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Uabemuer Anzeiger Erscheint Dienstag, Donnerstag u. Sonnabend. Abvnnementspreis einschließlich zwei illustrirter achtseitigen Beilogen sowie eines illustrirten Witzblattes 1,50 Mk. Zeitung sm Thnrand, Seifersdoks) Inserate kosten die Spaltenzeile oder deren Raum 10 Pf., für auswärtige Inserenten 15 Pf., Reklamen 20 Pf. Annahme von Anzeigen für alle Zeitungen. Grotz- und Kleinölsa, Obernaundorf, Hainsberg, Somsdorf, Coßmannsdorf, Lübau, Borlas, Spechtritz re. Mit verbindlicher Publikationskraft für amtliche Bekanntmachungen. Nummer 110. Aus Nah uud Fern. — Dos herrliche Wetter am Sonntag hatte der Nabe nauer Kirmes einen ganz bedeutenden Fremden verkehr gebracht, sodaß schon früh morgens reges Leben und Treibeir im Städtchen herrschte. Die Tanzsäle er freuten sich eines sehr flotten Besuches, auch die übrigen Restaurationen dürften gute Einnahmen erzielt haben. Der Kirmes-Montag zeigt ebenfalls ein heiteres Gesicht und wird uns wahrscheinlich noch eine weitere Anzahl Gäste zuführen. — Gleichzeitig sei auf das Dienstag Abend im Amtshof stattfindende Concert der Kapelle des Pionir-Bataillons Nr- 22 aufmerksam gemacht. Unseres Wissens spielt die in Riesa stationirte Kapelle, welche sich eines guten Renommees erfreut, zum ersten Male in Rabenau, was Vielen Veranlassung zu einem Besuche des Concertes geben dürfte. — Die Abnahme der Tag es länge ist in diesem Monat in schon recht empfindlicher Weise zu bemerken. Die Sonne eilt mit großer Geschwindigkeit nach Süden, dem Aequator zu, welchen sie am 23. überschreitet. An diesem Tage findet die Tag- und Nachtgleiche statt und der Herbst hält seinen Einzug. — Aberglaube in unserer Gegend. Hören wir den Chronisten von Rabenau, was er uns aus den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts und von später in der handschriftlich niederge legten Stadtgerichte bietet. Damals, als es noch nicht Mode war, an Wochentagen ins Gasthaus zu gehen, kani man des Abends in den sogen. Rockstuben zusammen. Manner und Frauen vereinigten sich reihum bei diesem oder jenem guten Freunde; man erzählte sich des Tages Neuigkeiten, und war der Stofs erschöpft, d. h. das Selbsterlebte oder das von Eltern Gehörte zu Ende, so begann man Geistergeschichten usw. vor zutragen, die nicht nur mit wahrer Begeisterung zu Gehör gebracht, sondern mit noch weit größerer angehört wurden. Der feurige Drache, der zur Esse hereinkam und alle nur möglichen Lebensmittel, auch Geld ablnd, spielte eine Hauptrolle. Alle umliegenden Ortschaften, besonders Burlas und Somsdors hatten mehrere Begünstigte, denen in- solge Fleißes das Glück der Wohlhabenheit zutheil geworden ivar, und Dienstag, den 18. September 1900. dazu mußte der Drache das Seinige beigetragen haben. Einen wesent lichen Theil der Unterhaltung bildeten auch die Viehbehexungen. Ke ler erzählt folgenden Fall. Eine Frau entnahm ihren Hausbedarf an Milch, Butter uslv. von ein Paar alten Leuten, die am Markte eine Wirth- schaft hatten. Sie beklagten sich einst, daß die Kühe gar so wenig Milch gaben. Ans nachbarliches Anrathen — war doch das Vieh be hext — ging man zu einem alten Schäfer in Schellerhau, der helfen könne. Man nahm ein Fläschchen mit Milch von dem angeblich ver hexten Vieh mit und der Schellerhauer Wunderdoktor wußte zu helfen. Er beschrieb mehrere Papierzettel mit drei großen Kreuzen nebst anderen Berschwörungszeichen und rieth, den einen Zettel an die Eingangsthüre zum Stalle, jeder Kuh aber einen auf das Rückenkreuz zu kleben und diese Zettel 3 Tage und 3 Nächte ruhig liegen zu lassen. Dabei war zu vermeiden, daß keiner der nächsten Bekannten während der Zeit den Stall betrat; mir die Hausfrau oder Dienstmagd durften sich dem Vieh nahen. Den alten Leuten wurde zu verstehen gegeben, daß sich der wahre Hexenmeister der Kühe sicher in der letzten der 3 Nächte einsinden, ja zufolge der Beschwörungsformel gezwungen sein würde, sich den Besitzern der Wirthschast in der Wohnstube unweit des Kuh stalles, die jedoch nicht allzuhell beleuchtet werden durfte, vorzustellen. Alle Ansprache war zu vermeiden, der Stall dagegen jeden Mittag der 3 Tage mit glimmenden Wachholderreißig, Schlehdornspitzen und Feld- disteln, die in ein Blechgefäß zusammengethan sein mußten, 10 Minuten lang auSzuräuchern. Natürlich wurden die Vorschriften genau befolgt. Die Eheleute hatten sich auch am 3. Abend bei einem Oellämpchen, das auf einem Tischchen im entferntesten Winkel stand und kaum den 4. Theil der Stube beleuchtete, erwartungsvoll auf Lie Ofenbank gesetzt. Um die 12. Stunde geht leise die Stubenthüre auf; ein alter Mann kommt langsam geschlichen und tritt mit recht betrübter Miene vor die Dasitzenden, legt die eine Hand auf die Schulter des Mannes, die andere auf die der Frau, sieht beiden mit bittender Miene ins Gesicht, dreht sich langsam um und schleicht in gebückter Haltung wieder znr Thür hinaus. Die Eheleute hatten in dem Alten den Gutsbesitzer L. aus Obernaundorf erkannt. Voll nun an wurde Lie Milch der Kühe wieder reichlicher. Auch der Feuersegen spielte in den früheren Jahren eine große Rolle. Galt er doch bei Bränden im Orte, bei denen gewisse Sprüche hergebetet und andere Formalitäten zur Abhaltung des sogenannten Flugseners beobachtet wurden, zugleich als ein ganz untrügliches Mittel gegen das Weitergreifen des Feuers, wenn der fast in jeder Wirthschast befindliche Backtrog beim Brande in der Nachbarschaft vor die Haus- thüre gestellt wurde. Beim Brande der Wirtschaften von Wünschman n und Fritzsche am Markt im Februar 1876 sah Keller 5 solcher Back tröge vor den Hausthüren ausgestellt. 13. Jahrgang. In früheren Jahren, so erzählt er scherzhaft weiter, erging von einem fremden Herrn an die hiesigen Musiker eine Einladung, gegen gute Bezahlung an einem gewissen Abende zu mitternächtiger Stunde nach der alten großen Mühle zu kommen und dort ohne vorherige Anmeldung drei vorgeschriebene Lieder behufs einer Schatzhebung zu blasen, mit dem Bedeuten, daß die Bezahlung an Ort und Stelle er folgen würde. Die Musiker kamen der Einladung nach und spielten ihre Lieder richtig ab, ohne daß zuvörderst am Fenster ein Licht zu sehen war oder sich sonst etwas regte. Nach Beendigung der Musik that sich oben ein Fenster auf und der Müller rief herunter: „Was ist nur los ? Was soll die Musik bedeuten?" Der leitende Musiker trat nun vor und meldete die Bestellung jenes Herrn, worauf der Müller erwiderte: „Hier ist nichts bestellt worden, auch niemand heute in dieser Angelegenheit dagewesen, am allerwenigsten aber, um heute Abend eine Schatzhebung bei mir vorzunehmen. Da ist Ihnen eine Nase gedreht worden ; gehen Sie ruhig nach Hause oder fragen morgen Nachmittag wegen Ihrer Bezahlung nach. Vielleicht kommt der Be steller der Musik noch zum Vorscheine. Gute Nacht!" Und klapp! war das Fenster zu. Des andern Tages kam durch die Post ein Bries au den Musikdirigenten, der einen Zettel mit folgendem, gerade nicht klassischen Inhalte enthielt: „Ich bin klug und weise, mich betrügt mau nicht! Aber dich betrügt man doch! Denn dich führen noch Raiten und Mäuse in jedes nur beliebige Loch." Natürlich erfolgte keine Bezahlung, nur allgemeine Enttäuschung der Betroffenen. Es hat sich seit jener Zeit niemand mehr an die Schatzhebung gewagt. — Der denkende Leser merkt, daß nicht der Witz die eigentliche Absicht des Erzählers ist. — Eines recht „schlagfertige »"Seelsorgers scheint sich, dem „Offenb. Abendbl." zufolge, der hessische Olt. Lämmerspiel in der Person des Pfarrers Graf zu erfreuen. Dieser Herr hatte, um zu verhüten, daß einzelne Andächtige, wie es häufiger vorgekommen war, den Gottes dienst vor Schluß verließen, am 19. August die Kirchen thür verschließen lassen- Als nun nach Schluß des Gottes dienstes einer der so seiner Freiheit zeitweilig Beraubten den Pfarrer in ruhiger Weise interpellirte, soll dieser dem lästigen Frager als Antwort eine regelrechte Ohrfeige appiicirt haben. Der Gemißhandelte fand aber keinen Geschmack an dieser Art Kirchenzucht und hat Anzeige erstattet. — Die Rettungsmedaille am Bande ist dem Fähr mann Adolf Ottöw zu Stralsund verliehen worden. Hva's Hache. Historische Erzählung von A. Berthold. (Nachdruck verbot».) Zander kannte die Einrichtung des Hauses nicht, und wenn es ihm auch gelungen wäre, bis auf die Straße zu gelangen, so fiel er dort den Posten in die Hände, die er von seinem Fenster ink ersten Stock des Hauses aus unten aus und ab gehen sah. Und wenn er selbst ihnen entging, wie kam er über den Wall und über den Graben, ohne sich dem sicheren Tode auszusetzen? Nein, an Flucht war nicht zu denken! Was würde Eva lhun? Sie mußte wissen, das ihm der Tod am Galgen sicher war, wenn sie ihn verrieth. Aber hatte sie denn Veranlassung ihn zu schonen? Hatte er sie denn nicht verschmäht, ihre Liebe verrathen, ihre heiligsten Gefühle verletzt? War nicht ein Weib, das man so gekränkt hat, unter Umständen zu Allem fähig? Wußte er nicht, daß gerade verschmähte und gekränkte Liebe sich bei Frauen oft in den wildesten Haß umwandelt, in einen Haß, der kein Erbarmen und keine Grenzen kennt, der erst befriedigt ist, wenn der Gegenstand dieses Hasses der Ver nichtung überliefert ist? Doch nein! Eva war keine solche bösartige, rachsüchtige Natur, und die Zeit, die vergangen war seit jenem Vor fälle, hatte wohl auch ihren Groll gemildert! Aber ihre drohenden Bücke? Wiesen die etwa auf Verzeihung, auf Vergessen hin? Aber selbst wenn sie nichts Böses gegen ihn plante, so war doch ihre blose Anwesenheit in diesem Hause schon eine große Gefahr für ihn. Mit einem Wort, mit einem Blick konnte sie verrathen, daß sie ihn kannte; eine unbe dachte Aeußerung von ihr, eine Antwort auf eine Frage, die Jemand wegen dieser Bekanntschaft an sie richtete, konnte Alles verderben. Es schwindelte dem Unglücklichen vor all' den Möglichkeiten, denen sein Geschick in den nächsten Stunden anheimgestellt war. Dann kamen ihm plötzlich andere, freundlichere und doch so bittere Gedanken. Wie schön sie geworden war! Länger als zwei Jahre hatte Zander sie nicht gesehen. Ihre Gestalt war voller, ihr Auftreten sicherer geworden. Er hatte sie ja nie ver gessen, er hatte voll Neue und Scham immer an sie ge dacht. Er liebte sie noch immer, das wurde ihm jetzt wieder klar. Ach, wenn er nur die Möglichkeit gehabt hätte, mit ihr zu sprechen, nur ein paar Worte mit ihr zu wechseln, um sie aufzuklären, um sie um Verzeihung zu bitten, um ihr zu sagen, in welcher Gefahr er schwebe, um von ihr zu erfahren, ob sie denn unversöhnlich sei. Der Aprilmorgen tagte. Zander versuchte sich noch einmal über die Möglichkeit einer Flucht zu unterrichten, eine furchtbare Angst überfiel ihn, die noch wuchs, je näher der Tag zunahm, der so viele Gefahren für ihn in sich barg. Sterben, den schimpflichen Tod am Galgen! Welch' eine Aussicht! Aber hier gab es kein Entrinnen. Ec mußte mit Fassung dem Kommenden entgegengehen. Der Diener des Generals kam und führte den ver meintlichen Mönch, dem er nach frommer Lanoessitte zuerst die Hand küßte, in das Zimmer, in welchem das Frühstück eingenommen werden sollte. Der Fürst und seine Nichte würden bald erscheinen, erklärte der Diener; dann bat er Zander Platz zu nehmen und ging hinaus. Der falsche Mönch betrachtete den reichgedeckten Frühstückstisch und dachte unwillkürlich daran, ob das nicht jetzt seine Henkers mahlzeit werden würde. Da öffnete sich die Thür und herein trat, mit einer Kanne dampfender Chokolade in der Hand, Eva Köhling. Sie ging an den Tisch und setzte die Kanne nieder. Zander war mit ihr allein im Zimmer. Jetzt oder nie konnte er sie sprechen! Mit zwei Schritten stand er neben ihr. „Eva," sagte er, und seine Stimme zitterte vor Er regung. „Eva! Mein Leben ist in Deiner Hand. Der Tod in schimpflichster Gestalt droht mir, wenn Du mich verräthst. Ich habe Dich schwer gekränkt, aber auch Du bist nicht ohne Schuld. Deine Heftigkeit hat mich gereizt. Doch ich will mich nicht entschuldigen. Es ist wahr, der Wohlstand verführte mich — ich wollte Dir die Treue brechen, aber ich habe schwer dafür gebüßt. Mein Leben, meine Zukunft ist statt einer glänzenden eine elende ge worden. Das bedenke und verzeihe mir, Eva!" Als verabscheue sie seine Nähe, so rasch trat sie zurück. Stolz und zornig blickte sie ihn an. „Spar Er seine Worte! Er war ein Lügner und Heuchler zu jeder Zeit, ich habe Gelegenheit gehabt mich davon zu überzeugen. Glaube Ec nur ja nicht, daß es Seinen glatten Worten gelingt, mich noch einmal zu be trügen. Er kommt in dieses Haus mit feindlichen Absichten. In diesem Hause habe ich eine zweite Heimath gefunden, in diesem Hause habe ich nur Gutes genossen, ich darf meinen Gönnern nicht mit Undank lohnen. Ich kenne meine Pflicht!" Damit wandte sie ihm den Rücken und ging der Thüre zu. Aber mit einem Sprunge war Zander an der Thür und verrrat ihr den Weg. „Gut!" sagte er in entschlossenem Tone. „Gut! Räche Dich! Ich Werde sterben, und hoffentlich ist es bald vor über. Aber mein Blut komme auf Dein Haupt. Sieh daun, ob Dein Gewissen Dich freispricht, die Mörderin dessen geworden zu sein, der Dich liebt!" Sie wurde roth und blaß in einem Augenblick. „Der mich liebt?" stammelte sie- „Ja, der Dich liebt. Nie habe ich aufgehört Dich zu lieben, wenn mich auch die Aussicht auf Stellung und Reichthum verblendete, das schwöre ich Dir in dieser Stunde! Tausendmal habe ich bereut, was ich an Dir gethan! Tausendmal habe ich gehofft, Alles wieder an Dir gut zu machen. Der König hat mir eine Kompagnie angeboten, wenn ich glücklich zurückkomme! Ich kann dann heirathen und hätte nach Dir gesucht, um Dich an meinem Glücke theilnehmen zu lassen. Du aber denkst nur an Rache, Du —" In diesem Augenblick öffnete sich die Thür, und Fürst Piccolomini trat ein. Er blickte verwundert auf Eva und auf den Mönch, dessen Gesicht geröthet war, dessen Augen thränenseucht schienen. „Was geht hier vor?" fragte der Fürst. Eva knixte. Sie faßte sich zuerst. „Wir sind alte Bekannte, ich und der hochwürdige Vater!" Zander erblaßte. Er erwartete, daß jetzt die Entdeckung erfolgen würde. Eva aber warf ihm nun einen Blick zu, in dem weder Haß noch Rache lag, und wartete die weiteren Fragen des Fürsten nicht ab, sondern ging aus dem Zimmer. Piccolomini wollte den Mönch eben wegen der Be kanntschaft aussragen, als Frau v. Schulenburg, die Nichte des Fürsten, eintrat. Zander wurde der schon älteren, sehr freundlichen Dame vorgestellt ustd von ihr mit aller Liebens würdigkeit empfangen. Man setzte sich zu Tische, und nach dem die Dame die Tassen mit Chokolade gefüllt hatte, schlug sie auf die Tischglocke. Eva trat wieder ein. „Reiche das Gebäck vom Rebentisch!" Eva befolgte den Befehl, ihre Anwesenheit aber schien den Fürsten wieder an den Vorgang von vorhin zu erinnern. „Denke Dir," sagte er zu seiner Nichte, „der ehrwürdige Vater und unsere kleine Eva kennen sich von früher her!" „Welch' ein Zufall! Du sagtest mir noch nichts da von, Eva!" „Ich wollte der gnädigen Frau später ausführliche Mittheilungen machen!" „Thue das, mein Kind! Du kannst jetzt gehen!" — Fortsetzung folgt. —