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STEINSAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Dienstag, 28. April 1964, 19.30 Uhr 4. KAMMERMUSIKABEND der Kammermusikvereinigung der Dresdner Philharmonie Ausfuhrende: Helmut Rucker, Flöte Heinz Butowski, Oboe Werner Metzner, Klarinette Günter Erbstößer, Horn Helmut Radatz, Fagott Fritz Melzer, Baßklarinette Günter Siering, Violine Günther Schubert, Violine Herbert Schneider, Viola Erhard Hoppe, Violoncello Paul Kurzbach geh. 1902 Sextett für Flöte, Oboe, Klarinette, Horn, Fagott und Baßklarinette (Erstaufführung) Hymnus Intermezzo Chant d’amour Rondeau Bela Bartök 1881-1945 Streichquartett Nr. 5 (Erstaufführung) Allegro Adagio molto Scherzo Andante Finale • Allegro vivace — Pause — Ludwig van Beethoven Streichquartett F-Dur, op. 59, Nr. 1 1770-1827 Allegro Allegretto vivace e sempre scherzando Adagio molto e mesto Allegro Zur Einführung Der 1902 in Hohndorf bei Glauchau geborene, heute in Karl-Marx-Stadt wirkende Paul Kurzbach hat bisher besonders mit Opernwerken die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregt, u. a. mit „Thomas Müntzer“ (1955) und „Thyl Claas“ (1958). Daneben entstanden jedoch eine ganze Reihe großangelegter Kantatenschöpfungen, Chöre, Songs, Massenlieder, Orchester- und Kammermusiken. Kurzbach, der früh mit der Arbeiter bewegung in Berührung kam, leitete schon als 18jähriger Arbeiterchöre. Sein Studium absolvierte er an der Leipziger Musikhochschule. Wesent liche künstlerische Anregungen verdankt er Hermann Scherchen, Erwin Lendvai und vor allem Carl Orff, mit dem er zwischen 1939 und 1943 in nähere Kontakte trat. Nach dem zweiten Weltkrieg nahm Kurzbach aktiv am Aufbau eines neuen demokratischen Kulturlebens teil, u. a. in ver antwortungsvollen Funktionen im Verband deutscher Komponisten und Musikwissenschaftler. Das 1960 komponierte Sextett für Flöte, Oboe, Klarinette, Horn, Fagott und Baßklarinette ist viersätzig angelegt und hat einen besinnlich-heiteren Charakter. Das feierliche Eröffnungsstück, ein Hymnus, ist durch dichte motivische Arbeit und nachdenkliches, weitbögiges Melos gekennzeichnet. Ein Intermezzo, ein Zwischenspiel, folgt an zweiter Stelle. Bis auf einen gesangvollen Mittelteil wird es von lebendigen rhythmischen Impulsen getragen, die sich aus einem fröhlichen Flöten- und Oboen-Thema ent wickeln. Chant d’amour — Gesang der Liebe, ist die Überschrift des dritten Satzes, den die Flöte allein mit einem beseelten Thema beginnt, bis schließlich die anderen Instrumente behutsam stützend eingreifen. Ein inniges musikalisches Geschehen schließt sich an, das sich nach einem Solo der Baßklarinette noch mehr verdichtet. Im Schluß-Rondeau lebt die Thematik wieder ganz von rhythmischen Pointen; Tonwiederholungen und ostinate Wendungen gehören ebenfalls zum Bild dieses vergnüglichen, effektvollen Satzes, der von Orff und Bartök angeregt sein könnte. Dem ungarischen Meister Bela Bartök, einer überragenden schöpfe rischen Persönlichkeit, ist eine neuartige, faszinierende Tonsprache eigen, in der er folkloristische Elemente mit den klassischen Formprinzipien verschmolz. Bartöks Werke gehören zu den stärksten musikalischen Lei stungen unseres Jahrhunderts, seine sechs Streichquartette — zwischen 1908 und 1939 entstanden — zu den bedeutendsten Schöpfungen des Kom ponisten. Sie stellen nicht nur wesentliche Stationen auf Bartöks Schaf fensweg dar, sondern zum Teil wichtige, richtungweisende Ereignisse in der Geschichte der zeitgenössischen Musik überhaupt. Im Geistig-Tech nischen stellen sie an Interpreten und Hörer höchste Ansprüche. Das 5. Streichquartett schrieb Bartök in der Zeit vom August bis 6. Sep tember 1934 nieder, seine Uraufführung erlebte es im April 1935 in Washington durch das Kolisch-Quartett. Das Werk gehört infolge seiner stark kontrapunktischen, teilweise kanonischen Setzweise zu den kompli ziertesten Arbeiten des Komponisten. Dabei zeichnet es sich durch ein graziles, transparentes Klangbild aus, durch ausdrucksmäßige Prägnanz. Thematische Verwandtschaft verbindet den ersten mit dem fünften, den zweiten mit dem vierten Satz, wobei sich die für Bartök typische Brük- kenform ergibt. Drei tragende musikalische Gedanken bestimmen den Verlauf des ersten Satzes (Allegro). An einen folkloristischen Klagegesang, wie er bei den Szeklern üblich ist, erinnert das primär rhythmisch gezeichnete erste Thema mit seinen rhythmisch variablen Tonwiederholungen. Der motori schen Entwicklung des Satzes — in der Durchführung — wird Umkehrung