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abemuer Anzeiger Erscheint Dienstag, Donnerstag u. Sonnabend. Abonnementspreis einschließlich zwei illustrirler achtseitigen Beilagen sowie eines illustrirten Witzblattes 1,50 Mt. Zeitung für Wrack) Sriftrsdars) Inserate kosten die Spaltenzeile oder deren Raum 10 Pf., für auswärtige Inserenten 15 Pf., Reklamen 20 Pf. Annabme von Anzeigen für alle Zeitungen. Groß- und Klemölsa, Obernaundorf, Hainsberg, Somsdorf, Coßmannsdorf, Lübau, Borlas, Spechtritz re. Nummer 103. Mit verbindlicher Publikationskraft für amtliche Bekanntmachungen. 13. Jahrgang. Sonnabend, den 1. September 1900. Aus Nah und Fern. — In der Sächsischen Holz-Industrie ist am Mittwoch Abend beim Schmieden der Schlosser Irmer von hier verunglückt, indem ein Stückchen Eisen absprang und in das rechte Auge flog. I. mußte sich nach dem Carolo-Kranken- haus in Dresden begeben. — Der hiesigen Freibank überwiesen wurde am Mittwoch Abend eine ca. 5 Centner schwere Kuh. — Im Garten der „Garküche" wurde am Mittwoch Mittag ein von Kindern verfolgtes junges Reh ein gefangen und später dem Jagdpächter Herrn Merbitz in Eckersdorf zugestellt. — Wenn der Mensch den in der geschäftlichen Tretmühle oder in der Fülle von Zerstreuungen aller Art matt gewordenen Nerven neue Spannkraft verleihen will, so sucht er, dafern seine Mittel den Besuch eines Bades nicht erlauben, wenigstens auf einige Wochen eine „Sommerfrische" auf und findige Köpfe haben zu diesem Zweck an hierzu besonders geeigneten Punkten sogenannte Kurhäuser erbaut, die dem Erholung Suchenden für verhältnißmäßig bescheidenen Preis volle Pension und alle leibliche Bedürfnisse bieten. Auch in unserem Nachbarorte Seifersdorf hat Herr Oskar Dreßler daselbst in idyllischer Waldgegend ein solches Etablissement errichtet, welches sich eines flotten Besuchs Fremder wie Einheimischer erfreut, zumal damit gleichzeitig ein Restaurant verbunden ist. Da die Küchenerzeuguisse desselben vortrefflich genannt werden können, die Biere eine ganz vorzügliche Pflege genießen, die Weine den renommirten Schönrock'schen Kellereien in Dresden entstammen, die Preise auch sehr mäßig sind, so ist dem Gast in jeder Richtung zufriedenstellende Bedienung gewährleistet. Rechnet man hier zu die über 400 Meter über der Ostsee betragende Höhen lage mit ihrer reinen, ozonreichen Luft, sowie den die Lungen stärkenden und erfrischenden harzigen Duft des die Anlage umgebenden Nadelwaldes, so dürfte dieselbe den weitgehend sten Ansprüchen genügen, die an ein derartiges Etablissement gestellt werden können. Ein Besuch der nächsten Sonntag daselbst statt findenden Södan-Feier wird die Wahrheit des hier Gesagten vollauf bestätigen. — Das Fest seiner Fahnenweihe begeht am 1., 2. und 3. September der Turnverein „Jahn" zuSomsdorf. An dieser Feier werden sich auch die beiden hiesigen Turnvereine betheiligen. — Gesperrt ist vom 28. dieses bis 6. nächsten Monats der innerhalb des Königlichen Forstreviers Wendisch- carsdorf gelegene Theil des Dippoldiswalder— Nabenauer Kommunikationsweges vom Schnittpunkte desselben mit dem Kommunikationswege Wendischcarsdorf— Malter bis zur Grenze des Königlichen Forstrevieres mit der Flur Neu-Oelsa, wegen grundhafter Herstellung. Der Fährverkehr wird unterdessen auf den Kommunikationsweg Dippoldiswalde—Wendischcarsdorf—Großölsa gewiesen. — Die Krisis in der Textilindustrie wächst. Die in Greiz erscheinende „Reußische Volks-Zeitung" hat eine Untersuchung über die Geschäftslage in den Webereien von Greiz und Umgegend angestellt. Dabei hat sich die erschreckende Thatsache herausgestellt, daß von 11829 vor handenen Webstühlen 6022, das ist über die Hälfte, still stehen. Die dortigen Arbeiter sehen einem traurigen Winter entgegen. — Eine S k a n d a l g e s ch ich t e, die jeder Be schreibung spottet, kam in Halle durch den Selbstmord der 21 jährigen Verkäuferin Marie Lehmann an das Tages licht. Die aus anständiger Familie stammende L., ein durchaus solides Mädchen, hatte mit einem Studenten ein Liebesverhältniß, das sie ans triftigen Gründen aufgab. Nachdem sie dein Studenten zn verstehen gegeben, daß sie mit ihm nichts mehr zu thun haben wollte, soll dieser die L. bei der Sittenpolizei denuuzirt haben. Aus Angst vor entehrender Strafe erschoß sich das unglückliche Mädchen, als cs von der Polizei geholt werden sollte. Es ist eine Untersuchung eingeleitet. — Bei dem an der Weimar-Geraer Bahn gelegenen Dorfe Milbitz ließ sich am Mittwoch Vormittag von einem von Weimar kommenden Personenzug die in letzter Zeit geistesgestörte Frau Commerzienralh Schlutter üb er fahren und war sofort wdt. — Ein Bubenstreich schlimmster Art wurde dem Arbeiter Carl Casparenthus in Nixdorf gespielt. C-, der nebenbei eine Schweinezucht betreibt, fand dieser Tage seine sämmtlichen 8 Schweine vergiftet. Als Thäter wurde der 11jährige Schulknabe Bruno Götze, Sohn eines im Nachbarhause wohnenden Reisenden, ermittelt. Der Bengel hatte den Schweinen eine größere Quantität Schwefel hölzer unter das Futter gemischt. — Vierlinge. Von vier munteren Knaben wurde dieser Tage die Frau eines Arbeiters zu Tarnowka bei Chelmen i. P. entbunden. Der mehr als glückliche Vater übt zur Zeit als Reservist bei dem Infanterie-Regiment Nr. 140 in Jnowrazlaw und erhielt von dem Regiments- commando einen mehrtägigen Urlaub. Mutter und Kinder befinden sich ausnahmsweise wohl, nach ärztlichem Gut achten dürften alle vier jungen Weltbürger am Leben bleiben. — Ein Jahr unschuldig im Zuchthaus gesessen hat der Arbeiter Drescher aus Fulda. Im Jahre 1898 wurde er von der Strafkammer des Landgerichts zu Fulda wegen Verbrechens Wider die Sittlichkeit unter Ausschluß mildern der Umstände zu einer Zuchthausstrafe von 1*/, Jahren verurtheilt. Er leugnete beharrlich, das ihm zur Last ge legte Verbrechen verübt zu haben, aber die vorgebrachten Belastungsmomente wurden für ausreichend zur Verurtheilung erachtet. In einer erneuten Verhandlung wurde er von Strafe und Kosten freigesprochen, so daß er das Zuchthaus, in dem er bereits ein Jahr zugebracht hatte, verlassen konnte. Es soll nun Drescher als Entschädigung für das Jahr un schuldig verbüßter Strafhaft einen Betrag von 500 Mk. erhalten. — Auch ein Liebesdienst. Daß die Braut ihrem Geliebten den Strick liefert, mit dem er seinem Leben ein Ende machen soll, ist wohl noch nicht vorgekommen. Jetzt hat sich dieser Fall in New-Aork ereignet. Im dortigen Gefängniß saß der Falschmünzer Paul Jansen, aus seinen Proceß wartend. Er sah einer schweren Zuchthausstrafe entgegen, und den Tod der Haft vorziehend, überredete er seine Geliebte, ihm eine starke Schnur zu verschaffen. Jetta Bava, eine Italienerin, schmuggelte ihm die Schnur in einem Topf Suppe, den sie ihm ins Gefängniß brachte, zu, als letzten Liebesdienst, und in der folgenden Nacht knüpfte Jansen sich damit am Gitter seiner Zelle auf. Llamirt! Humoreske von Adolf Mohr. I > (Nachtruck verboten.) „I, da möchte ich ja lieber die Klunk selber heirathen! Aber sag' mal, bist Du Deiner Sache auch ganz sicher? Ich für mein Theil kann mir, offen gestanden, nicht denken, daß Teinfalt sich wirklich mit Heirathsgedanken tragen sollte." „Beschwören will ich's auch nicht — inan kann sich auch irren. Aber es wird nicht schwer fallen, Licht in die Sache zu bringen." „Wie denn das?" „Wenn er nach Hause kommt, stell' Dich doch, als ob Du Absichten auf Frau Sidonie hättest, da werden wir ja gleich sehen, was er für ein Gesicht macht." „Das ist kein übler Einfall. Uebrigens kann ich Dir sagen, bevor ich sie ihm lasse, nehme ich sie wirklich lieber selbst. Die Frau hat mir von Anfang an gefallen, und sollte es zum Klappen kommen, so habe ich wohl noch ebenso viele Chancen, vor ihren Augen Gnade zu finden, wie der langweilige Teinfalt." „Nun, wir werden ja sehen — auf alle Fälle wollen wir dre Situation erst einmal klarstellen." Wenige Minuten später trat Teinfalt in den Salon. Er begrüßte seine Freunde mit heiterer Miene, zündele sich gleichfalls eine Cigarre an und blickte, leise vor sich hin pfeifend, zum Fenster hinaus. „Du scheinst ja in rosiger Laune zu sein," redete Notte- bohin ihn an, „Dir ist wohl etwas Angenehmes Passirt?" „Allerdings, mein lieber Nottebvhm." „Und darf man auch wissen, was?" „Warum nicht? Ich habe einen Entschluß gefaßt, einen großen Entschluß, und es ist immer angenehm, mit sich selbst ins Neiire zu kommen." „Da gebe ich Dir vollkommen Recht. Uebrigens — merkwürdig, wir sind beide in derselben Lage — auch ich '' habe soeben einen Entschluß gefaßt." „Du auch? Das trifft sich ja komisch. Und worin besteht denn der Deinige?" „Ja, wenn ich Dir das sagte, Du würdest staunen!" „Ei, Du machst mich ja ganz neugierig — ist's denn noch ein Geheimniß?" «Eigentlich brauche ich keins daraus zu machen — ich beabsichtige mich zu verheirathen." „Du willst heirathen," sagte Teinfalt etwas befangen, indem er seinen Platz am Fenster verließ, „wen denn?" „Ja, rathe mal!" „Wie kann ich das — vielleicht Deine Cousine Emma?" „Fehlgeschossen!" „Na, dann rede doch!" „Unsere Wirthschafterin, Frau Sidonie Klunk." Die Cigarre fiel Teinfalt aus dem Munde, er wurde roth und blaß, gerieth ins Schwanken und konnte nur müh sam hervorstoltern: „Du — Du willst die Klunk heirathen? Unmöglich!" „Wieso — unmöglich?" „Unglücksmensch — weil ich sie selbst heirathen will." „Du? Lächerlich!" „Siehst Du," raunte Bremse seinem Freunde zu, „daß ich mit meiner Vermuthung Recht hatte?" Einen Augenblick herrschte beängstigende Stille im Salon, dann brach Noltebohm das Schweigen mit den Worten: „Das sind ja nette Schliche, hinter die wir da gekommen sind, Freund Teinfalt! Also darum haben wir uns zum gemeinschaftlichen Haushalt zusammengefunden, um ihn durch Deinen treulosen Egoismus nach wenigen Wochen wieder zu Grunde richten zu lassen? — Pfui Spinne!" „Aber erlaube mal!" „Nichts erlaube ich! Aber ich will Dir offen sagen, daß ich nie auf den Einfall gekommen wäre, Frau Klunk zu heirathen. Wie die Sachen indessen jetzt liegen, sehe ich gar nicht ein, warum ich sic Dir so «»us Lyon überlassen soll. Die Frau ist mir auch sympathisch und ich hätte wohl ebenso große Ansprüche an sie wie Du." „Alisprüche? Hahaha — als ob es danach ginge!" „Weißt Du denn überhaupt schon, ob sie Dich mag?" „Ich habe allen Grund anzunehmen, daß ich ihr nicht gleichgiltig bin." „Alte abgedroschene Phrase — auf den Kalmus piepen wir nicht!" „Uebrigens werde ich noch heute init ihr ins Reine kommen." „Na ich sofort! Ach, lieber Bremse, sei doch so gut und bitte Frau Klunk, auf einige Augenblicke hereinzukommen, wir hätten etwas Wichtiges init ihr zu besprechen." „Was soll das heißen?" fragte Teinfalt betroffen, während Bremse mit verständnißinnigem Lächeln den Salon verließ. „Das wirst Du gleich erleben," erwiderte Nottebvhm kaltblütig." „Ich will doch nicht hoffen —" „Nur Ruhe, in wenigen Minuten werden wir wissen, woran wir sind." „Nottebvhm, Du wirst doch nicht —?" Er kam nicht weiter, denn schon kehrte Bremse, von Frau Sidonie begleitet, zurück. Die letztere sah etwas ver wundert drein und wußte offenbar nicht recht, was für ein Gesicht sie aufsetzen sollte, als Nottebohm ihr mit einer ge wissen Feierlichkeit sagte: „Setzen Sie sich, Frau Klunk, wir haben ein ernstes Wort mit Ihnen zu reden." „Ich habe doch nicht etwa den Herren einen Grund zur Unzufriedenheit gegeben?" fragte die Angeredete ein wenig verschüchtert. „War das Mittagsessen vielleicht nicht nach Wunsch oder der Kaffee?" „Im Gegentheil, Frau Klunk," beruhigte sie Nottebohm, „alles war wie gewöhnlich vortrefflich. Nein, es handelt sich um ganz andere Dinge. Also — daß ich mich kurz fasse — wir haben Sie in den wenigen Wochen unseres Zusammenseins als eine Fran von ausgezeichneten Eigen schaften kennen gelernt. Sie sind aufmerksam, zuverlässig, pünktlich, ein Kochkünstlerin ooivE il Lui —" „O, Herr Nottebohm — meine Herren, Sie beschämen mich!" lispelte Frau Sidonie, während ihr erstaunter Blick zu fragen schien: Nun, wo soll denn das hinaus!" »Ich sage nur, was unser Aller Meinung ist, meine liebe Frau Klunk, und ich füge noch hinzu, daß Ihre seltenen Vorzüge auf meinen Freund Teinfalt und auf mich selber einen tiefen und nachhaltigen Eindruck gemacht haben, einen Eindruck, den Sie würdigen werden, wenn ich Ihnen erkläre, daß wir uns beide glücklich schätzen würden, dieses liebe kleine Patschhändchen zu erringen." Er ergriff die fleischige Hand Frau Sidoniens und streichelte sie zärtlich, indem er gleichzeitig einen verliebten Blick über die rundlich-appetitliche Gestalt der Dame gleiten ließ. Die letztere, in deren Augen es bei Nottebohms Schlußworten unwillkürlich freudig aufleuchteie, hielt es doch zunächst für gerathen, sich auf die Schüchterne hinauszu spielen, und sprach leise, mit zu Boden gesenktem Blick: „O meine Herren, es ist nicht edel von Ihnen, solche Scherze mit einer armen Wittwe zu treiben; bitte, lassen Sie mich gehen, wenn Sie mir sonst nichts zu sagen haben" - Schluß folgt. -