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abemuer Anzeiger Erscheint Dienstag, Donnerstag u. Sonnabend. Abonnementspreis einschließlich zwei illustrirter achtseitigen Beilagen sowie eines illustrirten Witzblattes 1,50 Mk. Zeitung fir Thaeand, Seiseesdnrs, Inserate kosten die Spaltenzeile oder deren Raum 10 Pf., für auswärtige Inserenten 1b Pf., Reklamen 20 Pf. Annahme von Anzeigen für alle Zeitungen. Groß- und Kleinölsa, Obernaundorf, Hainsberg, Somsdorf, Coßmannsdorf, Lübau, Borlas, Spechtritz re. Mit verbindlicher Publikationskraft für amtliche Bekanntmachungen. Nummer 123. Donnerstag, den 18. Oktober 1900. 13. Jahrgang. Aus Nah und Fern. — Auf Blatt 146 des Handelsregisters des Amts gericht Tharandt ist die Firma Carl B e y e r in N a b e n au und als deren Inhaber der Holzhändler Herr Carl August Beyer in Rabenau eingetragen worden. Angegebener Ge schäftszweig : Holzhandel. — Der Trichinenschauer Herr Ferdinand Max Henke inRabenau ist als stellvertretender Trichinenschauer für Großölsa, jedoch nur für die Zeit, während welcher der Trichinenschauer Richter daselbst behufs Erlernung der Fleischbeschau abwesend ist, in Pflicht genommen worden. — Das Königliche Justizministerium hat auf die Zeit vom 1. Oktober d. I. bis Ende September 1903 als Friedens richter für den Bezirk Obernaundorf an Stelle des ansscheidenden Herrn Grosche den Gemeindevorstand Herrn Friedrich Oskar Kästner daselbst ernannt. — Die gedrückte Geschäftslage hat die Spinnerei in Coßmannsdorf zu einer Beschränkung des Betriebes veranlaßt: vom letzten Montag ab wird nur noch acht Stunden täglich gearbeitet unT zwar von früh 8 Uhr bis nachmittags 5 Uhr. — „Halt auf! Halt auf!" schallte es dieser Tage in der eisten Stunde durch Deuben. Ein Gast eines Restaurants hatte sich nämlich aus der Küche des letztere» einen tüchtigen Sonntagsbraten „gemopst" und war damit ausgerückt. Glücklicherweise wurde der Diebstahl jedoch bald bemerkt und so verfolgte und erwischte man den Lang singer. Die Bente hatte derselbe aber vorher weggeworfen. — In einer Wirtschaft in derLoschnitzer Gegend kehrte kürzlich ein Manu ein, der ein Glas Bier trank und dann zur Bezahlung ein Zmanzlgmarkstück nlederlegte. Da der Gast sehr reduzirt aussah, schöpfte der Wirth Verdacht; er prüfte den Klang des Goldstückes und wollte nun er kennen, daß es nicht echt sei. Einige Gäste traten hinzu und erklärten" das Goldstück ebenfalls für ein Falsifikat. Da der Besitzer des Goldstücks heftig dagegen protestirte, gab der Wirth einem seiner Stammgäste das Zwanzig- markstttck, damit dieser es einwechsele. Der Gast mußte während dieser Zeit unter Bewachung in der Gaststube, bleiben. Die Zeit verrann und wer nicht wiederkam war der Geldwechsler. Als schließlich zwei geschlagene Stunden verronnen waren, wurde der Gast ungeduldig, aber auch dem Wirthe wurde schwül. In der dritten Stunde tobte der Gast umher, verlangte sein Geld sowie eine Mark für jede Stunde, die er gewartet hatte. Der Wirth mußte dem Gast, der sich auch genügend legitimsten konnte, schließ lich 19,90 Mk. und 3 Mk. für das Warten herausgeben. Noch eine Stunde später schwankte der Geldwechsler total betrunken in das Lokal mit den Worten: „Das war Se doch weeß Knebbchen ä echtes Goldfichsel!" Bis auf 3 Mk. hatte er in seiner Freude, daß das Geld doch echt war, es vertrunken. — Der Maurer Anton Müller aus Frohnstetten bei Rottweil hat seiner Frau, au deren Treue er, und wie es scheint, mit einigem Recht, zweifelte, Salzsäure über den Kopf gegossen, mit dem Ruf: „Blind bist Du gewesen und blind sollst Du werden!" Die Frau schützte ihre Angen mit der Schürze, als sie das Brennen auf dem Kopf spürte; so wurde Schlimmeres verhütet, und sie erlitt nur Verletzungen der Kopfhaut und des Halses. Die Ge schworenen verneinten die Schuldfrage, und es erfolgte die Freisprechung des Angeklagten. — Vier Todesurtheile. Das Schwurgericht zu Graudeuz verurtheilte die vier Zuchthäusler Kurz, Wierzoch, Neumann und Sielinski zum Tode. Dieselben hatten am Pfingstsonntag d. I. beim Ausbrechen aus dem Zuchthause den Hilfsaufseher Faust ermordet. — Das Geständniß eines Mörders nach 22 Jahren. Der in der Wesergegend verhaftete und nach Danzig transportirte Raubmörder Nagel räumte bei seiner Vernehmung ein, vor 22 Jahren an der Botenfrau Rasch aus Elbing, in Gemeinschaft mit einem inzwischen ver storbenen Manne Namens Klein, einen Raubmord verübt zu haben. — Den Verlust eines Angehörigen in Ostasien hat abermals eine Familie in Spandau zu beklagen. Wie dem Aufseher der königl. Pulverfabrik, Herrn Voß, in Spandau amtlich mitgetheilt wird, ist sein Sohn, der Ober büchsenmachersmaat Robert Voß von der 4. Kompagnie der II. Werftdivision, bisher an Bord der „Irene", an einer Gehirnhautentzündung, die er sich im Südfort zu Taku zugezogen, nach kurzem schweren Leiden auf der Taku- rhede gestorben. Er ist im Takufort bestattet worden. — Am Dienstag Morgen um 7 Uhr wurden im Hofe des Metzer Untersuchungsgefängnisses durch den Scharf richter Stiller-Stuttgart mittelst Fallbeiles zweiArbeiter hi » gerichtet. Dieselben waren vom dortigen Schwur gericht am 17. Mai wegen Raubmordes, begangen am 30. Juni 1899 an zwei alten Damen zu Reichersberg bei Diedenhofen, zum Tode verurtheilt worden. — Ein gut müthiger Mensch. Im Genfer Gerichtsgebäude erzählten sich die Advocaten folgendes Geschichtchen: Ein Zeitungsverkäufer — nennen wir ihn Z. — hatte vor einigen Monaten seine Frau in der Gesell schaft eines jungen Italieners gefunden. Er klagte auf Scheidung, und das Civilgericht hat ihm vor einigen Tagen Recht gegeben. Als Z. seine Wohnung wieder betrat, fand er seine reuige, aber nunmehr geschiedene Frau. Tief be wegt sagte er zu seiner ehemaligen Ehehälfte: „Meine Frau kannst Du nicht mehr sein, aber wenn Du bei mir als Dienstbote bleiben willst, so will ich Dich behalten." Die Frau sagte nicht nein. „Darf der Italiener jetzt aber auch wieder kommen?" — „Ja, gewiß, ich habe nichts mehr da gegen, wir sind ja geschieden," erwiderte der gutmüthige Mann. Der Diamant des Levantiners. Erzählung aus dem Orient. Von H. Rosenthal-Bonin. lRnchdruck »erbole».) Die Berauschung, in welche die schöne Indien» für eine kurze Zeit mein Herz und meine Sinne versetzt hatte, war fast geschwunden. Daß sie den jungen Levantiner ermordet und beraubt habe, daran zweifelte ich jetzt keinen Augenblick mehr. Aber wie Gewißheit erlangen? Ich zermarterte mir vergeblich den Kopf. Gegen Mittag machte ich, wie täglich, einen Spazier gang nach der schattigen Schubraallee. Als ich noch nicht Weit vom Gasthose entfernt war, drängte sich ein altes egyptisches Weib an mich. Ich glaubte, daß es eine Bett lerin sei und reichte ihr eine Münze. Sie nahm diese, schob mir jedoch dabei einen zerdrückten Zettel in die Hand und machte sich dann eilig davon. Ich warf einen verstohlenen Blick auf das Blättcheu — es enthielt arabisch Geschriebenes. Schnell ging ich ans mein Zimmer zurück und ent zifferte die Reihen der kaum leserlichen mühsam und höchst ungeübt gemalten Zeichen. Sie besagten: „Geh zum Kasr Ali (dem Palast der Mutter des Khedive am Nil), nimm dort ein verdecktes Boot und fahre nach Noda bis zum dritten Landhause. Dort verlaß das Schiff und geh am Ufer entlang bis zum siebenden Garten, wo Du um drei Uhr nach der Sonnenhöhe ein offenes Gitter finden wirst. Das durch schreitest Du und begiebst Dich in ein Haus mit offener Glaslhür. Nimm aber das Richtige mit, ein Anderes nehme ich nicht. Nahe Dich mir, wenn Du mich getäuscht hast, nie wieder!" Dcr Zettel war ohne Zweifel von der Jndierin — die Entscheidung also zu meinen Gunsten gefallen. Nun hieß es, seine Sinne beisammen zu haben und auf der Hut zu sein. Ich schrieb an Patrodos, daß ich um drei Uhr zu dem Sommerhause Saref Paschas auf der Insel Rosa — denn das war unzweifelhaft der Ort, wo ich hinbestellt wurde — gehen würde. Dann legte ich die Kleidung, lvie sie die jungen Reformtürken in Konstantinopel tragen, und die sich von der europäischen fast nur durch den Fez unter scheidet, an, steckte einen geladenen Revolver in die tiefen Seitentaschen des Rocks und fuhr nach dem Kasr Ali. Dort am Nilufer standen einige bedeckte Gondeln. Ich gab einem der Schiffer Auftrag, mich bis zum dritten Land hause der Insel Noda zu fahren und daselbst eine Stunde auf mich zu warte». Käme ich da»» nicht zurück, so solle er sich nach Shepheard's Gasthof begeben und sagen, man möge den Grieche» Patrodos davon benachrichtigen, daß ich nicht aus dem betreffenden Garten zurückgekehrt sei. Ei» sehr gutes Trinkgeld zu seiner ganzen Taxe würde er in diesem Fall von dem Gasthofsdirektor erhalten. Es war ein heißer Tag, die Sonne brannte von dem wolkenlosen Himmel, der Strom gleißte und glänzte wie eine gelbe flüssige Metallmasse, und die weißen Gebäude, die ummauerten Palmengärten, welche die Ufer umsäumte», wäre» von leis wogendem zitterndem Goldlicht umflossen. Die Gondel schoß mit der Strömung dahin, mir pochte das Herz, und die Viertelstunde Fahrt schien mir sehr lang. Endlich wendete der Schiffer die Gondel dem Ufer zu und hielt am Rande. Ich stieg aus, prägte ihm nochmals meine Bestellung ein und schritt darauf an dem in der Sonne stechend flimmernden weißen Sandufer entlang. Ich hatte wohl noch zehn Minuten zu gehen, dann fand ich die siebeilte, kostbar geschmiedete hohe Eisengitterthür, die eine Marmorterraffe, welche bis dicht an den Fluß reichte, abschloß. Der eine Flügel des Gitterwerks stand offen. Ich fühlte, ob der Revolver mir handlich in der Tasche lag, stieg entschlossen die Stufe» hi»auf und schritt durch das Thor auf die Terrasse. Rothblühende Granatbäume faßten in zwei Reihe» einen kurzen Weg nach einem mauxjschen Gartenhäuschen ein, welches im Hintergründe stand und von mächtigen uralten braungrüne» Dattelpalmen über ragt wurde. Rechts und links erstreckten sich Haine von Johannisbrodbämnen, mächtigen Kamelienbüschen und hohen, schwül duftenden, sich schon entblätternden Rosenspalieren — Alles stark verwahrlost und verwildert. In dem würfelförmigen Hause mit den verhängten Rundbogenfenstern stand eine Thür offen. Ich trat ein und befand mich, wie es mir vorkam, in völliger Finsterniß. Nach einigen Sekunden erst konnte ich sehen. Nun schien mir der Raum ziemlich hell, und ich nahm zwei Frauens personen wahr, die an einer Thür im Hintergründe eines achteckigen kleine» kahlen Saales standen. Es waren zwei schwarze ältliche Geschöpfe, die mich neugierig aiistarrten. In diesem Augenblicke erhob sich von einem niedrigen Svpha mit kleiner Polsterlehne, das neben einem ver goldete» Tischchen stand, eine hohe schlanke Gestalt. Es war die Indien», türkisch gekleidet in rothein Atlaß, Pump hosen, einer gelbseideiien Jacke, einen golddurchwirkten weißen Shawl um den Kopf geschlungen und gelbe Stiefelchen an den Füßchen. Sie gab den Frauen einen Wink, worauf diese sich entfernten. Nun ging sie einen Schritt auf mich zu, verneigte sich vor mir und begann mit seltsam tiefer klangvoller Stimme: „O Herr, Du bist gekommen, mir ei» köstliches Kleinod zu überreichen. Du bist gut. Ich hätte den Garten nicht besuchen können, wenn der Gebieter nicht seit gestern krank wäre und das Bett hüten müßte. Aber ich wage auch so noch viel. Wenn er erführe, daß ich zu Dir in den Garten gegangen bin — Limbabje hat ihm den Schlüssel zum Wassergitter aus der Kassette stehlen müssen und das kostete mich viel Geld, Herr — so würde ich ertränkt werden, wie eine Katze. Ich wage mein Leben, Herr, für dies Kleinod. Geruhe Dich zu setzen — gieb mir den Lichtstein." Sie ließ sich auf den Divan nieder, und ich setzte mich ihr gegenüber an das Tischchen auf ein dort stehen des Stühlchen ohne Lehne. „Du sollst den Stein haben, Herrin," versetzte ich, fest in die wunderbaren, unheimlich leuchtend auf mich gerich teten Augen der indischen Schönheit blickend. „Aber nur unter einer Bedingung." „Bedingung?" wiederholte die-Jndierin leise, zog den rothen Mund seltsam zusammen und senkte die breiten Augenlider über ihre wunderbaren Sehsterne, ihre schmale, herrlich geformte, rosigbraune Hand, die auf dem Tische lag, spielte dabei mit den Quasten eines Atlaßkästchens. „Ja, nur so," sagte ich, griff schnell in meine Westen tasche und zog das Elfenbeinbild Josua Ephraisi's heraus. „Kennst Du jenen Mann?" Damit hielt ich ihr das Täfelchen vor die Augen. Das schöne Weib sprang in die Höhe, als hätte eine Viper sie gebissen. Sie sah bleich aus, ihre Augen hatten den Ausdruck einer gereizte» Schlange, die Lippen ihres wie zum Schrei geöffneten Mundes zitterten, sie athmete stoßweise. „Ich will Dir nichts Böses zufügen, ich will nur er fahren, was mit dem jungen Manne geschehen ist. Setz Dich nieder, schöne Herrin. Ich habe nicht die Absicht, Dir Böses zuzufügen." Die Jndierin stand noch immer, ihr Mund schloß sich fest, und sie starrte auf eine seltsame Weise mit weitge öffneten Augen über mich hinweg in die Ferne. „Nimm Platz, Herrin," fuhr ich beruhigend fort. „Sag mir die Wahrheit, und Du erhältst diesen Ring." „Ich weiß nichts, sagte die Jndierin leise, sich setzend, anscheinend jetzt völlig ruhig. „So behalte ich den Ring," antwortete ich und erhob mich. Die Jndierin ließ mich einige Schritte zur Thür hin machen. — Fortsetzung folgt. —