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und Gegenbewegung dieses Themas nutzbar gemacht. Rhythmische Ak zente weist auch das zweite Thema auf, während ein dritter Gedanke durch melodischen Fluß über Pizzicati-Flächen gekennzeichnet ist. Impul siv gibt sich die Coda. — Ein hymnisch-melodisches Gebilde mit esoteri schen Kirchenton-Anklängen verleiht dem zweiten Satz (Adagio molto) sein Gepräge. — Der dritte Satz, ein Scherzo, trägt die Bezeichnung „alla bulgarese“. Trotzdem liegt ihm kein bulgarisches Thema zugrunde, son dern er besitzt lediglich einen allgemein volksliedhaften Charakter. Asymmetrische Taktkombinationen, betont tänzerische Züge, Ostinato- wirkungen (im Trio) machen den Reiz dieses Stückes aus. — Kanonische Disziplin und frei-gestische Entfaltung zeigt das Violin-Melos des vierten Satzes (Andante). — Eine geniale rhythmisch-kontrapunktische Arbeit bestimmt das Finale, die Durchführung des Hauptthemas und des chroma- tisierten zweiten Themas. Dabei überdeckt die aufgewandte Kunstfertig keit niemals das urtümliche Musikantentum, die rhythmus-geborene Vita lität, die fast lyrische Heiterkeit des Stückes. Drei Quartette, op. 59, aus dem Jahre 1806, stehen am Anfang einer Reihe von Streichquartetten aus Ludwig van Beethovens mittlerer Schaffensperiode. Der Meister widmete sie dem musikliebenden russischen Fürsten Andrej Rasumowski. Daher heißen diese Werke Rasumowski- Quartette. Sie gehören zu Beethovens bedeutendsten Leistungen. In den Quartetten, die durch einen eigenwilligen Stil und hohe technische An sprüche an die Ausführenden gekennzeichnet sind, verarbeitete der Kom ponist russische Volksweisen. Das 1. Rasumowski-Quartett in F-Dur beginnt sogleich mit dem beschau lichen Hauptthema des ersten Satzes (Allegro). Dieses Thema wird uns zunächst durch das Violoncello vorgestellt und darauf von der 1. Violine übernommen, die es ausdrucksvoll steigert und zu einem Höhepunkt führt. Neue Gedanken, die von der Achtel-Phrase des Hauptthemas abgeleitet und diesem innerlich verwandt erscheinen, treten hinzu. Nach dem wei chen Gegenthema kommt es dann zu dem außerordentlich reich gestal teten, erstaunlichen Durchführungsteil, der sich mit ständig neuen, eigen willigen Wendungen immer mehr verdichtet. — Der zweite Satz (Allegretto vivace e sempre scherzando) zeichnet sich im Gesamteindruck durch eine heitere Beweglichkeit aus, bringt aber, bevor er mit einer kräftigen Schluß kadenz abgeschlossen wird, ebenfalls wieder eine unerhörte Fülle der verschiedenartigsten, einander in unaufhörlichen Verwandlungen ablösen den Themen und Motive. — Das als dritter Satz folgende Adagio molto e mesto stellt eine der innigsten und ergreifendsten Schöpfungen Beet hovens dar. Mit einer schmerzlichen Kantilene der 1. Violine beginnend, bleibt der ganze Satz einer schwermütigen Stimmung verhaftet, wenn auch zeitweilig ein wunderschöner melodischer Gedanke tröstungsvoll und beruhigend erscheint. Eine Kadenz der 1. Violine leitet zum Schlußsatz des Quartetts (Allegro) über. Die Entwicklung des Finales wird von drei thematischen Hauptgedanken getragen, deren wichtigster das als „Theme russe“ bezeichnete, zuerst vom Violoncello vorgetragene erste Thema ist, das Beethoven einer russischen Volksliedsammlung entnahm und das in dem mitreißenden, Rondo- und Sonatenform verschmelzenden, virtuosen Finalsatz in vielfältigen, bewundernswerten Gestaltungen vorgeführt wird. Dr. Dieter Härtwig / Urte Hartwig III 9 14 EMZ 464 02 It-G 009/25/64