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Omaner Anzeiger Erscheint Dienstag, Donnerstag u. Sonnabend. Abonnementspreis einschließlich zwei illustrirter achtseitigen Beilagen sowie eines illustrirten Witzblattes 1,50 Ml. Zeitung siik Wmid, Seifersdars. Inserats kosten die Spaltenzeile oder deren Raum 10 Pf., für auswiirtige Inserenten 15 Pf., Reklamen 20 Pf. Annahme von Anzeigen für alle Zeitungen. Nummer 139. Sonnabend, den 24. November 1900. 13. Jahrgang. ist in regster Tätigkeit, seine 3. allgemeine Ausstellung mit Prämiirung und Verloosung in den Räumen der „König Großölsaer Schuljugend sowie von der dortigen Ortsbehörde, Albert-Höhe" abzuhalten. Wiederum hat das Ausstellungs- Comitee, welches aus bewährten praktischen Züchtern besteht, die ihrer Aufgabe gewachsen sind, alles aufgeboten, dem Publikum eine reiche Fülle des besten Nutz- und Raffe geflügel vorzuführen. Es lohnt daher sehr, die Ausstellung zu besuchen, zumal namhafte Züchter Sachsens in Wettkampf treten werden. Die Eröffnung erfolgt Sonntag Mittag. — Mit dem bevorstehenden Weihnachtsfest tritt an dieSächsische F e ch t s ch u l e die Aufgabe heran, nach Möglichkeit ihre Kaffe zu füllen, um im Stande sein zu können, auch in der Hütte des Armen das Christkindlein erscheinen zu lassen. Deshalb wird dieselbe nächsten Sonn tag im Saale des Amtshofcs zwei Vorführungen von Nebelbildern veranstalten, wovon die erste nachmittags 4 Uhr gegen ein Entree von 10 Pfennigen für die Kinder welt bestimmt ist und ein anmuthiges Märchen „Die Fahrt zum Christkind" enthalten wird. Die zweite Vorstellung für Erwachsene gegen Eintritt von 30 Pfg. nimmt abends 8 Uhr ihren Anfang und wird eine Reihe von Landschaften, Genre- und Schlachtenscenen, humoristische Bilder sowie Original-Aufnahmen aus den heutigen Chinawirren vor- ftthrcn. Wer also mit wenigen Mitteln das Werk der Barmherzigkeit fördern, den Kindern eine harmlose Freude bereiten und gleichzeitig sich einige angenehme Stunden schaffen will, versäume die hierzu sich bietende Gelegenheit nicht. — Bekanntlich hat die Gemeinde Großölsa für ihren Ort einen Friedhof angelegt, neben welchem im nächsten Jahre sich der Neubau einer Schule erheben wird. Die Gemeinde ist aber noch einen Schritt weiter gegangen, in dem sie sich in der Gießerei von Jauck in Leipzig 2 Glocken Herstellen ließ, die zunächst ihren Platz innerhalb des Fried hofs auf einem Gerüst, später aber auf dem Thurm der neue» Schule finden werden. Diese Glocken kamen am Donnerstag Vormittag mit Blumen bekränzt hier durch, allwo dieselben von unserem Geläute den ehernen Gruß empfingen. Am Ende der Stadt wurde der Transport von entgegenkommenden Reitern eingeholt und nach deren Anschluß an der Grenze Rabenau-Oelsa unter dem Klange der Musik von der daselbst mit der Schulfahne aufgestellten Aus Nah und Fern. — Die in neuerer Zeit iu Rabenau eingeführten geistlichen Musikaufführungen erfreuen sich von Seiten der Gemeinde einer ganz besonderen Beliebtheit, welche auch bei Gelegenheit des am vergangene» Bußtage in unserer Kirche veranstalteten derartigen Concertes durch zahl reichen Besuch aus dem Orte wie der Umgebung zu er freulichem Ausdruck gelangte. Schon das als Einleitung dienende, von Herrn Lehrer Lange mit Präcision vor getragene Adagio für Orgel von Merkel rechtfertigte die Erwartung, welche dem Ganzen entgegengebracht wurde. Es würde schwer fallen, aus dem reichhaltig Gebotenen den Glanzpunkt herauszu finden, deshalb sei es uns gestattet, aus der Fülle des Schönen, nur einige Einzelheiten heraus zugreifen. Die von der ersten Mäochenklaffe unter Leitung des Herrn Schuldirektor Wey »gärtner gesungenen Lieder wirkten besonders durch das exakte Einsetzen, welches auf ein mit vieler Hingabe bewirktes Uebe» schließe» ließ; die von Fräulein Fauth vorgetrageneu Lieder bewiesen eine nicht oft zu findende Schulung; ebenso zeigte der gesangliche Vortrag des Fräulein Hamann eine ange nehme, schmeichelnde Stimme der jungen Dame, die in einem engeren Raume noch ausdrucksvoller zur Geltung kommen würde. Fräulein Kraft, welche sich in einer Hymne und einer Arie hören ließ, verfügt über nicht un bedeutende Stimmmittel, deren Stärke besonders in den höheren Lagen wirkungsvoll hervortraten und endlich war das von Herren aus dem Lehrerkollegium gesungene Quartett von wohlthuender Frische und Lebendigkeit. Von Jnstru- mentalvorträge» wäre noch rühmend zu erwähnen das von Herr» La»ge gespielte Adagio für Violine sowie das Seiten der Herren Lange, Fauth »nd Hauptvogel ausgeführte Trio für Violine, Orgel und Cello von Händel. Das mit einer Mendelsohn'sche Orgelsonate von Herrn Lehrer Forker zum Schluß geführte Concert hat augen scheinlich die Aufgabe gelöst, die Stimmung des Bußtags im Herzen des evangelischen Christen zu vertiefen. — Der Verein für G e f l üg e lz u ch t für Rabenau dem Kirchen- und Schulvorstand, dem Militärverein und dem Turnverein mit seiner Fahne empfangen. Nachdem die Schuljugend einen Choral gesungen, setzte sich der zu stattlicher Größe angewachsene Zug wieder in Bewegung und bei Ankunft auf dem Friedhof hielt Herr Gemeinde vorstand Menzer eine kurze Ansprache, in welcher er aus den weiter unten angeführten Text der Glocken-Jnschriften hinwies und zugleich bekannt gab, daß die Weihe des Friedhofes am Sonntag, den 25. d. M. von Herrn Pfarrer Köhler in Seifersdorf vollzogen werden solle, wobei das in „^.s. 6." gestimmte Geläute der Gemeinde seine Anwesen heit künde» werde. Das Gewicht der größeren Glocke be trägt 10, das der kleinen 5 Centner. Erstere trägt die Inschrift: „Ich ruf' Euch von Oben zum Beten und Loben. Ich führ' Euch zu Gott aus Noth und aus Tod." Die Inschrift der kleineren lautet: „Betet und arbeitet, so hilft Gott allezeit!" Die Glocken sind von der Gemeinde Groß- ölsa gestiftet, was neben der Jahrzahl 1900 ebenfalls auf beiden durch eiue weitere Inschrift beglaubigt wird. Der Preis beträgt ca. 3000 Mark. Mit dem von der Schuljugend gesungenen Choral „Nun danket alle Gott" schloß die Feier. Der Zug wurde beim Vorttb erziehen an der jetzigen Schule von Herrn Photograph Winzer in Rabenau photographisch aufgenommen. — Die während des Bußtages herrschende orkanartige Windströmung hat in unserer Umgebung an der Pflanzenwelt mehrfachen Schaden angerichtet. So sind z. B- auf dem Wege nach Obernaundorf einige der jungen, in kräftigem Wuchs stehende Obstbäume der Wuth des Sturmes zum Opfer gefallen. Auf dem nach dem Freigut Kleinölsa führenden Weg sind zwei starke Ebereschen um gebrochen und in letzterem Orte ein Strohdach theilweise abgehoben worden. In unserer Stadt selbst versagte gegen 6 Uhr Abends sowie später gegen 9 Uhr Plötzlich das elektrische Licht und brachte namentlich die Gastwirthschaften in arge Verlegenheit, deren Gäste geraume Zeit im Finstern sitzen mußten, bis eiligst Lampen und Lichter herbeigeschafft wurden, die sich erst entbehrlich machten, als die elektrische Gnadensonne wieder leuchtete. Auch aus weiterer Entfernung sind mannichfache Schäden gemeldet worden. Der Herr von Hemeds. Von Josephine Gräfin Schwerin. tRachdrml verböte».) Es war am Tage ihrer Ankunft, sie hatte kein Glück gehabt, ein sanfter, stiller Rege» ergoß sich aus einer eintönig grauen Wolkenschicht. Sie beabsichtigte, sich eine Privatwohnung zu suchen, fand aber bei diesem unfreundlichen Wetter nicht den Muth zu einer Wanderung durch die Straßen, mochte das bis morgen bleiben. Ihr Zimmer hatte etwas Ungemüthliches, auspacken mochte sie nicht, da sie hier nicht zu bleiben gedachte, so hatte sie die Glasveranda hinter dem Hause aufgesucht. Die Fenster schloffen nicht gut, sic saß fröstelnd iu ihren Plaid gehüllt in einer Ecke; niemand außer ihr hatte sich eingefunden. Als der Kellner ihr den bestellten Kaffee brachte, ließ sie sich die Fremdenliste geben, vielleicht, daß sie irgend eine ihrer Reisebekanntschaften erneuern könnte. Sie blätterte darin herum, hier und da fand sie wohl einen bekannten Namen, doch keinen, der sie eigentlich interessirte. Da plötzlich wurde ihr Auge starr, Blut schoß ihr jäh in's Gesicht: „von Meinhardt", da stand es klar und deutlich daneben „Referendar ans Braunberg". — Er also, der Mann, an den sie wider Willen Tag und Nacht dachte, ihr Mann war es nicht, doch gehörte er zu seiner Familie, er wußte wohl von ihm, sie konnte hier von ihm höre». Ihr Entschluß stand sofort fest: sie mußte diesen kennen lernen, natürlich durste er ihren Rainen nicht erfahren. — Von Meinhardt, las sie noch einmal, Hotel Deutscher Hof. Sie siedelte noch an dem selben Abend in den Deutschen Hof über und trug in das Fremdeubuch de» Namen: Frau von Stern ein. Am nächsten Tage ging sie zur t-rbls ä'ü.lts; die nicht große Tafel war fast vollständig besetzt; sie ließ das Auge musternd umherschweifen, einige ältere Herren, zwei schon tief in ein landwirthschaftliches Gespräch ver tiefte junge Männer, also wohl Gutsbesitzer, und einige Damen bildeten die Tischgesellschaft. Aß er vielleicht nicht an der t»kl6 ä'dSts? Ihr gegenüber war noch ei» Platz leer. Da öffnete sich die Thür, ein junger Mann trat ein, auf einen Stock gestützt, ein wenig lahmend — das mußte er sein. Nach einer Verbeugung nahm er Platz. Sie sah prüfend hinüber: ein frisches Gesicht, Helle, lebensfrohe Augen, ein Mund, der sicher zu lachen und zu plaudern verstand — und noch so jung, mit dein be kannt zu werden, konnte nicht schwer sein. Wirklich flogen auch schon in der nächsten halben Stunde einige Worte zwischen ihnen hin und her, nur ein paar gleichgiltige Bemerkungen, doch sie genügten, um ihn in Verbindung mit ihrer äußeren Erscheinung für sie zu interessiren: die anmuthigen Linien ihrer Gestalt, der kleine, so zierlich an den schlanken Hals ansetzende Kopf, die langbewimperten dunkelen Augen und das auffallend schöne Haar, das im Nacken in einem graziösen Knoten aufgesteckt war, fesselten sein Auge, er meinte, nie eine reizendere Frau gesehen zu haben. „Die Dame mir gegenüber ist neu angekommen und wohnt hier?" fragte er nach dem Diner den Oberkellner. „Jawohl, Herr Baron, sie kam gestern Abend und logirt im ersten Stock, in dem Eckzimmer mit Balkon, unser bestes Zimmer," berichtete dieser diensteifrig. „Sie wissen auch ihren Namen?" fragte Gert weiter. „Frau von Stern, aus Berlin." Gert nickte, natürlich eine Frau, ob der Mann ihr nachkommen würde? Vielleicht ein widerwärtiger Protz, ein geadelter Bankier, der Name ließ darauf schließen. Ec mußte über sich selbst lächeln, es konnte ja ebensogut auch ein liebenswürdiger Mensch sein, was ging ihn dieser Mann überhaupt an — lächerlich! Am Ende existirte er auch gar nicht, möglicherweise war sie Wittwe — hm, gleichgiltig, jedenfalls wollte er die Bekanntschaft kultiviren. Schon an demselben Nachmittag bot sich ihm dazu Gelegenheit. Ec fand sie gleich am Eingänge des Parkes, auf einer Bank sitzend. „Sie gestatten, gnädige Frau?" „Die Bank ist ja nicht mein Eigenthum," erwiderte sie lächelnd und rückte ein wenig bei Seite. „Sie wünschten aber vielleicht allein zu bleiben," meinte er, „doch mein kranker Fuß verlangt häufige Ruhe." Das log er, er hätte ganz gut noch eine Strecke gehen können, sollte sogar eine gewisse Anstrengung nicht vermeiden. „Hoffentlich thun Ihnen die Bäder gut," sagte sie. „Ich hoffe es auch; die Aussicht, lahm zu bleiben, wäre nicht erfreulich." Sie nickte. „Gewiß. Uebrigens sollen die hiesigen Bäder außerordentlich wirksam sein, behauptet mein Arzt ich hätte sonst einen südlicheren Ort vorgezogen, Natur und Klima bieten da so viel mehr, die echte Gebirgsluft ist unbe schreiblich schön und der Anblick der Berge weitet das Herz." „Sind Sie viel gereist, gnädige Frau?" fragte Gert. „Sehr viel." „Beneidenswerth." „Doch nicht so sehr; man wird bald reisemüde und sehnt sich nach irgend einem Fleckchen Erde, das man sein Heim nennen kann." „Was denn schließlich doch auch ein jeder Mensch be sitzt," warf Gert ein. Sie zeichnete mit dem Sonnenschirm Figuren in den Sand. „Eni alleinstehender Mensch wie ich, kaum," wider sprach sie, „weun man irgend wo sein Zelt aufschlägt, so weiß man, daß man es ebenso gut sofort wieder abbrechen und an anderer Stelle neu aufballen kann. Heimath nenne ich nur ein Stück Erde, an das man mit Erinnerungen geknüpft ist, auf dein man Freude und Schmerz erlebt hat, zu dem es einen aus der Fremde hinzieht, wie zu einem geliebten Menschen." „Gewiß ist das das tiefste Heimathsgefühl," stimmte Gert zu, „aber doch eigentlich jedem fremd, der in der Stadt lebt, hierhin und dorthin durch seine Stellung verschlagen wird und überall ein Stück Leben lebt. Nur der Landbesitz sichert solch' festen Heimathsboden und, Sie haben recht, es ist ein Glück, die Scholle immer wieder betreten zu können, in der man mit all seinen Erinnerungen wurzelt, wo man als Kind gelernt lind gespielt hat, in der Jugend glücklich gewesen ist, wo jeder Platz, jeder Winkel seine Geschichte für uns hat, wo man jeden Baum liebt, jeden Strauch wachsen sah. An diese Scholle ist man mit ganzer Seele gekettet, und sich von ihr loszureißen, würde Herzblut kosten." „Sie schildern so warm, daß man merkt, Sie sprechen aus eigener Erfahrung," sagte Elisabeth. „Jawohl, ich liebe das väterliche Gut mit allen Fasern meines Herzens, und als nach dem Tode meines Vaters uns die Frage nahe trat, Neurode zu verkaufen, fühlte ich, was dieser Verlust mich kosten würde, so jung ich damals auch noch war." Elisabeth war bei dem Namen Neurode leise zusammen gezuckt, doch sie sammelte sich schnell und sagte: „Und so entschlossen Sie sich, das Gut zu behalten?" „Ich nicht, ich war damals noch ein Knabe, doch glücklicherweise dachte mein älterer Bruder ebenso wie ich, nahm, obgleich er mit voller Neigung Soldat war, den Abschied und übernahm das Gut." „Was selbstverständlich war," meinte Elisabeth. „Doch nicht so ganz, aus rein praktischen Gründen wäre der Verkauf des Gutes Vortheilhafter gewesen, um so mehr, als mein Bruder bis dahin völlig unerfahren auf dem Gebiete der Landwirthschaft war." Elisabeth fühlte ihr Herz klopfen, es schnürte ihr den Hals zu; er hatte sich in Schulden gestürzt, nicht aus noch ein gewußt, Geld um jeden Preis gebraucht! „Und jetzt?" fragte sie leise. — Fortsetzung folgt. —