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Nabemuer Anzeiger Erscheint Dienstag, Donnerstag u. Sonnabend. Abonnementspreis einschließlich zwei illustrirter achtseitigen Beilagen sowie eines illustrirten Witzblattes 1,50 Mk. Zeitung für WM, Seiftesdors. Inserate kosten die Spaltenzeile oder deren Raum 10 Pf., für auswärtige Inserenten 15 Pf., Reklamen 20 Pf. Annahme von Anzeigen sür alle Zeitungen. Nummer 133. Sonnabend, den 10. November 1900. 13. Jahrgang. Mittheilungen aus der Sitzung des Stadtgemeiuderathes zu Rabenau vom 3. November 1900. Vorsitzender: Bürgermstr. Wittig. Anwesend alle Mitglieder. Zu Punkt 1 der Tagesordnung erfolgte die Erledigung einiger Reklamationen in Stadtanlagensachen. 2. Als 3. Mitglied der Commission für die Einschätzung zur Einkommensteuer wurde Herr Stadtverordneter Otto Gulde und als dessen Stellvertreter Herr Stadtverordneter Karl Zimmermann gewählt. 3. Wegen Verbesserung des Aussehens der an das Grundstück des Herrn Oskar Herrmann anstoßenden Spitze wird beschlossen, den alten Zaun wegzunehmen und an Stelle desselben nur an 2 Seiten Barrieren anzubringen, so daß das Grundstück vom Wege aus frei bleibt. 4. Die zur Herstellung eines Theiles der Bahnhof straße nöthigen Granit-Bordschwellen beschloß der Stadt- gemeinderath von der Firma C. G. Kunath in Dresden, welche von den zur Konkurrenz gezogenen Firmen den billigsten Preis stellte, zu beziehen. Mit Rücksicht darauf, daß die dort in Betracht kommende Wegestrecke eben liegt, will man Leipziger Profil — 35 Ctintr. breit lind 20 Ctmtr. hoch — verwenden. 5. Nahm der Stadtgemeinderath Kennlniß von einer in Schulangelegenheiten eingegangenen Verordnung des Königlichen Ministerium des Kultus und öffentlichen Unter richts und von einer Zuschrift der freiwilligen Feuerwehr der Sächsischen Hvlz-Jndustrie-Gesellschaft hierselbst. 6. Machte der Herr Vorsitzende Mittheilu ng, daß nun mehr der in der Wasserlcitungssache gegen die Stadtgemeinde angestrengt gewesene Proceß endgültig entschieden sei, nach dem das den Kläger abweisende Urtheil des Königlichen Landgerichts Freiberg Rechtskraft erlangt habe. Aus Nah und Feru. — Die S ch ütz e n g e s e ll s ch a ft Rabenau veranstaltet am kommenden Dienstag Abend im festlich dekorirten Saale der „Albert-Höhe" ein Winter-Vergnügen, bestehend in Concert und Ball, wozu bereits eine Anzahl Einladungen an Gönner der Gesellschaft ergangen sind. Um den Besuchern recht angenehme Stunden zu bereiten, ist das Festcoinit» eifrigst bemüht, das Programm möglichst abwechslungsreich zu gestalten. So soll zu dem geplanten Concert die Schützenkapelle bedeutend verstärkt und die Pausen durch humoristische Vorträge ausgefüllt werden. Ferner ist zu dem Abend eine bekannte Sängerin vom Dresdener Hoftheater, Fräulein Leder, gewonnen, welche durch Vortrag einiger Lieder wesentlich zur Verschönerung des Festes beitragen dürfte. Zu dem folgenden Ball ist Genehmigung bis 3 Uhr Nachts. Hoffentlich leisten der freundlichen Einladung recht viele Folge, denn darin würde die Gesellschaft für die gehabte Mühe ihren größten Lohn finden. — Der über gute Stimmen verfügende Männer gesangverein „Arion" aus Eckersdorf wird am Sonn tag Abend im Gasthof zu Obernaundorf ein Concert veranstalten. Da das Programm ein gut gewähltes ist und nach dem Concert ein Ball die Erscheinenden beisammen- halten soll, darf man einen guten Besuch erwarten. — In Kleinnaundorf brannte am Sonnabend das Haus des Wirthschaftsbesitzers Emil Berger bis auf die Umfassungsmauern nieder. Am meisten zu beklagen find die Miethcr, da keiner versichert hat. — Bei der vorige Woche stattgefundenen Zwangs versteigerung des Trützschler'schen Vorwerks in Rein hold ha in erstand Herr Gutsbesitzer Ernst-Dresden dasselbe für den Preis von 72000 Mark. — Sich selb st gerichtet. Dem irdischen Richter entzogen hat sich der Kupferschmied Ernst Jantz aus Rüdigers- Hausen, der in einem Anfalle von Geistesgestörtheit seine Frau ermordet hatte, indem er ihr in Gegenwart des jüngsten Kindes mit einem Tischmesser den Hals durchschnitt. Der Mörder wurde dem Gerichtsgefängniß in Worbis zugeführt, wo er in der Nacht zum Dienstag sich an der Thürklinke seiner Zelle erhängte. Das Motiv zu dem Gattenmorde ist, wie jetzt bekannt wird, in der Uebernahme einer Bürg schaft von 12 000 Mk. für seinen Schwager, den Bruder der hingemordeten Frau, zu suchen. Jaritz wurde, obwohl er ein großes Vermögen besaß, in letzter Zeit von den Gläubigern seines Schwagers arg bedrängt. — Unterm Pantoffel. Ein hübscher Beleg für das Pantoffelheldenthum in China findet sich in der Ethnographischen Sammlung des Staates an den Hofgarten- Arkaden zu München. Unter den Elfenbeinschnitzereien der chinesischen Abtheilung ist eine keine Gruppe, eine ent schlossene chinesische Dame darstellend, die ihrem weit älteren Herrn Gemahl, den sie übers Knie gelegt hat, mittelst eines zusammengedrehten Strickes eine — nach dem jämmerlichen Gesichtsausdruck des Eheherrn zu schließen — empfindliche Züchtigung angedeihen läßt; Uebung einerseits, Ergeben heit anderseits sind vorzüglich zum Ausdruck gebracht. — Eine Königin als Lebensretterin. Die Königin von Portugal hat sich durch eine heroische That in Arcaes große Volkslhümlichkeit erworben. Die Königin, welche während eines Spazierganges am Strande ein mit zwei Personen besetztes Fischerboot in ihrer Nähe kentern sah, stürzte sich ins Wasser und rettete die beiden Insassen nach einander. — Aus Anlaß von Wetten wegen der Präsideuten- Wahlen in Nordamerika sind in verschiedenen Gegenden Kentuckis in der Dienstag-Nacht 6 Personen erschossen worden. Lied vor sich hinsummend, auf den fest die Hand; ja, er war froh, die bezahlt, der Wechsel vernichtet. wenn's nur wahr ist!" Er drückte ihm 40000 Mark waren „Na, dann gut; „Gewiß." Gert ging, ein Garten zu. Werner sah ihm einen Augenblick nach, dann trat er in sein Zimmer. Ec sehnte sich nach Alleinsein Er halte das Erlebte schon hundert Mal auf der Reise durchdacht, und doch meinte er, es sich hier in seinen vier Wänden noch einmal zurückrufen zu müssen — es war ihm noch immer wie ein wüster Traum. Ec warf sich in den Stuhl vor seinem Schreibtisch, öffnete sein Notizbuch und nahm aus einer Seitentasche einen in Seidenpapier ge wickelten Ring heraus — seinen Trauring; er hatte ihn schon in Helgoland vom Finger gezogen, jetzt öffnete er ein Geheimfach seines Schreibtisches und verschloß den Ning darin, kein menschliches Auge sollte ihn sehen. Er war vermählt, gebunden für sein ganzes Leben, an wen? An eine Unbekannte. Wer trug nun seinen'Namen, was könnte sie aus ihm machen, wie ihn mißbrauchen! stimmt, oder bist Du krank? Du siehst schlecht aus, ich bemerkte es bei Tisch und wollte nur Mama nicht durch eine Frage beunruhigen." „Aber nein, ich bin vollkommen wohl," versicherte Werner. „Nun, was ist denn sonst, hast Du Aerger gehabt? sag' doch." Die guten braunen Augen Gerts sahen Werner so treu, so ehrlich besorgt an, daß ihm warm ums Herz wurde. Gottlob, daß er diesem Bruder das schwere Leid erspart hatte! „Nein, wirklich, Gert, es ist nichts, im Gegentheil, ich bin sehr froh, sehr glücklich." Der Herr von llmrode. Von Josephine Gräfin Schwerin. (Nachdruck verholen.) „Wenn nur kein Unglück geschehen ist, Eisenbahnun- sälle passtren jetzt so oft," meinte die Baronin ängstlich. „Mama, um Gottcswillen ängstige Dich nicht," rief Gert, „keine Spur von Veranlassung ist dazu, Du kennst doch Deinen ungeduldigen Jungen, der der Uhr immer um eine Viertelstunde voraus ist, es ist ja erst 10 Minuten nach 11 Uhr, und um 11 Uhr kommt der Zug an." Ec war zu Frau von Meinhardt geeilt, hatte sie um armt und einen Kuß auf ihre Wangen gedrückt. „Jetzt aber höre ich wirklich Wagenrollen." Ec lief zum Fenster zurück. „Hnrrah, da ist er!" Der Wagen umschrieb im Halbrund den Rasenplatz der die Mitte des Hofraumes einnahm, und hielt vor der Thür. In der nächsten Minute lag Werner in den Armen des Bruders. > die Güte haben müssen, mir Ihren Namen zu nennen." > Das Schweigen war ihm unsäglich peinlich geworden und doch hatte er nichts zu reden gewußt, ein jedes Wort . wäre ihm wie eine banale Phrase erschienen, trotzdem em- ' Pfand er ihr Stummsein wie eine Beleidigung, und so klang jetzt seine Anrede gereizt. „Else Waldau" hatte sie > ebenso leise wie vorher erwidert. Das Geschäftliche war, mit bereitwillig gewährter Unterstützung des Geistlichen, schnell geordnet, in zwei Stunden , konnte, da die genügenden Papiere vorher eingesandt waren, die Trauung stattfinden, in der Sakristei hatte der alte Herr gemeint, die Kirche sei noch recht kalt. Vielleicht hatte er bemerkt, daß es dem Paar auf eine möglichst unbeachtete Feier ankam. „Von wo darf ich Sie abholen?" hatte Werner an der Thür gefragt. „Ich denke, wir treffen in der Sakristei zusammen, ich werde pünktlich sein," war ihre Antwort. Es war nichts als ein Geschäft, und sie be handelte es geschäftlich, trotzdem reizte ihn auch das wieder. Die zwei Stunden dünkten ihm eine Ewigkeit, doch auch sie vergingen endlich. Inzwischen halten die den ganzen Tag drohenden Wolken sich verdichtet, ein starker Regen ging herunter. Als er in die Sakristei eintrat, herrschte beinahe Halbdunkel, er fand den Geistlichen schon im Ornat, in der Agende blätternd. Zwei Kirchenbeamte sollten wohl als Zeugen dienen. Von einem Stuhl in der dunkelsten Ecke erhob sich eine graue Gestalt — sie war es, in dem- selben Reisekleide, nur den Hut hatte sie abgelegt; er sah ein schmales blasses Gesicht, dunkles, in einen vollen Knoten aufgestecktes Haar. Die Rede des Geistlichen war kurz und naturgemäß kühl und nüchtern. Werner hörte nicht viel davon, ihn be schäftigte fortwährend die Frage: was hatte dies Weib an seiner Seite zu diesem Schritt bewogen, sie war reich, nicht alt, nicht häßlich, so viel glaubte er entdecken, zu können, er bemühte sich vergeblich, in dem Dämmer des Raumes mehr von ihren Zügen zu erkennen, sie hielt den Kopf tief gesenkt, er sah nur ein fein geschnittenes Profil — vielleicht war sie sogar schön! Das Ja war gesprochen, die Ringe gewechselt — sie waren Mann und Frau. Else Waldau, jetzt Else von Meinhardt, drückte das Hütchen auf das Haar, zog den Schleier vor das Gesicht und schlang ihn fest um Hals und Nacken. „Sie hat nicht nöthig, sich so ängstlich zu verhüllen, weshalb läßt sie sich von mir nicht ansehen?" dachte Werner ärgerlich. Kaum zehn Schritte von der Kirche entfernt, blieb sie stehen. „Bitte." Sie reichte ihm ein kleines Taschenbuch. Ihn überfiel die ganze Gemein heit der Handlung, zu der er sich entschlossen, die Scham röthete sein Gesicht, es schüttelte ihn, doch er nahm das Buch — der Handel war einmal gemacht. „Wollen Sie sich nicht überzeugen?" fragte sie, als er es in die Bcust- tasche steckte. Er machte eine abwehrende Bewegung, sie zuckte die Achseln und wandte sich zum Gehen. — Fortsetzung folgt. — „Lieber Alter, da bist Du ja, es ist nett, daß ich Dich auch einmal zu Hause cmpfangen kann," begrüßte ihn Gert. Werner küßte Gert auf beide Wangen. „Mein Junge! Wie schade, daß ich die zwei Tage mit Dir verloren habe, doch es ließ sich nicht ändern — Du bist mir nicht böse?" „Aber warum! Nun komme zu Mama." „Es gehl ihr doch gut?" „Ja, vortrefflich." Werner brachte Gert durch allerlei Fragen in der ersten Stunde zum Sprechen; es hielt nicht schwer, denn Gert liebte es zu plaudern und hatte stets tausend Dinge «us der Großstadt zu erzählen, denen Frau von Meinhardt gern zuhörte, in ihr stilles Landleben tönte das wie Klänge aus einer schönen alten Zeit herüber. Erst nach dem Schluß des nach ländlicher Sitte früh eingenommenen Mittagessens, als der Messende Jnspector das Zimmer verlassen hatte, sagte Gert: „Doch Werner, jetzt wird es Zeit, daß Du etwas von Deinen Erlebnissen mittheilst, Du läßt mich fortwährend schwatzen, und von Dir haben wir »och nicht ein Wort gehört." „Ich habe gar nichts mitzutheilen," wehrte Werner ab. „Nun, Du hast doch das Jubiläum Deines alten Kom mandeurs mitgefeiert," warf Gert ein, „davon ist doch was Zu erzählen." Werner zuckte die Achseln. „Du weißt doch, wie solche Feste verlaufen: schlecht gegessen, viel getrunken und ein Dutzend Reden gehört, deren Inhalt man vorher wußte." Gert lachte. „Du bist schlechter Laune, so ist das denn doch nicht." „Mag sein," gab Werner zu, „Reisen machen mich Mmrer nervös, ich bin so ein alter Hausvater geworden, der sich nur in seinein Neurode wohlsühlt." Bald darauf erhob er sich, um in sein Zimmer zu Sehen. Gert folgte ihm und hielt ihn auf dem Hausflur fest. „Du, Werner, ist etwas geschehen? Du bist so ver- Ec sprang auf, lief einmal auf und ab und warf sich dann wieder in den Stuhl. Immerfort, nun schon seit Tagen, seit jenem verhängnißvollen 30., sah er die große schlanke Gestalt vor sich, die in einem unauffälligen grauen Neisekostüm ihm über die Landungsbrücke des Dampfers entgegengekommen war. Ein dichter grauer Gazeschleier, der an dein kleinen Filzhut befestigt war, ver hüllte Gesicht, Haar und Nacken vollständig, um den Hals trug sie, nicht eben auffällig, aber doch bemerkbar, ein blau seidenes Tuch. Auf seine leise Frage: „C. A. 100?" hatte sie nach kurzein Zögern, wahrscheinlich hatte sie nach dem Erkennungszeichen des blauen Tuches auch bei ihm gesucht, mit einem kurzen Kopfnicken geantwortet. Sie waren ein paar Augenblicke stumm neben einander gegangen, ihm war die Kehle trocken, der Hals wie zugeschnürt, endlich hatte er begonnen: „Es ist Ihnen recht, wenn wir sofort zu dem Pfarrer gehen?" Wieder ein stummes Kopfneigen. „Sie haben Ihre Papiere eingesandt?" „Meinen Taufschein, meine Eltern sind todt, ich bin mündig." Die Antwort ivar so leise gegeben, daß er kaum den Ton der Stimme wahrnahm. Als sie nur noch wenige Schritte von dem Hanse des Geistlichen, das er sich vorher hatte bezeichnen lassen, entfernt waren, sagte er: „Sie werden doch aber