Volltext Seite (XML)
Erscheint Dienstag, Donnerstag n. Sonnabend. Abonnementspreis einschließlich zwei illnstrirter achtseitigen Beilagen sowie eines illustrirten Witzblattes 1,50 Ml. ZkilW str Wllmnd, Seifers-ms, Inserate kosten die Spaltenzeile oder deren Raum 10 Ps., sür auswärtige Inserenten 15 Pf., Reklamen 20 Ps. Annahme von Anzeigen sür alle Zeitungen. Groß- und Kleinölsa, Obernamtdorf, Hainsberg, Somsdorf, Coßmannsdorf, Lübau, Borlas, Spechtritz re. Mit verbindlicher Publikationskraft sür amtliche Bekanntmachungen. Nummer 128. Dienstag, den 30. Oktober 1900. 13. Jahrgang. Ans Nah uud Ferm — Unter zahlreicher Betheiliaung hielt am vergangenen Sonntag der Turnverein I im Amtshof eines seiner belübten Familienkränzchen ab, welches mannichfach be- llistigende Abwechslung bot. Die turnerischen Uebungen wurden mit einer Bravour ausgeführt, welche den reichsten Beifall errang; die Keulenübungen der Damenriege wurden ebenfalls mit stürmischem Applaus begrüßt, der auch dem Turnwart für das mit großer Hingabe gepflegte Einüben der jungen Damen gezollt wurde. Das Resultat einer veranstalteten Lotterie wirkte vielfach befriedigend und selbst die unausbleiblichen Nieten wurden mit großem Humor ertragen. Dazwischen debütirte ein Mitglied mit vielem Effekt als imitirter Damenkomiker, ein anwesender Gast brachte unter Anerkennung der turnerischen Mitwirkung an der Errichtung des deutschen Reiches dem Verein ein lebhaftes „Gut Heil!" Die übrige Zeit wurde durch flotte Betheiligung am Tanz ausgefüllt und so verliefen schnell die Stunden, bis die vorgerückte Mitternachtzeit dem genuß reichen Abend ein Halt gebot. — Ein R a b e n a u e r K i nd, Herr Architekt Arno Mende, wird sich Montag, den 12. November, mit der Oberstens-Tvchter Fräulein Bertha Edle Gicsl von Gies- lingen, einer Nichte des österreichischen General-Feldzeug- Meisters rc. rc. Freiherr Giesl von Gieslingen in Wien vermählen. — Zu den Vorarbeiten für die geplante» Sperren in den Gebieten der rochen, der wilden und der vereinigten Weißeritz, sowie des Pöbelbaches und des Oelsabaches ge hört auch die Ermittelung der Wasserkräfte der in diesen Gebieten unterhalb der Sperren gelegenen Triebwerke und wacht sich deshalb deren spezielle Aufnahme erforderlich. Die Besitzer dieser Triebwerke werden demzufoige von dem Königlichen Commissar für die geplanten Thalsperrm in den Weißeritzgebieten rc. aufgefordert, den mit jenen Vor arbeiten beauftragten, mit bezüglicher Legitimation ver sehenen Beamten den Zutritt zu ihren Grundstücken und Triebwerken und die Aufnahme der Letzteren zu gestatten, denselben auch auf ihr Verlangen nähere Auskunft in der hier fraglichen Beziehung wahrheitsgemäß zu ertheilen. — Aus Schwermuth erhängen hat sich am Mittwoch der bei Herrn Holzhäudler Richler in Coßmannsdorf beschäftigte Kutscher Köhlert- Wie man Anlaß zu glauben hat, konnte sich der Bedauernswerthe nicht über den schon vor langem erfolgten Tod seiner Frau hinwegsetzen. — Am Freitag Nachmittag brach in der Hinteren Ziegelhocde der Kümmelberger'scheu Ziegelei in Deuben Feuer aus, was durch die bald eiutreffende Ortsfeuerwehr mittels Hydranten schnell gelöscht wurde. — Was manche Abzahlungsgeschäfte am Uhrenhandel verdienen, lehrte eine Verhandlung vor dein Leipziger Landgericht. Ein Einkassirer hatte den Besitzer des Körner- schen Abzahlungsbazars betrogen, und bei der Verhandlung stellte sich heraus, daß Uhren im Ankaufswerthe von 13 bis 15 Mk. mit 35 bis 40 Mk. verkauft wurden. — Aus hohen Kreisen. Die Ehe des Prinzen und der Prinzessin Aribert von Anhalt ist in der Scheidung begriffen. Die Prinzessin stammt aus dem Hause Schleswig- Holstein-Sonderburg-Augustenburg. Der Vater der Prin zessin, Prinz Christian, der mit einer jüngeren Schwester der Kaiserin Friedrich, Prinzessin Helene von Großbritannien verheirathet ist, weilt seit Wochen in der englischen Bot schaft in Berlin, um die Scheidung seiner jüngsten Tochter durchzusetzen. Diese selbst lebt schon seit längerer Zeit von dem Prinzen getrennt und hält sich gegenwärtig in Amerika auf; Prinz Albert war bis zum 14. September d. I. Ritt meister und Eskadrvnchef im ersten Garde-Dragonerregiment und wurde unter diesem Datum L la -mit« des Regiments gestellt und auf unbestimmte Zeit beurlaubt. Ain Donner-, stag hiit sich Prinz Christian von Schleswig-Holstein mit seinem Neffen, dem Herzog Ernst Günther, nach Schloß Primkenau begeben. Der „Reichsbote" bemerkt zu diesen Thatsachen: Wie traurig derartige Vorkommnisse sür das Ansehen der Fürstenhäuser wirken, bedarf keines Wortes; besonders bedauern wird man, daß nun auch ein so ehr würdiges Fürstenhaus, wie das anhaltische, in Mitleiden schaft gezogen ist. — Schlagende Wetter. Aus Bochum wird berichtet: Auf der Zeche „Karolinenglück" in Hamme bei Bochum fand am Sonnabend Mittag eine Explosion schlagen der Wetter statt, wobei zwei Arbeiter getödtet wurden. — Eine blutige Zigeunerschlacht wurde in der letzten Woche im Dorfe Wendemark in der Altmark geschlagen. Ein Karawane von zwölf Wagen war vor dem Gasthose angekommen; Zwistigkeiten, die schon seit längerer Zeit zwischen zwei Familien bestanden, führten zu einem erbitterten Kampfe, wobei Revolver, Säbel, Knüttel und allerlei andere gefährliche Werkzeuge zur Anwendung gebracht wurden. Die Wuth der streitenden Weiber war unbeschreiblich; ein Mann wurde von ihnen mit Blechgesäßen, Töpfen und anderen Wirthschaftsgegenständen so lange ge schlagen, bis er schwer verletzt liegen blieb; ein anderer Zigeuner erhielt einen Revolverschuß ins Gesicht. Erst als der Amtsvorsteher mit einem Gendarmen erschien, erreichte die Schlacht ihr Ende; blitzschnell wurden die Verwundeten auf den Fuhrwerken verladen und in größter Eile, soweit es eben die Leistungsfähigkeit der Gaule zuließ, fuhren die feindlichen Parteien nach zwei verschiedenen Richtungen, Seehausen und Werben, davon. — Einen praktischen Lehrer hat das Dorf Bohra im Herzogthum Altenburg. Derselbe hat in dem neuen Schulhause eine elektrische Beleuchtungsanlage auf eigene Kosten eingerichtet. Der Herr von tlenrodt. Von Josephine Gräfin Schwerin. — sNcicbdrufs verboten.) Endlich üblrwältigw ihn die Müdigkeit uud ec schlief ei», so fest, daß, als der Schaffner die Thür aufriß uud ihn mit dem Namen der Stat ou, auf der er den Zug ver lassen mußte, weckte, er alles vergesse» hatte uud dem Manu ein heiteres Wort zurief; doch schon während er nach seinem Handkoffer giiff, überfiel ihn das unklare Bewußtsein von etwas Schrecklichem, und in der nächste» Sekunde nmßte er alles. Der Stationsvorsteher, der ihn gut kannte, und mit dem er gewöhnlich noch ein paar freundliche Worte wechselte, legte die Hand au die Mütze. „Der Wagen des Herrn Baron wartet." Meinhardt antwortete nur mit einem kurzen: „danke" und ging um das Haus Henn» nach seinem Wagen. Frage und Aulwort: „Alles gut zu Hause?" „Jawohl, Herr Baron," Ware» wie gewöhnlich getauscht, dann hatte er sich in die Decke gehüllt, in die Ecke des Wagens gedrückt, u»d die Pferde zogen an. Ec mußte sich sammeln, wen» ssine Mutter nichts merken sollte, sie hatte für jede Schal- lirung in seinem Wesen uud Ausdruck ein so scharfes Auge. Die halbe Stunde Fahrt genügte dazu. Der scharfe Wind halte den Himmel klar gefegt; als der Wagen die Kastanienallee entlang fuhr, dann im Bogen den Rasenplatz umkreiste uud vor dem Hause hielt, fiel ein Heller Sonnenstreif über de» durch zwei Stufen erhöhten Bvrplatz. Frau von Meinhardt stand am Fenster und nickte. Werner erwiderte den Gruß, warf im Flur Pelz und Neise- Wiitze ab und ging rasch in das Zimmer. Frau von Meinhardt umarmte und küßte ihn. „Wll- ^mmen, mein lieber Soh», g»t, daß Du da bist, es war? lo einsam ohne Dich. Welch' schlechtes Reisewetter Du heute hattest, Du bist gewiß ganz durchgefroren." Sie llreichelte liebevoll seinen Arm. „Du hast natürlich vor der Abreise noch gegessen, aber ich habe doch eine Taffe Bouillon für Dich aufheben lasse», Mamsel wird sie gleich heraufschicken." Wirklich kam in diesem Augenblick auch schon das Wädchen mit dem Theebrett herein, auf dem sich neben der Bouillon einige zierlich zubereitete Brötchen befanden. „Ach, das wird erquicken" sagte Werner. Ec fühlte Mötzlich, daß ihn hungerte, er hatte heute ja noch so gut ^le nichts genossen. Frau von Meinhardt setzte sich neben ihn. Sie hatte, 'hrein Alter weit voraus — sie stand noch in den Fünf zigern — etwas Greisenhaftes in dem müden, schwermüthigen Gesicht, das von einem fast weißen Scheitel eingerahmt war. Sie hatte sich, kaum dem Kindesalter entwachsen, mit dem Leutnaut von Meinhardt verheirathet. Ein paar glückliche, lustige Jahre, in einem vornehmen Offizierskreise, vergingen rasch; Herr von Meinhardt ivar ein flotter Offizier, der allen noblen Passionen huldigte, die er für den richtigen Offizier nicht nur erlaubt, sondern fast geboten hielt. Dem Zwange der Nothweudigkeit folgend, übernahm er dann, »ach dem Tode seines Vaters, das schon vom Urgroßvater her der Familie gehörende Gut, ohne ein Interesse für die Landwirtschaft zu besitzen, noch auch den Willen, es sich anzueignen; hier und da hatte ihn irgend ein Versuch, der Ankauf irgend einer Maschine gereizt und er hatte dann ohne Besinnen Tausende, meistens erfolglos, daran gesetzt, im klebrigen hatte er in liebenswürdigem, aber unpraktischem Vertrauen alles Inspektoren überlassen, die diese unbewachte Selbstständigkeit auszunutzen nicht säumten. Als Werner von Meinhardt nach dem plötzlichen Tode seines Vaters diese verwahrlosten Zustände vorfand, hatte er sich gelobt, sie in feste Hand zu nehmen, gut zu machen, was nicht nur sein Vater, sondern auch er selbst, in ge dankenlosem Leichtsinn, gefehlt hatte, als er wiederholt hohe Summen zur Tilgung seiner Schulden — zum größten Theil Spielschulden — erbat und erhielt. Gut machen an seiner Mutter, deren schon von Natur und nun durch die Verhältnisse noch mehr herbcigeführte ängstliche und schwarzseherische Stimmung in der letzten Zeit durch ein nicht unbedenkliches Augenleiden noch vermehrt wurde; gut machen an seinem Bruder Gert, der bei dem Tode des Vaters noch als Schüler kurz vor dem Abiturienten examen stand. Das Scheiden von seinem Regiment, von der Kameraden und dem genußfrohen Leben mit ihnen war ihm unsäglich schwer geworden und das eiigbegrenzte stille Landleben er schien ihm anfangs wie eine Verbannung; allmählich aber hatte er doch Freude an seiner Arbeit und ihrem Erfolg gewonnen und sein schönster Lohn war es, daß er in den Zügen seiner Mutter jetzt einen ruhigeren und freudigeren Ausdruck entdeckte, der bisweilen sich sogar zu einem Lächeln gestaltete, und daß Gert, ungehemmt durch die Verhältnisse, seinem Wunsche gemäß Jura studiren konnte. Diese beiden hatten alle ihre Liebesfähigkeit nun auf Werner konzentirt; daß er den ernsten Pflichten alle ihin lieb und theuer ge wordenen Lebensverhältnisse und Freuden geopfert hatte, schien ihnen eilt nie hoch genug zu bewunderndes und zu dankendes Verdienst. Er hatte sich dessen gefreut, es aber bis heute als ein ihm wohl gebührendes hingenommen — heute war er von der Höhe, auf der er sich selbst gefühlt, herabgestürzt. Fra» vo» Meinhardts liebendes und ängstliches Mutter- auge lag stets wie mit einer bänglichen Frage auf ihm, es hatte ihn oft gerührt, aber auch gepeinigt, er mußte ihr stets Rechenschaft über jede kleine Verstimmung, jeden momentanen Aerger geben, die er lieber mit sich allein ab gemacht hätte. So konnte es ihn nicht wundern, als sie auch heute sagte: „Du siehst nicht froh aus, mein Werner, was hast Du?" „Nichts, gariiichts, liebe Mama, was soll denn sein!" antwortete er ein wenig ungeduldig. „Dann bist Du nicht wohl" beharrte Frau von Mein hardt, „Du bist auch blaß und hast trübe Augen. Willst Du Dich hinlegen?" Werner fühlte plötzlich ein tiefes Mitleid mit der Mutter, die nicht ahnte, daß sie vor etwas Entsetzlichem gestanden hatte, vielleicht noch stand. „Aber Mamachen, wenn Du Dich doch nicht meinet wegen unnütz ängstigen wolltest" sagte er lachend. „Du weißt, kleine Aergereien giebt es immer, wenn man in die Stadt kommt, und dann griff mich gestern Abend Gebhausen auf und wir beide und ein paar Andere waren ziemlich spät zusammen. Du siehst, nur das Vergnügen hat Deinem leichtsinnigen Jungen trübe Augen gemacht." Der scherzende Ton mußte ihm gut gelungen sein, denn Frau von Meinhardt strich ihm zärtlich über die Wange und sagte: Wie mich das freut, daß Du einmal wieder froh unter jungen Menschen gewesen bist, Du hast ja sonst immer nur Arbeit und Arbeit; dann gehe jetzt aber auf Dein Zimmer und schlafe Dich ordentlich aus." „Wenn Du meinst, dann will ich gehen," erwiderte Werner, „ich glaube, ich bin wirklich müde." Ihn verlangte nach Alleinsein, er konnte es aber doch nicht verhindern, daß die Mutter mit ihm kam, eine bequeme Lagerstatt auf dem Sopha für ihn zurecht machte und ihn nicht eher verließ, als bis er sich ausgestreckt hatte und sie noch die warme Decke, die sie selbst für ihn gehäkelt, über ihn breiten konnte. Das Pensionat für junge Mädchen des Fräuleins Hartfeld war eins der gesuchtesten Dresdens. Sie hatte zwei Stockwerke eines eleganten Hauses in der Sidonien- straße inne und konnte trotzdem nicht immer den an sie ergehenden Aufnahmewünschen genügen. Meistens hatte sie Engländerinnen und Amerikanerinnen bei sich, die neben der Ausbildung in irgend einer Kunst oder Wissenschaft zu gleich die deutsche Sprache zu erlernen wünschten. (F. f.) lle» kvfonmaKüonsßvstv» wegvn vnsvkvinl Nie nsvksße Nummon kvutv llivnslsg abenN. "WM