Volltext Seite (XML)
KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Sonnabend, den 11. März 1967, 19.30 Uhr Sonntag, den 12. März 1967, 19.30 Uhr 12. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Ude Nissen, Erfurt Solist: Helmut Roloff, Berlin, Klavier Siegfried Matthus geb. 1934 Inventionen für Orchester Grave Larghetto Allegro moderato Allegro assai Andante tranquillo Moderato Erstaufführung Robert Schumann 1810—1856 Konzert für Klavier und Orchester a-Moll op. 54 Allegro affettuoso Intermezzo — Andantino grazioso Allegro vivace PAUSE Johannes Brahms 1833-1897 Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 d-Moll op. 15 Maestoso Adagio Allegro non troppo HELMUT ROLOFF, 1912 in Gießen geboren, stu dierte 1935 bis 1938 an der Hochschule für Musik Berlin-Charlottenburg, an der er seit 1945 eine Mei sterklasse für Klavier leitet, und vervollkommnete 1939 bis 1942 bei Wladimir Horbowski seine Aus bildung. Auch Edwin Fischer zählte zu seinen Leh rern. Von 1939 bis 1945 lehrte der Künstler am Klindworth-Scharwenka-Konservatorium in Berlin. Erfolgreiche Konzertreisen führten Prof. Roloff seit 1942 in die bedeutendsten Musikzentren des In- und Auslandes, wo er eine Fülle von Klavieraben den veranstaltete sowie mit führenden Dirigenten und Orchestern musizierte. Von seinen Auslands tourneen sei besonders die Japanreise hervorgeho ben. Helmut Roloff wurde für zahlreiche Schallplat- tenaufnahmen verpflichtet. Bei der Dresdner Philharmonie war er bereits in den Jahren 1947, 1949, 1950, 1952, 1958 und 1960 zu Gast. UDE NISSEN wurde 1921 in Leipzig geboren und absolvierte sein Studium an der Musikhochschule seiner Heimatstadt in den Jahren 1946 bis 1949. Sein Lehrer in Dirigieren war Prof. Heinz Bongartz. Über Nordhausen (1950) und Weimar (1951/54) kam Ude Nissen 1955 als erster Kapellmeister an die Leipziger Oper. 1957 wurde er als Musikalischer Oberleiter an die Städtischen Bühnen Erfurt beru fen, wo er seitdem wirkt. 1959 erfolgte die Ernen nung zum Generalmusikdirektor und 1960 die Ver pflichtung als Dozent für die Orchestcrklasse an der Franz-Liszt-Hochschule Weimar. Ude Nissen unternahm erfolgreiche Konzertreisen nach Polen, Bulgarien, Ägypten, in die CSSR, nach Ungarn, Ju goslawien und Schweden und dirigierte häufig beim Fernsehen und beim Rundfunk. Am Pult der Dresdner Philharmonie stand er in den Spielzeiten 1959/60, 1960/61 und 1961/62. Mit zahlreichen Ur- und Erstaufführungen setzte sich der Dirigent nach drücklich für das zeitgenössische Musikschaffen ein. ZUR EINFÜHRUNG Siegfried Matthus, der 1934 geborene Berliner Komponist, steht wie der Dresdner Rai ner Kunad in der vordersten Linie der jüngeren Komponisten unserer Republik. Beide haben gerade in jüngster Zeit durch ihre mutige Auseinandersetzung mit neuen inhalt lichen und kompositionstechnischen Problemen von sich reden gemacht. Matthus studierte 1952 bis 1958 an der Deutschen Hochschule für Musik in Berlin Dirigieren und - bei Prof. Rudolf Wagner-Regcny - Komposition. 1958 bis 1960 vervollkommnete er seine Ausbildung als Meisterschüler Hanns Eislers an der Deutschen Akademie der Künste. Seitdem war er freischaffend tätig und wirkt neuerdings als Dramaturg und Haus komponist an der Komischen Oper Berlin. Matthus, der 1963 den Ernst-Zinna-Preis erhielt, begann zunächst mit originellen Songs und Liedern und erschloß sich allmählich größere Instrumentalformen sowie die Oper. Dabei hat der Komponist im Verlauf seiner künstlerischen Entwicklung, vor allem in letzter Zeit, eine erstaunliche stilistische Wand lungsfähigkeit bewiesen. Von seiner bisherigen Werksliste sind u. a. zu nennen: das Kleine Orchesterkonzert (1963), die Oper „Lazarillo von Tormes“ (als „Spanisdte Tu genden“ 1964 in Karl-Marx-Stadt uraufgeführt), „Tum tua res agitur“ (13 Variationen für 15 Instrumente und Schlagzeug, 1965), „Das Manifest“ für Soli, Chor und Orchester (1965), Kammermusik 65 (1965), „Galilei“ für Singstimmc, fünf Instrumente und elektronische Klänge. Eine neue Oper „Der letzte Schuß“ nach einer Novelle von Lawrenjow befindet sich in Arbeit; ihre Uraufführung ist anläßlich des 50. Jahrestages der Oktoberrevolution an der Komischen Oper vorgesehen. Die unser heutiges Konzert eröffnenden Inventionen für Orchester entstanden - als Auftragswerk der Deutschen Staatsoper Berlin - im Sommer und Herbst 1964 und wurden am 2. Februar 1967 vom Städtischen Orchester Erfurt unter Ude Nissen erfolg reich uraufgeführt. Der Komponist schrieb über das interessante Werk, das neue Klang möglichkeiten zu erschließen sucht und u. a. einen höchst umfangreichen, differenzierten Schlagzeugapparat einsetzt, folgendes: „Invention bedeutet soviel wie Einfall oder Ge danke. Jeder der sechs Inventionen liegt ein inhaltlicher, formaler, kompositionstech nischer und instrumentaler Einfall zugrunde. Die Form ist durch den Titel Invention (im Sinne Bachs, als kontrapunktische Improvisation) gekennzeichnet, die Kompo sitionstechnik - eine frei gehandhabte serielle Strukturierung, die Instrumentation (un bedingt als kompositiorisch-formaler Bestandteil zu betrachten und nicht zu verwechseln mit einem .Instrumentieren' eines musikalischen Gedankens) - eine Graduierung und Konstellation nach klanglichen Gesichtspunkten und der Inhalt - eine Summe aller dieser Komponenten (deshalb auch nur spezifisch musikalisch zu verstehen). Daß dieser Inhalt im weiteren Sinne progressiv wirken möge und unsere Zeit widerspiegeln soll, wünsche ich mir sehr.“ Im Jahre 1839 schrieb Robert Schumann seiner Braut Clara Wieck über die geplante Komposition eines Klavierkonzertes, das er ihr zugedacht hatte: „Es wird ein Mittel ding zwischen Sinfonie, Konzert und großer Sonate; ich kann kein Konzert für Virtu osen schreiben und muß auf etwas anderes sinnen“. Schon sehr viel früher hatte sich Schumann mit dem Plan eines Klavierkonzertes beschäftigt. Bereits von dem 17jährigen existieren Noten über den Entwurf eines Klavierkonzertes in E-Dur, dem während seiner Studienzeit in Heidelberg die Arbeit an einem anderen in F-Dur folgte; von beiden Entwürfen ist jedoch nichts mehr erhalten. Das Klavierkonzert a-Moll op. 54 entstammt den Jahren 1841 bis 1845. Nachdem der Komponist 1841 den ersten Satz des Konzertes als selbständige „Konzertfantasie für Klavier und Orchester“ vollendet hatte, entstanden erst vier Jahre später die beiden anderen Sätze des Werkes. Die Ur aufführung fand am 4. Dezember 1845 mit Clara Schumann als Solistin in Dresden statt. Kurz danach wurde es auch im Leipziger Gewandhaus, hier unter der Leitung Felix Mendelssohn Bartholdys, aufgeführt. Der große Erfolg, den das Werk von Anfang an hatte, ist ihm stets treu geblieben. Tatsächlich stellt das a-Moll-Klavierkonzert - Schu manns einziges Konzert für dieses Instrument — nicht nur eines der genialsten und auch der bekanntesten Werke des Meisters dar, sondern gehört zu den schönsten und bedeu-