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Radenauer Anzeiger Erscheint Dienstag, Donnerstag u. Sonnabend. AbvnnemeMspreis einschließlich der illustrirten Beilagen „Gute Geister" u. „Zeitbilder" sowie des illustr. Witzblattes „Seisenblasen" 1,50 Mk. Zeitung snr WeM, Seisersdnes. Inserate kosten die Spaltenzeile oder deren Raum 10 Pf-, für auswärtige Inserenten IS Pf. Tabellarische Inserate werden doppelt berechnet. Annahme von Anzeigen für alle Zeitungen. Nummer 88. 13. Jahrgang. Sonnabeno, den 28. Juli 1900. Aus Nah und Fern. — Das nächsten Sonntag und folgende Tage statt- fmdende Rabenauer Schützen fest wird den Be suchern gegen frühere Jahre an Sehenswerthem bedeutend mehr bieten, da der Zuspruch von Schaubuden rc. so be deutend ist, daß kaum alle Firanten untergebracht werden können. Auch die Schützengesellschaft hat keine Opfer ge scheut, um das Fest zu einem würdigen zu gestalten. So wurde z. B. das Musikerchor uniformirt und werden bei günstiger Witterung die Schützen bei den Ein- und Aus zügen diesmal weiße Hosen tragen. Am Montag wird den Besuchern ein historischer Festzug geboten, welcher namentlich wegen seiner prachtvollen Kostüme besondere Erwähnung verdient. Derselbe stellt „Wallensteins Lager" dar und ist die Reihefolge wie nachstehend: Den Zug ervfsmt ein Herold, ihm folgen Festwagen mit der Fahne, nach diesem ein Wachtmeister, zwei Trompeter vom Tery- khjchen Karabiner-Regiment, zwei Hollkische reitende Jäger, drei Buttlerische Dragoner, drei Wallonische Kürassire, drei Lombardische Kürassire, ein Ulaue, zusammen 15 Reiter. Hierauf zu Fuß: ein Constabler, Scharfschützen, Arkebusicrcr dom Reg. Tiefenbach, Kroaten, Rekruten, Bürger, Bauern, Bauernknaben, Capuziner, Soldatenjungen, Markedenderin mit Wagen, Aufwärterin und Hoboisten. Hoffentlich werden die Einwohner Rabenaus durch Flaggen ihrer Häuser, Be such des Festplatzes und Abbrenncu von Buntfeuer rc. unserer Schützengesellschaft die gehabte Mühe reichlich lohnen. — Der Ausflug des hiesigen Gewerbever - e i n s nach dem Lilienstein am letzten Donnerstag hatte sich einer ansehnlichen Betheilignng zu erfreuen und nahm einen überaus schönen Verlauf. Lie Abfahrt von Dresden mit Schiff erfolgte 8 Uhr früh und trug die prachtvolle Witterung ihr Beträchtliches dazu bei, die Stimmung mehr und mehr zu heben. Nach 11 Uhr langte man in Rathen an, von wo die Fußwanderung bei leider wenig schattigem Wege über Wallersdorf, woselbst im Restaurant „Stiller Fritze" kurze Nast gemacht, nach dein herrlich gelegenen Lill-nstein erfolgie. Hier traf man nach etwa 2^ stündiger Wanderung etwas erschöpft an. Zuerst wurde nun einige Der mysteriöse Reisegefährte. Ein Geheinmiß und seine Entdeckung von Nivinglvn Pyke. iNachdrucs »erdm,».) Als sie sich angckleidet und gestärkt hatte, schickte sie einen Boten in das Hotel Albion, ob dort Briefe oder Botschaften für sie wären, in der Ueberzrugung, daß der Unbekannte mit dem Boten znrückkehren würde. Statt dessen überreichte ihr derselbe nur ein Telegramm. „Ist das alles? Nichts weiter, keine mündliche Botschaft?" frug sie enttäuscht. „Nein, man sagte mir weiter nichts; ich bin aber gern bereit, noch einmal nachzufragen." „Danke, das ist unnöthig." Der Mann zog die Mütze, grüßte und ging. Das neue Telegramm war nicht geeignet, ihr Grmüth zu erleichtern: „Gulby nicht berühren. Sofort nach London, Hampstead 12, Elisabethstreet kommen " Welchen Sinn hatte es, sie von einem Ort zum andern Z" jagen, während ihr Mann todt in Gulbh lag? Zum Zweiten Mal wollte sie nicht von dem unbekannten Ab sender, der sich offenbar vor der Polizei verbarg, hören. Nein, sie that es nicht, sie wollte nichts mehr init dem Verbrechen zu thun haben. Bei großen Lebensfragen sind edel angelegte Naturen ße!s geneigt, lieber muthig der Gefahr entgegenzugehen, als unsicher und dunkel herumzutappen; lieber den Knoten selbst mit kühner Hand zu durchhauen, als ihn langsam von ungeschickten Händen anfschürzen zu sehen. Diese Ansicht theilte auch Mrs. Bent- Mochte kommen, wa- da wollte, sie würde heute Abend von hier fortreißen, die Nacht in Wiggem bleiben und Montag nach Gulbh fahren. Sie führte den Entschluß auch aus und langte Mon tag Vormittag 10 Uhr 30 in Gulbh an, wo sie zunächst »ach dem Stationsvorsteher fragte, der auch bald erschien. „Sie haben ein Eisenbahnunglück gehabt, bei dem Mr. George W. Bent ans New-Jork ums Leben gekommen ist?" Der Gefragte bejahte vorsichtig. „Ich bin seine Wrttwe, Mrs. Bent." Jener sah sie starr an. „Durch die Zeitungen habe ich alles erfahren; ich möchte den Verstorbenen gern selbst begraben lassen, wenn es irgend angelst." Auf dieses Ereigniß war kein Mensch vorbereitet. Die Polizei und manche Behörde hatte mitzusprechen, ehe die anscheinend einfache Bitte erfüllt werden konnte. „Heute Nachmittag 3 Uhr ist hier Untersuchung; ich werde den Sergeanten Higgs von Ihrer Anwesenheit be nachrichtigen." Zeit der Erholung gewidmet und dann das Mittagsmahl, welches nach vorheriger Anmeldung wohl vorbereitet war, eingenommen. Nach dreistündigem Aufenthalt, während welcher Zeit sich das Auge an der wunderbaren Fernsicht sattsam weiden konnte, erfolgte der Abstieg auf schattigem Waldwege in der Richtung Königstein, in welch' letzterem Orte, nach bewirkter Ueberfahrt, der Rest des Tages im Hotel „Albert" verbracht wurde. Die gegen Abend ein getretene kühlere Witterung gestaltete die Wasserfahrt zu einem „Vergnügen eig'ner Art." Gar bald entwickelte sich beim Anfeuchten der immer wieder trocken gewordenen Kehlen ein fideles Leben, sodaß die mehrstündige Reise nur zu rasch verstrich. Gegen 12 Uhr langten die Theil nehmer wohl etwas ermüdet, doch hochbefriedigt und wohl behalten in der Heimath an. — Einen Hauptanziehungspunkt des Schützenfestes wird H. Schmidt's MuseumundPanoptikumbilden,das nach dem uns vorliegenden Kataloge eine große Auswahl von bildlichen Darstellungen in verschiedener Ausführung dem Publikum darbielen wird. Neben Gemälden sind mechanische Kunstwerke vertreten, Ereigniße und bekannte Persönlich, keilen aus Vergangenheit und Gegenwart darstellend. Ein Bestich des Panoptikums dürfte zu empfehlen sein, woselbst man für billiges Geld wirklich etwas Wifsenswerthes zu sehen bekommt. In einem schölten, großen Glaskasten steht hier eine hübsche bewegliche Gruppe, Amor, wie er im Begriff ist, seinen scharfen Pfeil auf das Herz eines jungen Mädchens abzuschnellen, das erschreckt die ihm drohende Gefahr mit erhobener Hand abzuwehren sucht. In langen Reihen sehen wir dann in guter Ausführung die Wachs büsten von Fürstlichkeiten und berühmten rind auch von berüchtigten Männern, und verschiedene andere sauber aus geführte Werke der Modellierkunst. — Heilsame Arzneipflanzen, lvie z. B. Berg-Enzian, Tausend güldenkraut usw. wachsen auch im schönen, gottgeseguetem Sachsen- lande. Unser lieber Pfarrer Sebastian Kneipp empfiehlt dringend den Gebrauch und mancher Leidende hat Hülfe und Linderung durch solche Gottesgabe erfahren. Doch wo die Sonne südlicher brennt, kommen die heilenden Wirkungen dieser Kräuter mehr zur Geltung. Herr Franz Bo ehler, ein lichtes Kind aus dem Süden, kennt diese Pflanzen. Er hat mit Hülfe derselben sein ihm leider ost in Bald kam der Sergeant und war ebenfalls sehr er staunt, ihm wurde klar, daß er sofort die Persönlichkeit feststellen und an Mr. Marsh telegraphiren müßte. „Ich möchte gern meinen — meinen Mann sehen." „Gewiß können Sie dies. Da Sie einmal herge kommen sind, werden Sie heule Nachmittag auch bei der Untersuchung zugegen sein müssen, um die Identität des Todten festzustellen." Mrs. Beilt schauderte, aber bald gewann sie ihre Selbst beherrschung wieder und folgte dem voranschreitenden Sergeanten in den Raum, in welchem die beiden Todten jetzt in Särgen aufgebahrt waren. Zu Füßen des Amerikaners lagen dessen Kleider zusammengebunden. Higgs vermulhele mit richtigem Takt, daß die Wittwe lieber allein bleiben wollte; sobald er sie daher hatte ein- treten lassen, schloß er die Thür hinter ihr zu und ging im Korridor auf und ab. Mit bewundernswerther Geduld wartete er eine Viertel stunde — er ließ ihr noch fünf Minuten — dann klopfte er — keine Antwort, kein Laut ließ sich Horen. Voll Be sorgniß öffnete er die Thür und sah Mrs. Bent ohnmächtig neben der Leiche liegen. „Sonderbarerweise lag der Todte in einer anderen Stellung, und seine Kleider waren durcheinander geworfen. Mit Hilfe der Wirthin wurde Mrs. Bent in ein anderes Zimmer gebracht, wo sie bald wieder zum Bewußtsein kam. „Wo bin ich?" schrie sie Wildaus. „Wo ist George? — Ach George, nun besinne ich mich!" Dann brach sie in einen Strom von Thränen aus. Als bald darauf Higgs die Pflicht fortrief, flüsterte er der Wirthin zu, Mrs. Bent müsse Nachmittag bei der Untersuchnng erscheinen und er würde sie zu derselben abholen. Auf das Telegramm kam Marsh sofort nach Gulbh und war schon vor ein Uhr in dem Hotel. „Wo ist Mrs. Bent? Ich will sie sehen!" „Sie ist ausgegangen; sind Sie ihr nicht begegnet?" Nach einem kleinen Kreuzverhör kam heraus, daß Mrs. Beut sich sehr schnell erholt und den Wunsch ausgesprochen hatte, etwas frische Luft zu schöpfen. Die Wirthin hatte ihr zuerst abgeredet, Mrs. Bent aber hatte darauf bestanden und sich entfernt. Marsh blickte Higgs vernichtend an, als dieser müh sam die Worte hervorbrachte: „Der Gedanke einer Flucht kam mir nicht in den Sinn, denn die Frau schien gleich bereit, bis Nachmittag zu bleiben und als Zeugin zu erscheinen!" „Sie muß gefuuden werden: Wir sprechen lins nachher." Die Wirthin meinte, daß sie nach Gulbh gegangen wäre, auch hatten die verschiedensten Leute, unter anderen sehr vielen Fällen nachgeahmtes „Alpenbrot" hergestellt. Dasselbe ist sowohl Gesunden, wie besonders Magenkranken als ein ganz eigenartiges und dabei wohlschmeckendes Präparat sehr dringend zu empfehlen. — Wegen Beleidigung des Kgl. Straßenwärters Gelfert in Rabenau erhielt am Dienstag vom Döhlener Schöffen gericht der in Deuben wohnende Kutscher Karl Gustav Ulbricht 2 Wochen Gefängniß zuerkannt. — Vor Kurzem fand in Berlin ein kleines Mädchen einen traurigen Tod, indem es eine größere Menge Kirschen genoffen und dabei dieKerne mit verschluckt halte. Welch' kindischer Unverstand, mag Mancher beim Lesen dieser Nachricht denken. Und doch giebt es viele solcher Kinder, kleine und große, die dieser gefährlichen Unsitte huldigen. Gerade jetzt, wo die Obstsaison in vollster Blüthe steht, scheint es angebracht, diese üble Angewohnheit, die der Obst genuß zeitigt, zu geißeln. Das Verschlucken der harten Kerne, welches häufig, sogar hänfiger als man erfährt, die schlimmsten Folgen nach sich zieht, ist weit verbreitet. Wie manche Blinddarm- oder Bauchfellentzündung mag schon auf so ein Kirsch- und Pflaumenkernchen zurückzuführen gewesen sein! Wer es beim Obstessen aber an der nöthigen Vorsicht und Mäßigung fehlen läßt, darf sich nicht wundern, wenn selbst die besten Früchte — böse Früchte tragen. — In Wassersnoth. Fünf Personen vom Ertrinken gerettet wurden durch das muthige Eingreifen des Pianefortefabrikauten Rudolf G. und seines Sohnes Richard in Berlin. Die beiden Herren bemerkten, als sie mit ihrer Segelyacht auf den Seddin-See kreuzten, durch Hilferufe aufmerksam geworden, das Segelboot „Elisabeth", das dem Sinken nahe war. Es gelang Herrn G., unter stützt durch günstigen Wind, so schnell an bie Unglücksstelle heranzukommen, daß er mit Hilfe seines Sohnes die Paffagiere des sinkenden Bootes aufnehmen konnte. Nur einer war des Schwimmens kundig, so daß die anderen vier dem sicheren Tode entronnen sind. — Ein Beitrag zur Titelsucht. Der vor kurzem abgedankte Todtengräber in Kühndorf bezeichnete sich in Rechnungen, die er für seine Bemühungen ausstellte, als „Verseukungsrat h". der Stationsvorsteher, eine Dame vor kurzem dort gehen sehen. Ein Unterbeamter entsann sich, daß die Dame im Hausflur gestanden habe und erst im letzten Augenblick in größter Eile in den Zug gesprungen sei- Eine Fahrkarte hatte sie nicht genommen, also mußte sie im Besitz einer Rückfahrkarte gewesen sein. Weshalb in aller Welt floh sie? War sie vielleicht doch Theil- nehmerin an dem Verbrechen? Warum war sie dann überhaupt nach Gulbh gekommen und hatte ihren richtigen Namen genannt? Eins stand fest: die Frau mußte verfolgt werden. 16. Mr. Marsh hatte mit seiner Haussuchung bei Broad hurst gründlich Fiasko gemacht. Papiere waren in Hülle und Fülle dagewesen, aber nichts, was sich auf schwindel hafte Verbindungen mit dem Amerikaner bezog. Marsh verließ Widdon infolgedessen sehr ärgerlich. Er hatte gehofft, einen guten Schritt weiter zu kommen, statt dessen hatte er so gut wie gar nichts erreicht. Trotz dem befahl er Bullough aufs Strengste, das Haus und seine Bewohner nicht aus den Augen zu lassen. Bob Nicholls war in der Nacht bei seiner zukünftigen Schwägerin angelangt und Bullough glaubte, seine Instruk tion ginge auch dahin, diesen Gast zu beobachten. So trat er schon Sonntag Morgen 7 Uhr mit vielen Entschul digungen in das Zimmer und kam gerade dazu, als Bob seine Erlebnisse mit aller Genauigkeit den andächtig Lauschen den vortrug. Bei der Behauptung, Walter wäre ein Ver» brecher, gerieth er mehr und mehr in Eifer: „Ec ist kein Helfershelfer des Iankee; es ist zu dumm, so etwas nur anzudeuten! Wäre Walters Sauftmuth mir nicht bekannt, würde ich eher denken, er hätte den Amerikaner durchge bläut; was diesem entschieden sehr dienlich gewesen wäre." — Fortsetzung folgt. — Kirchennachrichten von Rabenau. Sonntag, den 29. Juli. Dom. 7 p. Trin. Vorm, halb 9 Uhr Gottesdienst. Predigttext: Joh. 6, 47- 51. Geboren: Am 20. Juli dem ansäss. Stuhlbauer Robert Julius Hiinich hier eine Tochter. — Am 21. Juli dem Stnhlbauer Ernst Moritz Baumgart hier eine Tochter. Getauft: Am 22. Juli: Alma Frida Schmidt, Tochter des Fabrikarb. Alfred Hugo Schmidt hier. — Fritz Walter Ertel, Sohn des ansäss. Drechslermstr. Gustav Bernhard Ertel hier. Aufgeboten: Gustav Weimert, Kaufmann hier u. Lina Adelheid Teichgräber in Waldheim. Gestorben: Am 25. Juli Jungfrau Hedwig Antonie Schubert hier, Tochter des Wirthschaftsbes. Heinrich Ernst Schubert, 22 I. 9 M. 23 T. alt, welche am 28. Juli beerdigt werde» soll.