Dazu gebe Gott seinen Segen! Möge unter seinem Schutze und Beistand Deutschland zu allen Zeiten in friedlicher Entwickelung blühen und gedeihen!" Sehr bemerkenswerth ist die Nachricht aus Braunschweig, daß Regenlschaftsrath und Landtag dem Kaiser eine Ergebenheitsadresse übersandten. In dieser seltenen Form der Huldigung ist in diesem Augenblicke sicher weit mehr als eine bloße Geburtstags-Ovation zu erblicken. Sie bedeutet doch wohl nichts anderes als daß Braunschweig die Entscheidung über das Schicksal in die Hand des Kaisers legt. Die Londoner Blätter brachten aus Anlaß des Geburtstags des Kaisers fast sämmtlich sympathische Beglückwünschungsartikel. Die „Times" sagen: Indem wir dem Kaiser unsere herzlichen Glückwünsche darbriugcn, sind wir überzeugt, nur den in England allgemein gehegten Gesinnungen der hohen Achtung und Bewunderung für einen Herrscher Ausdruck zu geben, der durch den Glanz und die Würde seiner Stel lung wie seiner Person in der Welt seines gleichen sucht. Dem Cha rakter des Kaisers wird auch der Tribut gebracht, daß er im Auslande mit denselben Gefühlen betrachtet wird, welche diejenigen, die er seinem eigenen Volke einflößt, wiederspiegeln nnd daß der Einfluß des Deut schen Reichs weit entfernt, wegen seiner Macht irgend welche Besorg nisse in Bezug auf das Gleichgewicht zu erregen, zu den besten Bürg schaften für die allgemeine Freiheit und Ruhe gerechnet wird. Nach langen und theilweise sehr erregten Debatten hat der Reichs tag am vergangenen Montag in dritter Lesung die Subvention i- rung der Dampferlinien nach Ostasien nnd Australien ge nehmigt. Man sah der betreffenden Verhandlung mit größter Span nung entgegen, da sich das Resultat auch nicht annähernd voraussehcn ließ, um so erfreulicher ist aber der schließliche Ausgang. Die Linien sind für Handel und Industrie Deutschlands von größter Wichtigkeit, ebenso für unsere neuen Kolonien in der Südsee; auf die abgclehnte westafrikanische Linie, wo sich bekanntlich ebenfalls bedeutende deutsche Besitzungen befinden, hatte die Regierung selbst weniger Werth gelegt. Für die genehmigten Linien stimmten die Konservativen, die National- liberalen und die Mehrheit des Centrums; die sogen. Deutjchfreisin- nigen natürlich dagegen. Mit der Bismarck-Spende steht es jetzt so: Das Stammgut in Schönhausen wird dem Kanzler unter allen Umständen als Ehren gabe offerirt, und die Annahme ist gesichert. Das Berliner Central- Komitee hat aber noch einen Ueberschuß von ungefähr '/» Mill. Mk. und die in Süddeutschlnnd gesammelten Gelder sind auch erheblich. Diese beiden Fonds sollen theils für Arbciter-Kolonien, theilS zur Un terstützung strebsamer unbemittelter Arbeiter verwendet werden, und das Komitee wird in diesem Sinne dem Kanzler seine Wünsche vortragen. Staatssekretär Stephan ist von Sr. Maj. dem Kaiser in den Adelstand erhoben worden. Der Polizeipräsident von Berlin erläßt folgende Bekanntmachung: „Ich bestimme hierdurch aus Grund des ß 100s Ziffer 3 der ReichS- Gewerbe-Ordnung für den Bezirk der Barbier- und Friseur-Innung zu Berlin, daß diejenigen Arbeiter, welche ein in dieser Innung ver tretenes Gewerbe betreiben und selbst zur Aufnahme in die Innung fähig sein würden, gleichwohl aber der Innung nicht angehören, vom I. Juli 1885 an Lehrlinge nicht mehr annehmen dürfen." Damit hat die den Namen des Herrn Ackermann tragende Acnderung der Gewerbefreiheit zum ersten Male praktische Bedeutung erlangt und es wird bei dieser einen Anwendung nicht lange sein Bewenden Haden. — Der Antrag Ackermann hat wiederum eine neue Nutzanwendung erfahren; der Magistrat zu Liegnitz veröffentlicht nachstehende Ver ordnung des Regierungspräsidenten: „In Gemäßheit des Gesetzes be treffend Abänderung der Gewerbeordnung für das deutsche Reich vom 8. Dezember 1884 bestimme ich hiermit nach Anhörung des Magistrats der Stadt Liegnitz als der Aufsichtsbehörde der Innung daselbst für den Bezirk derselben unter Vorbehalt des Widerspruchs: Arbeitgeber, welche, obwohl sie dar Schuhmachergewerbe betreiben und selbst zur Aufnahme in die Schuhmacherinnung fähig sein würden, gleichwohl aber der Schuhmacherinnung nicht angehören, dürfen vom 1. Juli d. I. ab Lehrlinge nicht mehr annehmen. I. V.: gez. v. Prittwitz." Bei einem Banket, welches am Geburtstage deS Kaisers im Pal mengarten in Frankfurt a. M. stattfand und an dem sich etwa 400 Personen betheiligten, wies Oberbürgermeister Dr. Miquel in kurzer Ansprache auf das schreckliche Unglück im Camphausenschachte hin und erklärte, daß auch die kleinste Gabe für die bedauernSwerthen Hinterbliebenen willkommen sei. Alles eilte zu den kleinen, auf den einzelnen Tischen verdeckt stehenden Tellern, und in kurzer Zeit waren 1800 M. zusammengelegt. Saarbrücken. Die Gesammtzahl der Todten der Grube Camp hausen beträgt 175, die der Hinterbliebenen 141 Wittwen mit 417 Kindern; 51 Bergleute wurden gerettet, davon sind nachträglich vier gestorben. Acht Todte konnten noch nicht aus der Grube geschafft werden. Die Grube wirb erst nach einigen Wochen wieder betriebs fähig sein. Vaterländisches — Angesichts der bevorstehenden Osterfeiertage wollen wir darauf aufmerksam machen, daß im Lokalverkehr der sächsischen StaatS- eisenbahnen die am Sonnabend vor Ostern und am ersten Feiertage gelösten Tagesbillets eine Giltigkeitsdauer bis mit Mittwoch, 8. April, erhalten. — Der Bergwerksdirektor Pohle aus Freiberg, der mit meh reren Bergleuten nach Angra Pequena gegangen ist, hat geschrieben, daß er nnd alle Bergleute sich sehr gesund und wohl fühlen. Er hat verschiedene reiche Erzlager ungetroffen und spricht sich sehr hoffnungs voll über daS Unternehmen aus.