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Mnmm Anzeiger Erscheint Dienstag, Donnerstag u. Sonnabend. Abonnementspreis einschließlich der illustrirten Beilagen „Gute Geister" u. „Zeitbilder" sowie des illustr. Witzblattes „Seifenblasen" 1,50 Ml. Zeitung fix MMd, Seifersdn^ Inserate kosten die Spaltenzeile oder deren Raum 10 Pf., für auswärtige Inserenten 15 Pf. Tabellarische Inserate werden doppelt berechnet. Annahme von Anzeigen für alle Zeitungen. Groß- und Klemölsa, Obernaundorf, Hainsberg, Somsdorf, Coßmannsdorf, Lübau, Borlas, Spechtritz re. Mit verbindlicher Publikationskraft für amtliche Bekanntmachungen. Nummer 99. Donnerstag, den 23. August 1900. 13. Jahrgang. Aus Nah und Fern. — Erschwerung von S ch ul a u s f l ü g e n. Der „D. A." schreibt: Durch die neuere Verordnung der Eisenbahubehörde sind die Schulausfluge sehr erschwert worden. Während es bisher genügte, die Anmeldung der Schüler einen Tag vorher oder eine halbe Stunde vor Abgang des Zuges zu besorgen, verlangt jetzt die Bahn behörde einen schriftlichen Antrag des Schulvorstandes, in dem Fahrpreisermäßigung erbeten wird. Das ist zu um ständlich — und warum solche erschwerende Bestimmungen? Die Ausflüge dienen in erster Linie zur Ausbildung der Kinder, liegen also im allgemeinen Interesse des Staates. Die Platzfrage kann wohl kaum maßgebend sein, da doch auch Rath geschafft wird, wenn 30 zum Vergnügen reisende Erwachsene eine halbe Stunde vor Abgang des Zuges Ge sellschaftsfahrt anmelden. Auch diese erhalten Ermäßigung des Fahrpreises. — Die Königliche Amtshauptmannschaft Dresden-A. erläßt eine Bekanntmachung, betreffend die Betheiligung von Kindern an Karoussel-, Schaukel-, Schießbuden und ähn lichen Vergnügungen. Die Betheilignng der Kinder hieran ist nur bis abends 8 Uhr gestattet. Zuwiderhandlungen werden bestraft. — Das 5. W e l t i n - B u n d es s ch i e ß e», welches im Jahre 1902 abgehalten wird, findet, wie in Freiberg beschlossen worden ist, in Zittau statt. — Emen reichen aber unerwarteten Familienzuwachs schielt der Cementarbciter Fritz in Dippoldiswalde, idem der Storch inil Drillingen, 2 Mädchen und einem Knaben, einkehrte. — Am Sonnabend Nachmittag verunglückte inLock - tz der bei Herrn Knüpfer inWilmsdorf in Diensten gehende Geschinführer Pinkert. Derselbe fuhr Steine vom Luchberge nach Neuostra und wollte am sog. Galgenberge in Lockivitz die Pferde ruhen lassen. Im Begriff nun einen Stein unter das Rad zu legen, rückte plötzlich der Wagen rückwärts und P. kam linier denselben zu liegen, wobei er schwere Verletzungen am Beine und an der Hand davon- trug, die seine Unterbringung im Carolahaus nöthig machten. — Der in Gorbitz geborene, znletzt in Unkersdorf wohnhafte, etwa 34 Jahre alte Arbeiter Max Engert war seit längerer Zeit verschollen. Erst dieser Tage erhielt die Gattin Nachricht aus Südafrika über den Verbleib ihres Maniles; leider aber auch gleichzeitig die Todesbot schaft. Engert hatte in den Reihen der Boeren gekämpft, und war schwer verwundet in einem der letzten Gefechte in englische Gefangenschaft gerathen, wo er bald seinen Verletzungen erlegen ist. — Neber eine ruchlose T h at, die zu Königsberg i. Pr. am Sonntag Abend im Glacis zwischen dem Stein- dammer und Tragheimer Thor verübt worden ist, liegt folgende amtliche Meldung vor: Der Gefreite (Hornist) Lange voll der 11. Kompagnie des Grenadier-Regiments Kronprinz (Ostpreußisches) Nr. 1 wurde im Glacis, wo er init der unverehelichten Aufwärterin Johanna Schröder spazieren ging, von etwa einein halben Dutzend Strolchen angefallen und durch einen Messerstich in den Kopf getödtet. Seine Leiche wurde ain Montag früh im Glacis gefunden. Dann warfen sich die Buben auf die Begleiterin des Sol daten, rissen sie zu Boden, steckten ihr, um sie am Schreien zu verhindern, ein Tuch in den Mund und schleppten sie in ein Gebüsch, wo alle fünf sie vergewaltigten. Das Mädchen wurde später in hilflosem Zustande aufgefunden und nach dein städtischen Krankenhause gebracht, wo sie zur Zeit schwer krank darnieder liegt. Ueber die Thäter konnte das Mädchen keine näheren Angaben machen. — Eine merkwürdige Anwendung derLustbar - keitssteuer war in Sorau vorgekommen. Der evang. Arbeiterverein hatte bei der Polizei für einen gemeinschaft ¬ lichen Kirchgang ohne Musik 1 Mk. 50 Pfg. Vergnügungs steuer bezahlen müssen, Auf die erhobene Beschwerde hat der Finanzminister die Zurückzahlung der Abgabe verfügt. — Eine sehr kräftige Abbitte leistet die Frau eines in Pforzheim Angestellten im „Pforzh. Anz.", wenn sie also schreibt: „Ich erkläre hiermit, daß alle von mir gemachten Schulden ohne Wissen und Willen meines Mannes durch mein leichtfertiges, verschwenderisches Wirthschaften entstanden sind. Ich werde stets seitens meines Mannes reichlich mit Geldmitteln versehen und hätte bei häuslicher Bewirthschaftung noch Geld erübrigen können. Es thut mir sehr leid, meinem Ehemann gegenüber so gehandelt zu haben, und bedauere sehr, daß dessen ehrbarer Name durch mein leichtfertiges Verschulden so belastet wurde. Karoline R.geb. D." — DieseReumüthige verdient gewiß vollen Pardon! — Eine großeFeuersbrunst zerstörte in der Nacht zum Sonntag in Paris das Droschkendepot der Gesellschaft „Agram". Der Schaden wird auf 200000 Francs geschätzt. — Blutiges Rencontre zwischen Franzosen und Italienern. In Paris fand Montag Mittag ein heftiger Mefferkampf zwischen französischen und italienischen Glas arbeitern in dem Vororte Saint-Denis statt. Auf dem Platze blieben dreißig Schwerverwundete, fast durchweg Franzosen, während die Italiener ihre Verwundeten forttrugen, bevor Lie Behörden erschienen. — Eis enbahnkatastrophe. Aus Sofia, 19. August, wird gemeldet: Bei Plewna stießen zwei Eisen bahnzüge zusammen; 20 Personen wurden getödtet oder verwundet. Unter den Getödteten befindet sich auch der Ingenieur Petroff, ein Bruder des ehemaligen Kriegs ministers Petroff. — Der Entrüstete. „Das nennt sich nun ein Hotel ersten Ranges! Und nicht eine Zahnbürste findet man auf dem Waschtisch !" Slamirt! Humvresre von Adolf Mohr. —7- tNachdrnck verboien.) „Fritz!" „Herr Teinfalt?" „Was haben Sie mir denn da für eine abgestandene Brühe vorgesetzt? Das Zeug ist ja nicht zu trinken!" „Bitte, Herr Teinfalt, ganz frisch voin Faß." „Aber nicht vom frischen Faß — nehmen Sie die Bescheerung wieder mit sich und bringen Sie mir was anderes." „Vielleicht eine Grätzer gefällig? Auf Eis — ganz vorzüglich." „Bleiben Sie mir vom Leibe mit dem Schandgesöff! Wenn Sie nichts anderes haben, geben Sie einen Schoppen Zeltinger her." „Sogleich, Herr Teinfalt!" Der Kellner eilte fort, um das Bestellte zu holen, während Teinfalt mit verdrossener Miene nach der ersten besten Zeitung griff, einen flüchtigen Blick über die Spalten gleiten ließ und sich dann in den Lokalbericht vertiefte, das Gelesene abwechselnd mit leisem höhnischen Lachen nnd einzelnen schmeichelhaften Randbemerkungen, wie „Dumm heit", „Quatsch" und dergleichen glossirend. Seine offen bar nichts weniger als rosige Laune besserte sich auch nicht, nachdem er ein Glas des von Fritz gebrachten Weines ein geschenkt und prüfend an die Lippen geführt hatte; im Gegentheil, er schnitt eine Grimasse, schickte Lem Ganhmed einen zornigen Blick nach, murmelte etwas von Krätzer, Essig und Vergiftung und starrte schließlich mit dem Aus druck stiller Verzweiflung zur verräucherten Decke empor, mit den Fingern nervös auf der Tischplatte trommelnd. So fand ihn sein Freund Nottebohm, der nach einer Weile das Lokal betrat und ihn kopfschüttelnd mit den Worten begrüßte: „Alle Wetter, Teinfalt, Du machst ja eiu Gesicht wie sieben Tage Negenwetter — was ist denn wieder los, mein Jnnge?" „Ach, Dn bist's, Nottebohm," erwiderte der Angeredete, „gut, daß Du kommst, wenigstens ein vernünftiger Mensch, dem man sein Leid klagen kann." „Herrje, das klingt ja ganz tragisch — na, schieß' was ist denn passirt?" „Denk' Dir, ich muß meine Wohnung räumen, die vannemann hat mir gekündigt." „Gekündigt — warum denn?" „Wegen einer Dummheit, einer Albernheit — es wäre Lachen, wenn es nicht so ärgerlich wäre—o diese Weiber!" „Na, rede doch!" „Also, ich sitze heute Morgen ganz gemüthlich beim Frühstück und bin gerade dabei, mir die dritte Semmel zu streichen, da klopft es und die Pannemaim tritt herein. Sie macht ein verlegenes Gesicht, bittet um Entschuldigung wegen der Störung, und wie ich sie frage, womit ich ihr dienen kann, kriegt sie einen ganz rothen Kopf, versichert mir, es t hüte ihr unendlich leid, aber ich müßte mich nach einer anderen Wohnung umseben, weil sie sich nächstens wieder verheirathen wollte und dann meine beiden Stuben selbst nöthig hätte. Ich war so paff, daß ich sogar ver gaß, ihr zu gratuliren, eher hätte ich des Himmels Einsturz erwartet, als daß die alte Schraube noch wieder auf Heiraths- gedanken kommen würde!" „Nun, nun, die Pannemann ist doch noch eine ganz stattliche Person, Du kannst doch nicht verlangen, daß sie zeitlebens Wittwe bleibt, blos damit Du alter Chambregarnist Deine Bequemlichkeit hast." „Ach, und ich fühle mich so gemüthlich bei ihr — und der brillante Kaffee, den die Frau kocht! Ich glaube, ich wäre im Stande gewesen, sie selber zu heirathen, blos um nicht wieder all' die Unruhe und Weitläufigkeiten mit der alten Wohnungsucherei zu haben." „Du — die Pannemann heirathen? Der Witz wäre nicht übel! Hahaha! Nein, alter Freund, überlaß das Heirathen denen, die sich besser darauf verstehen — unser eins ist für den Ehestand nicht mehr zu gebrauchen." „Oho, oho, das käme doch noch darauf an!" „Na, beruhige Dich nur, Du wirst schon wieder ein Unterkommen finden, ohne Deine kostbare Freiheit zu opfern. Sieh, da kommt Bremse, der macht ja auch ein ganz ver donnertes Gesicht, was mag denn dem Passirt sein?" Die letzten Worte galten einem ziemlich hochaufge schossenen, hageren Herrn in zweifelhaften Jahren, der eben zur Thür hereintrat, mit einein raschen Blick das Lokal überflog und sich dann dem Tische näherte, an dem die beiden Freunde Platz genommen hatten. Nachdem er sich bei dem herbeieilenden Kellner ein Glas Bier bestellt hatte, setzte er sich mit einem mürrischen: „Guten Morgen!" an Nottebohms Seite, kreuzte die Arme über der Brust und blickte verdrossen vor sich hin. „Na, was haben sie Dir denn zu Leide gethan?" fragte Nottebohm, den Neuangekommenen gemüthlich auf die Schulter klopfend, „Du siehst ja aus wie die verkörperte schwere Zeit." „Ach, laß mich zufrieden," entgegnete Bremse unmuthig, „Du wirst mir doch nicht helfen." „Darum kannst Du uns doch sagen, was Du auf dem Herzen hast — sind wir nicht Deine alten guten Freunde?" „Wenn Ihr es durchaus wissen müßt, die Hinze hat mir heute das Quartier gekündigt." „Dir auch?" rief Teinfalt, „das ist ja komisch!" „Wie so — mir auch? Und was ist dabei komisch?" „Weil ich ebenfalls zum Ersten hinausgeschmifsen werde. Will sich die Hinze vielleicht auch wieder verheirathen?" „Unsinn, sie denkt nicht daran." „Aber warum will sie Dich denn los sein?" „Es geht nicht anders, sie zieht von Berlin fort. Ihre Schwägerin in Spremberg ist kürzlich gestorben, nun sitzt der Bruder da mit drei kleiueu Kindern und weiß sich nicht zu helfen. Er bittet sie himmelhoch, ihin bis auf Weiteres den Hausstand zu führen und die Kleinen zu bemuttern, und sie meint, daß sie ihrem einzigen Bruder das schuldig ist." „Na, viel Vergnügen," rief Teinfalt, „weißt Du was, Bremse, wenn es Dir recht ist, können wir ja zusammen auf die Wohnungsuche gehen — getheiltes Leid ist halbes Leid!" „Dann können wir unser Leid gleich dreimal theilen," warf Nottebohm lustig ein, „denn ich werde mir auch ein neues Unterkommen suchen." „Wie, auch Du, mein Sohn Brutus?" fragte Teinfalt verwundert. „Ich denke, Du bist Hahn im Korbe bei der Schwenkel- berg," meinte Bremse. „Das ist's ja eben," erwiderte Nottebohm, „das Weib fing an, mir lästig zu werden; alle Tage erzählt sie mir von ihren Schätzen auf der Sparkasse und wie glücklich ihr verstorbener Mann an ihrer Seite gewesen wäre; dabei bombarditt sie mich dermaßen mit verliebten Blicken, daß mir oft ganz angst und bange wird. Schließlich habe ich nicht mehr anders zu helfen gewußt, als indem ich ihr die Wohnung kündigte." „Da war sie wohl sehr unglücklich?" fragte Teinfalt. „Na, es gab eine förmliche Scene; sie flehte mich in den rührendsten Ausdrücken an, doch nicht fortzugehen, aber ich blieb kalt wie Eis und sagte ihr, daß ich schon mit meinen Freunden Teinfalt und Bremse eine Wohnung gemicthet hätte, in der wir fortan gemeinschaftlich Hausen wollten." Alle drei gaben sich einem lebhaften Heiterkeitsaus bruch hin, bis Teinfalt plötzlich mit der Hand auf den Tisch schlug und rief: „Donnerwetter, da kommt mir ein großartiger Ge danke! Wie wäre es, wenn wir uns wirklich zusammen- thäten und eigene Menage führten? Wir kennen uns ja seit langen Jahren als verträgliche, friedfertige Naturen, die schon mit einander auskommen würden, und dann wären wir doch nicht all' den Unannehmlichkeiten ausge setzt, die gewöhnlich Chambregarnisten über sich ergehen lassen müssen." — Fortsetzung folgt.