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Ravenauer Ameiaer Erscheint Dienstag, Donnerstag u. Sonnabend. Abvnnementspreis einschließlich zwei illustrirter achtseitigen Beilagen sowie eines illustrirten Witzblattes 1,50 Ml. Zkituilg M Tharandt Seisersdarsz Inserate kosten die Spaltenzeile oder deren Raum 10 Pf., für auswärtige Inserenten 15 Pf., Reklamen 20 Pf. Annahme von Anzeigen für alle Zeitungen. Groß- und Kleinölsa, Obernaundorf, Hainsberg, Somsdorf, Cotzmannsdorf, Lübau, Borlas, Spechtritz re. Mit verbindlicher Publikationskraft für amtliche Bekanntmachungen. Nummer 120. Donnerstag, den 11. Oktober 1900. 13. Jahrgang. Ans Nah und Fern. — Das sonnige Herbstwetter ist ein wahres Geschenk des Himmels an die Menschheit. Hatte doch die Sorge um eine warme Stube an kommenden kalten Tagen im Zusammenhang mit der Kohlentheuerung so manche Hausfrau und so manchen Hausvater schon tief niederge drückt. Und nun scheint die liebe Sonne noch einmal so klüftig, daß man sich aller Sorgen um das Heizen und um Kohlennoth gänzlich entschlagen kann. Das Herz ging Einem an dem gestrigen köstlichen Dienstag auf; der Him mel so blau, die Luft so warm und lind, und zur abend lichen Promenade das Helle Vollmondlicht auf dem Weg. Jin Jahre 1895 war auch ein so schöner Herbst gewesen, daß man zum Neformationsfest im Freien gesessm hat. Hoffentlich hält die jetzige Witterung noch eine Zeit lang an. — Mit deiil 1. Oktober d. I. ist die Novelle zur Gewerbeordnung in Kraft getreten, wonach alle offenen Verkaufsstellen für den geschäftlichen Verkehr von abends 9 Uhr bis früh 5 Uhr geschloffen sein müssen. Nach 9 Uhr dürfen also Waaren jeglicher Art nicht mehr ver abreicht werden, nur die beim Ladenschluß schon anwesenden Kunden dürfen noch bedient werden. Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafe bis 2000 Mark bez. Gefängniß bis 6 Monaten bestraft. — Eine Verletzung am rechten Fuß zog sich am Dien stag Nachmittag in Rabenau Herr Grünwaarenhändler Leuschner aus Deuben zu, als er von seinem Wagen stieg und sich dabei durch Uebertreten den Knöchel derart verletzte, daß er ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen mußte. — In Aufregung und Schrecken versetzt wurden am Sonnabend Abend nach 7 Uhr die Passanten der Nabenauerstraßs in Hainsberg, als plötzlich 2 Pferde Mit einem Amerieain im sausenden Galopp über die Weißeritzbrücke die Straße entlang stürmten. Am Eckers dorfer Berge oberhalb Wild's Gärtnerei gelang es einem beherzten Manne die Thiere zum Stehen zu bringen, wo sie auch der Führer des Gefährts wieder in Empfang nehmen konnte. Glücklicherweise scheinen Pferde und Wagen bei der tollen Fahrt keinen Schaden erlitten zu haben. — Als Curiosum wnrde in Quohren eine durch einen Pfeifenkvpf gewachsene Kartoffel gezeigt, die man beim Kartoffelausmachen aufgefunden hatte. Der Keim ist am unteren, den Ausguß bildenden Theile des Kopfes eingedrnngen, hat sich im Kopf zur Frucht entwickelt und ist an der entgegengesetzten Oeffnung herausgewachsen, die Form eines Pilzes annehmend. Die Größe der Kartoffel außerhalb des Kopfes ist die einer gewöhnlichen Nuß. — An seinem eigenen Kinde beging der Ziegelarbeiter Emil Moritz Haßmann aus Kreischa zu wiederholten Malen Sittiichkeitsverbrechen. Ec wurde nach geheimer Beweisaufnahme von dem Landgericht Dresden zu 2 Jahren Zuchthaus und 5 Jahren Ehrverlust verurtheilt. — Ein beträchtlichesObjekt. Einer Plauener Firma ist dieser Tage von einem Concursverwalter durch die Post folgende Zuschrift übermittelt worden: Im Con- curse .... zu Plauen ist nachträglich eine Activpost von 54 Alk. 41 Pfg. unter die festgestellten Forderungen von 83 799 Mk. 88 Pfg. zu vertheilen. Dies ergiebt eine Dividende von 0,065 Proc. und es entfällt auf Ihre Forderung von 15 Nik. 90 Pfg. der Betrag von — 1 Pfg., den ich Ihnen beifolgend zu übersenden mir gestatte." Die Firma hat das .beachtliche' Ergebniß aus dem Concurs — der Ferienkolonie überwiesen. — Festnahme eines Mädchenhändlers. Aus Hamburg wird gemeldet: Die Polizei nahm bei der Ausreise des Dampfers „Patrizia" den böhmischen Kauf mann Carl Melkar wegen Mädchenhandels fest. Drei böhmische, sehr hübsche Begleiterinnen, die Melkar in Süd amerika abliefern sollte, befinden sich im Polizeigewahrsam. — Eine rauflustige Bayerin. Die aus Bayern gebürtige Dienstmagd des Gutsbesitzers Hilbert in Tauchlitz bei Crossen a. Elster gerieth vor einigen Tagen mit ihrem Dienstherrn in Streit, der in Thätlichkeiten aus artete, wobei die Magd eine Heugabel ergriff und mit der selben den Hilbert so unglücklich in den Oberschenkel stach, daß ein Zinken der Gabel abbrach und im Dickbein stecken blieb. Der Schwerverletzte ist in das Zeitzer Krankenhaus transportirt worden. — Wieviel wiegen die Herrscher Europas? Ein Pariser Blatt giebt auf diese indiskrete Frage folgende Antwort: „Von allen europäischen Herrschern hält CharloS von Portugal den Rekord der Schwere: er wiegt genau 92 Kg.; gleich nach ihm kommt Ferdinand von Bulgarien mit 871/2 Kg. König Oskar von Schweden wiegt 80 Kg.; Kaiser Wilhelm, dessen Körpergewicht beträchtlichen Schwan kungen unterworfen ist, wiegt im Durchschnitt 80 Kg. Kaiser Franz Josef wiegt 70 Kg, Viktor Emanuel 66 Kg., König Leopold von Belgien 65 Kg.; unser großer Freund — der Zar — ist sehr leicht: 55 Kg. Die Königin Viktoria ist sehr viel magerer geworden, vor zwei Jahren wog sie noch 95 Kg., jetzt hat sie in Folge einer besonderen Diät 7 Kg. abgenommen. Die Königin von Holland wiegt 75 Kg., und sie nimmt zu! Der kleine König von Spanien wiegt nur 45 Kg. Unsere sympathische Kollegin, Carmen Sylva, wiegt 82 Kg. — ganz respektabel! Emil Loubet wiegt gleichfalls 82 Kg. — Schlaumeier in Paris. Ein kleiner Obsthändler in Paris hat sich jüngst auf die pfiffigste Weise ein reichhaltiges Apfellager zu verschaffen gewußt. Er ließ eine Annonce vom Stapel, worin er einen Preis von 5 Franken dem aussetzte, der ihm den größten Apfel zuschickte. In weniger als zwei Wochen waren bei dem Schlaukopf 15 Säcke voll Aepfel, von denen jeder mit dem andern an Riesenhaftigkeit wetteifern konnte. Für den kolossalsten zahlte er nun die stipulirten fünf Franken als Preis, die übrigen, nicht prämiirten, verkaufte er mit einem höchst stattlichen Profit. Der Diamant des Levantiners. Erzählung aus dem Orient. Von H. Nos ent Hal-Bonin- tNachdruct verbau».) „Hier fällt nichts auf," meinte der Agent. „Man ist an die größten Seltsamkeiten, sowohl bei ven Fremden Ivie bei den Einheimischen gewöhnt. Das Tuch wird Niemand beachten." „Und muß ich es denn durch die ganze Stadt bis am Orte der Zusammenkunft in der Hand tragen?" „Das glaube ich nicht- Doch wohl nur hier und am Gewürzbazar- Meiner Tochter ist das Tuch ohne weitere Erklärung, als diese, gegeben worden." „Gut, so will ich mit dieser schrecklichen Fahne den Gasthof verlassen." Ich bestellte den Agenten wieder für den nächsten Nach- '"ittag um sechs Uhr, und begab mich dann hinunter in de» Speffesaal, denn rch hatte nach den Aufregungen und Anstrengungen des Tages gewaltigen Hunger- In dieser Nacht träumte ich, daß sich bei einem Spazier gang, den ich mit der schönen Indien» auf der Schubra- pwmenade unternommen, die Dame Plötzlich in einen Tiger verwandelt und mich angefallen habe. Als ich am nächsten Morgen erwachte, war ich wenig erfrischt- Jetzt stand mir die Zusammenkunft mit der Limbabje Kerun bevor, ich war nn Begriff, eine bedenkliche Brücke nach dem Palast Mansur zu schlagen. Machte in meinem ermatteten Zu stande sich schon die drohende Gefahr, die in jener An knüpfung lag, die unheimliche Atmosphäre jener Palast- intrigucn bei mir geltend? Hatte die indische Zauberin schon einen unsichtbaren Pfeil auf mich abgesandt, der meine Thatkraft, meine Widerstandskraft lähmen sollte? Ich hatte ein Gefühl, als ob eS besser wäre, mich gar nicht weiter in den bedenklichen Handel einzulassen. Doch „ein! Das wäre feige und thöricht gewesen. Ich hatte die Sache einmal übernommen, jetzt hieß es, ohne Zagen hinein in das Abenteuer! Unter solchen Erwägungen hatte ich mich «»gekleidet, mein Frühstück eingenommen und stieg nun die matten belegten Mamvrstnfen des Gasthofes hinab. Unten zog ich das bunte Taschentuch hervor und schritt, mich hin durchwindend durch die Eseltreiber, Kutscher und Kameel- besitzer, die mich umdrängten und in allen möglichen Sprachen mir ihre Thiere und Dienste anpriesm, dem Esbekiyeplatze zu. Ein Eseljunge mit seinem Grauthier war mir gefolgt. --Hoher Herr, hier ist mein Esel, Sie nach dem Gewürz markte zu führen," sprach der Bursche mich an. „Ich be komme dafür drei Piaster." „Wer hat Dich beauftragt?" frug ich auf arabisch. „Eine alte Frau." „Die Du keimst?" „Nein, ich habe sie noch nie gesehen. Sie schickte mich heute Morgen zum Gasthofe und sagte, der Herre solle auf dem Attarin sich nur ordentlich die Augen wischen, denn es sei viel Staub auf den Straßen." Ich verstand diesen Wink, gab dem Jungen das Geld, bestieg den Esel und ritt in scharfein Trabe, während der unaufhörlich das Thier anstachelnde, schreiende Eseltreiber hinter mir her trottete, in die menschenwimmelude Muski- straße hinein und dem Bazarviertel zu. Bald war der mit Hunderten von Trödelbude» besetzte Platz erreicht. Der Bursche hielt den Esel, ihn am Schwanz ziehend, an, ich stieg ab, stellte mich etwas abseits von dem Getümmel auf, zog das bewußte Taschentuch hervor und wischte mir damit über das Gesicht. Da legte sich eine Hand auf meinen Arin, und neben mir stand ein altes häßliches Nnbierweib mit einem unverschleierten Gesicht, das wie glänzend schwarz lackirt aussah, eingehüllt in einen bunten Kaltunmantel, eine mächtige Bastkorbtasche am Arm tragend. Ich wollte das Tuch einstecken, sie nahm es mir je doch ab. „Der hohe Herr hat mich, die Limbabje Kerun, zu sprechen gewünscht," kam auf arabisch von ihren dicken Lippen. „Ja, Limbabje, ich möchte Dich etwas fragen. Es geschieht, wenn Du mir aufrichtig antwortest, Niemand ein Schaden daraus, und erfahre ich, was ich will, so wirst Du einen schönen Lohn davontragen." „Es ist gut, hoher Herr. Soweit ich kann, will ich Dir mit Wahrheit dienen." „Ich bin ein vornehmer Herr, Limbabje, und war zu Besuch bei Deinem Herrn- Dort sah ich die Lolah." „Laßt die Lolah, Herr! Sie ist mein Täubchen, ich habe sie zu bedienen und will nicht, daß man sie erwürgt und mir den Kopf abhaut und wir in den Nil geworfen werden. Die Lolah ist schon unsinnig genug. Nichts thue ich da, Herr, nichts!" „Wie viel nimmst Du jährlich ein, Liinbabje?" frug ich ruhig. Ich hatte Kenntniß im Verkehr mit dergleichen dienstbaren Geistern. „Sechshundert Piaster, Herr, sechshundert Piaster ohne die Geschenke, die mehr als das ausmachen." „Gut, Limbabje, ich gebe Dir sechshundert Piaster, wenn Du mir in der Sache dienst, die ich vorhabe." „Wenn es nichts Unrechtes ist,".murmelte die Schwarze. „Es ist nichts Unrechtes," beruhigte ich sie. „Ich möchte Lolah etwas schenken. Sage mir, was sie gern hat." „Du kannst Lolah nichts schenken, Herr, denn sie hat Alles, sie ist reich, sehr reich. Du kannst ihr nichts schenken, was sie nicht schon schöner hätte, Herr." „Also hat sie die Lichtsteine gern ?" warf ich ein. „Sie ist vernarrt in sie, unsinnig verrückt!" „Frag' die Lolah, ob sie von mir einen schönen Stein — sie weiß welchen — zum Geschenk annehmen will." „Das darf ich nicht, Herr!" „Du darfst es, wenn Du willst. Für diese Anfrage allein, wenn Du mir bei Allah schwörst, daß Du sie be stellen willst, erhältst Du hundert Piaster. Ich will nichts Unrechtes, das wirst Du sehen," versicherte ich der Alten niit dem Tone der Ueberzeugung. Diese schaute zur Erde, dann mich an. „So schwöre ich. Allah soll mich strafen und ver derben, wenn ich die Frage nicht bestelle." „Und mir ehrlich Antwort sagst, das verlange ich auch noch," schob ich ein. „Und Dir ehrlich Antwort sage, hoher Herr," fügte die Alte hinzu. „So, hier ist das Geld," sagte ich, der Schwarzen fünfzig Franken in Gold in die Hand schiebend. „Nun beantworte mir noch eine Frage —" „Ich habe keine Zeit mehr," rief die Alte unruhig. „Bleib noch einen Augenblick. Ich lohne es Dir reich lich, wenn Du mir die Wahrheit sagst. Hat Lolah viel leicht vor einem Monat auf Geheiß des Paschas zugegen sein müssen, als ein junger Mann, ein Levantiner, den Herrn besuchte?" Kaum waren diese Worte aus meinem Munde, so zog die Alte ihren Mantel vor das Gesicht und rannte wie besessen von mir fort in das Gewühl der Menschen hin ein. Bevor ich mich noch von meiner Ueberraschung erholt hatte, war sie meinen Blicken entschwunden. Ich stand ziemlich verdutzt da, dann ärgerte ich mich, daß die Person auf diese Weise mir durchgegangen war. Darauf jedoch überlegte ich, daß dies plötzliche Davon rennen bei meiner Frage, diese erschreckte Flucht eine Ant wort war, wie ich sie mir nicht besser wünschen konnte. Das Benehmen der Schwarzen sagte mir: es ist so, der Pascha hat die Indien» auch bei Josua Ephraisi als Lock vogel benutzt, und es knüpft sich eine für die Schwarze furchtbare Erinnerung daran. Darum nur erschrak sie so, als ich der Sache Erwähnung that. — Fortsetzung folgt. —