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Rabenauer Anzeiger : 12.07.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-07-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id178001192X-190007123
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id178001192X-19000712
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-178001192X-19000712
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Deutschen Stuhlbaumuseums Rabenau
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Rabenauer Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-07
- Tag 1900-07-12
-
Monat
1900-07
-
Jahr
1900
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Die Wirren i« China. Die durch die chinesischen Meldungen neuerdings ge nährte Hoffnung, daß die Fremden in Peking vielleicht doch noch am Leben sein möchten, stützt sich in erster Linie auf die Haltung des Prinzen Ching, der sich dem fremden feindlichen Treiben der Boxer widersetzt. So gering die Zuversicht auch ist, daß ohne die schleunigste Hilfeleistung seitens der Verbündeten Truppen in der Hauptstadt noch etwas gerettet werden kann, so klammert sich doch an diese letzte Möglichkeit der heiße Wunsch der ganzen Welt, daß ihr die furchtbare Katastrophe erspart bleiben möge, die sie bereits auf Grund unzweifelhaft klingender Meldungen als vollendete Thatsache anzusehen begonnen hatte, lieber Prinz Ching selbst sei mitgetheilt, daß er gegenwärtig noch an der Spitze einer 10 000 Mann starken Mandschu- Garnison steht, die anfänglich ca. 20 000 Mann betrug, durch Desertion indessen um die Hälfte verringert wurde. Falls die Kaiserin - Wittwe noch lebt, würde sie jetzt, wo Prinz Tuan als Usurpator zu ihrem schlimmsten Feinde geworden, auf Seiten Chings stehen. Wie weit man einer neuesten Nachricht Glauben schcnken kann, nach welcher die Kaiserin am 30. Juni die Regierungsgewalt wieder übernommen habe, Jung-lu zum Premierminister ernannte und einen Boien, welcher 100 Meilen täglich zurücklegte, nach Nanking sandte, um den Vice königen der Jangtse-Provinzen für ihre Treue zu danken und ihnen zu empfehlen, die Fremden um jeden Preis zu schützen, muß auf unbestimmte Zeit dahingestellt bleiben. Auf das Gros der Meldungen aus China, besonders aus Peking ist kein Verlaß. Liegt doch heute eine Be nachrichtigung vor, daß die Mitglieder der russischen Ge sandtschaft in Peking auf das Grausamste gemartert worden seien, ehe man sic tötete. Sie seien zuerst mit kochendem Wasser begossen worden, dann habe man ihnen die Köpfe abgeschlagen. Gleichzeitig hiermit wird aber von anderer Seite versichert, daß sich die Gesandtschaften noch hielten und durch die von Prinz Ching geführten Truppen von Neuem verproviantirt wurden. Sichere Meldungen über die wahre Lage in Peking werden eben erst bekannt werden, wenn der Entsatz gelungen ist. Viel für sich hat die Annahme, daß der Fremdenhaß der Boxer sich allmählich in gewöhnliche Raub- und Mordgier verwandelt hat, in Peking von Angriffen ans die Legationen mehr und mehr abgelassen wurde und sich die Boxer durch Brandschatzung der chinesischen Läden und Waarenhäuser schadlos hielten. Für diese Meinung spricht es, daß im Chinesenviertcl Pekings die Boxerhorden durch Brandstiftungen und Plünderungen entsetzliche Ver wüstungen angerichtet haben. Die Fremden Pekings selbst sollen übrigens von einem stark befestigten Prinzenpalast Besitz ergriffen haben, welcher der britischen Gesandtschaft gegenüber liegt und sie beherrscht. Wer die Pekinger Kaiserpaläste von Bildern her kennt, muß zugeben, daß ein besserer Vcrtheidigungsort nicht denkbar ist. Ueber die militärische Lage liegen Nachrichten nicht vor, welche eine nennenswerthe Besserung der Verhältnisse erkennen ließen. Allerdings treffen beständig neue Truppen- Abtheilungen in Taku ein, aber es fragt sich doch, ob diese bei den schwierigen Trausport-Verhältnissen in der gebotenen kurzen Zeit gerade dort Verwendung finden können, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Auch fehlt es an bestimmten Nachrichten über die Stärke und Bewegungen des Gegners, sodaß die fremden Befehlshaber bis zu einem gewissen Grade noch bei ihren Anordnungen im Dunkeln tappen. Ein zusammenfassendes Bild von den letzten Kämpfen in Tientsin entwirft ein 'Telegramm, wonach eine Abtheilung von 80o Japanern, die am 30. Juni in Tientsin eintraf, die fremde Garnison auf 8300 Maun brachte. Die vor Tientsin noch stehenden chinesischen Truppen wurden gleichzeitig aus 18 000 Mann veran schlagt. Ende voriger Woche fanden heftige Kämpfe um Tientsin statt. Schon am 4. Juli Nachmittags machten die Chinesen einen Angriff auf die nördlichen Befestigungen der Fremden - Niederlassungen. Obwohl die Gewalt des feindlichen Anpralls durch einen Wolkenbruch an Kraft verlor und die Angreifer vor Einbruch der Nacht zurück- geschlagen wurden, erlitten die vereinigten Truppen einen Gesammtverlust von 30 Mann an Todten und Verwunderen, lieber 15» Geschosse gingen innerhalb des Fremdenviertels nieder. Viele Häuser wurden theilweise zerstört, cs sind aber nur wenige Menschcnverluste zu beklagen. DieEivil- personen, Frauen und Kinder, erhielten den Befehl, in den Kellern der Stadthalle und des Astor-Hotels Schutz zu suchen. Drei Kompagnien japanischer Infanterie mit einer Gebirgsbattcrie und einige russische Schützen griffen die chinesischen Geschütze an, jedoch mit geringem Erfolg. Ein Zwölfpfünder vom Kriegsschiff „Terrible" trat darauf bei der Eisenbahnstation in Thätigkeit. Die Chinesen nahmen ihn unter Feuer und trafen ihn mit zwei Geschossen, wo durch die Lafette leicht beschädigt und ein Matrose ver wundet wurde. Das Geschütz wurde zurückgezogen und durch ein französisches ersetzt. Das nächste chinesische Ge schoß platzte mitten in der Geschützaufstelluug und ver wundete drei Mann von der Bedienung. Der größere Theil der Frauen und Kinder der Europäer hat Tientsin verlassen und geht über Jongten nach Schanghai oder fährt auf dem Paiho nach Taku. Obwohl seit ö. Juli weitere Verstärkungen für die vereinigten Truppen eingetroffen sind, darunter 340 Mann französischer Marine-Infanterie, so daß die Gesammtstärke der Garnison bereits am 7. Juli 7500 Mann betrug, wird ernstlich daran gedacht, den Ort preis zugeben. Einzige Rettung erhofft man von 13000 Mann Japanern, die Anfang nächster Woche in Taku landen und sofort nach Tientsin abgehen werden. Es heißt, daß zur Verstärkung der Tientsin bereits belagernden chinesischen Armee 2 Generale, der eine mit 10 000 Mann, der andere mit einer Armee von unbekannter Stärke, auf dem Wege von Peking her auf Tientsin Vorrücken. In der Provinz Schantung ist die Gährung im Steigen begriffen. Der Gouverneur dieser Provinz hat dem Vicekönig von Nanking gemeldet, wenn die Fremden die Ruhe nicht binnen 14 Tagen wiederherstellen könnten, werde es unmöglich sein, eine allgemeine Erhebung auch in Schantung zu verhindern. Die im Innern der Provinz lebenden Missionare sind mit den ihrigen nach Kiautschou entflohen, selbst dies gilt aber nicht mehr als absolut sicher, seit der starken Truppensendungen von dort nach Taku. In vielen Orten Schantungs erscheinen in zu nehmender Menge Plakate, die zur Ermordung aller Christen auffvrdern. In einem Bezirk erpreßten die Boxer 350 Pfund Sterling, sonst wollten sie alle chinesischen Christen niedermetzeln. SiichMes. — Nacb wochenlangem schlechtem Wette r scheint endlich Petrus ein Einsehen gehabt zu haben und läßt nunmehr die Sonnewieder vom leichtbewöltenHimmelHerab scheinen. Es war aber auch höchste Zeit, gefiel sich doch der diesjährige Hochsommer sogar in Winterscherzen. Aus Bayern, Elsaß-Lothringen und Oesterreich werden nicht blos Regen, Kälte, Gewitter und Nebel, sondern regelrechte — Schneefälle gemeldet. Die Meldungen aus Bayern lauten : In den Bergen schneit es. Auf dem Hirschberg lag Morgens eine Schneedecke von 1 Centimeter Höhe, dabei herrschte sowohl am Hirschberg als auch am Wendelstein Frost. (Minus 0,2 bzw. Minus 1,2 Grad.) Die Tagestemperaturen erhoben sich nirgends über 15 Grad. In Tegernsee wurden nur 10, in Partenkirchen 12 Grad erreicht. — Aus Straßburg wird mitgetheilt: Die Tem peratur ist letzter Tage in ganz Elsaß-Lothringen anormal gesunken. Nachmittags 2 Nhr trat in dem Vogesen städtchen Rappolsweiler leichter Schneefall ein. — In Innsbruck ist nach mehrtägigem Regen am 8. V. M. eine sehr starke Abkühlung eingetreten und früh zeigten sich die Berge ringsumher in dem blendendweißen Gewände frisch gefallenen Schnees — für die fremden Gäste ein über raschender, prächtiger Anblick. Aus dem Patscherkofel, wo jetzt die Alpenrosen blühen, liegt das Kaiser Franz Josef- Schutzhaus (1970 Meter) ganz im Schnee. Am weitesten reicht die Schneedecke in der Solsteinlette herab, wo die Höttingeralpe (1450 Meter) noch schneebedeckt ist. — Vom 19. (zweiten königlich sächsischen) Armee - corps werden vier Offiziere und 203 Unteroffiziere und Mannschaften, die sich freiwillig gemeldet haben und als tropenfähig befunden worden sind, der zweiten nach Chiua zu entsendenden, aus einer gemischten Brigade bestehenden Expedition zugctheilt werden. Die Zeit der Abreise wird telegraphisch bestimmt werden. — Die Vorstände und Delegirten der zu einer Vereinigung zusammengetretenen Ortskranken kassen Sachsens hatten sich am Montag zur Abhaltung ihrer diesjährigen Hauptversammlung in Leipzig ein gefunden. Aus dem Berichte der wirthschaftlichen Er gebnisse der Freien Vereinigung für 1899 geht hervor, daß die Zahl der der Vereinigung angehörenden Kassen auf 152 zurückgegangen ist. Die Zahl der Mitglieder der einzelnen Kassen dagegen ist wiederum gestiegen. Die Einnahmen der Kassen an Beiträgen sind um 511000 Mk. oder 29 Pf. pro Mitglied gegenüber 1898 gestiegen und betragen bei den 140 Kaffen, welche genaue Berichte eingesandt hatten, 8 989 207,74 Mk. oder 19.97 Mk. pro Mitglied. An Arzt-Honorar gaben die Cassen i 973 821.27 Mk. oder 4.38 Mk. pro Mitglied aus, das ist gegenüber 1898 ein Mehraufwand von 201000 Mk. oder 27 Pf. pro Kopf. Für Arzenei und sonstige Heilmittel wurden 1 252 193.29 Mk. oder 2.78 Mk. pro Mitglied ausgegeben, das sind 148 037.85 Mk. gleich 22 Pf. pro Mitglied wehr als im Vorjahre. Die erwähnten Ausgaben sind in den letzten Jahren ständig gestiegen. Die Erkrankungs fälle haben sich 1899 sehr vermehrt, auch die Dauer der Krankheit hat zugenommen. Das alles hat bewirkt, daß die meisten Kassen sehr ungünstige Abschlüsse zu verzeichnen haben. 45 Kassen hatten 148 044.73 Mk. Fehlbetrag und 95 Kassen hatten 455 214. 89 Mk. Ueber- schuß. (1898 betrug der Fehlbetrag nur > 6 496 Mk-, der Ueberschuß aber hat sich gegenüber >898 um 601 043 Mark 29 Pf. vermindert.) Das Gesammtvcrmögen der I4o Kassen betrug nicht ganz 7^ Millionen Mark. — Was die Besorgung der Geschäfte der Jnpaliden- vcrsicherung betrifft, so wurde wieder festgestellt, das fast alle Kassen mit Fehlbeträgen abschließen. Abg. Fräßdorf- Dresden sprach über die Einschränkung der Selbstverwaltung der Krankenkassen, wie sie der preusische Geh. Regierungs- rath Hoffmann entworfen und ausgearbeitet hat. — Wie aus letzter Nummer bekannt, wurde der durch seine idealen Bestrebungen bekannte Naturprediger Johannes Guttzeit in St. Peter bei Görz ver haftet. Es geschah dies eine Stunde nachdem er von einer monatelangen Reise heimgekehrt war. Guttzeit wurde zu drei Monaten Gefängniß eingezogen, die er jetzt zu verbüßen hat, und läßt während dieser Zeit Weib und Kind mittellos zurück. — Die diesjährige ordentliche Generalversammlung der König Friedrich August-Hütte in Potschappel, welche Dienstag Vormittag >. 0 Uhr in der Dresdner Bank stattfand, war von 5 Aktionären besucht, welche 878 Aktien vertraten. Die Versammlung genehmigte den Geschäfts bericht, ertheilte den Verwaltungsorganen einstimmig Ent lastung und beschloß gegen die vereinzelten Stimmen eines Aktionäres, weicher mit den reichlich bemessenen Rückstell ungen nicht einverstanden war, die Vertheilung einer Dividende von 12 Proz., welche außer bei der Gesellschafts kasse bei der Dresdner Bank und Herren Gebr. Arnhold sofort zahlbar ist. Wie seitens der Direktion mitgetheilt wurde, hat die Gesellschafe in den Rohmaterialien den Bedarf des laufenden Geschäftsjahres zu günstigen Preisen ' abgeschlossen. — Die diesjährige 10. Jahresfeier des Bethlchcm- I stiftes mit dem Chemnitzer Genesungsheim im Hüttengrund ' b. Hohenstein-E. galt gleichzeitig der Weihe eines 22 Meter langen, neu aufgcführten Mittelbaues zwischen Knaben- und Mädchenhaus. Aus dem zur Verlesung gekommenen Geschäftsbericht war zu entnehmen, daß sich gegenwärtig m dem Stifte N1 Kinder, und zwar aus Chemnitz 57, Dresden 12, Potschappel 10, Döbeln 6, Leipzig und Mittweida je 4 befinden. Das Genesungsheim hat gegen wärtig 49 Personen als Pfleglinge (Frauen). — In Böhmen passiren gar wunderliche Dinge; das hat auch der freiwillige Kirchenchor der Martin Luther- Gemeinde in Dresden gelegentlich eines Ausfluges am 30. Juni nach Aussig erfahren. Der genannte Chor wollte daselbst ein Cvncert geben, dessen voller Ertrag dem Bunde der Deutschen zufiießen sollte, und ließ dies durch Maueranschlüge bekannt geben. Die Ankündigung hieß ursprünglich: Einladung für das große Gesaugs- concert, ausgesührt von dem freiwilligen Kirchenchor der Martin Luther-Gemeinde in Dresden, und nun war zu lcseu: Großes Gesangs-Concert, ausgesührt von über hundert Sängern und Sängerinnen eines hervorragenden Dresdner Kirchenchvres. Der Name Martin Luther mußte auf Veranlassung der k. k. Bezirkshauptmannschaft beseitigt werden, denn es hätte ein katholischer Geistlicher aus einen Zusammenhang mit der Los-von-Rom-Bewegung schließen können. — „Die Dame von Maxim", die jüngste Novität des Dresdner Residenz-Theaters, darf sich in Köln keines langen Daseins freuen. Nachdem im dortigen Sommer- Theater das Stück erstmalig mit großem Erfolg in Scene gegangen war, brachte die „Kölnische Zeitung" einen ent rüsteten Artitel gegen die Tendenz des Schwankes. Tags darauf that dasselbe die „Kölnische Volkszeitung" und wurde infolgedessen dem Theater-Direktor vom Polizei- Präsidenten die Aufführung nnr noch auf kurze Zeit ge stattet. Bereits vor der Premiere hatte der in Köln wohnhafte Abgeordnete Roercn gegen die Aufführ ung bei der Polizeibehörde protestirt. allerdings zunächst erfolglos. Die Direktion und die Mitglieder werden die „Volkszeitung" verklagen, welche das durchaus künstlerisch geleitete Sommertheater einen „Schweinestall" nennt. — Der „Gasthof zur kalten Ruhe" in Scidcwitz hat nunmehr wieder seine Pforten gastlich geöffnet, nach dem das Anwesen von seinem Vorbesitzcr vor einigen Mo naten schnöde verlassen und dem Schicksal preisgegeben worden war, infolge dessen eine Schließung der Schank stätte erfolgen mußte. Damit ist nun ein sehnlicher Wunsch der Seidewitzer in Erfüllung gegangen, denn man darf wohl kaum annehmen, daß mit der Verwaisung der ein zigen Schankstätte im Orte auch der Durst der Seidewitzer erloschen gewesen wäre, und so mußten sic immer einen größeren Weg machen, wollten sie zur Tränke gehen. — Wie auf den meisten ländlichen Ortschaften der Altenberger Gegend, so ist auch in Zinnwald der Nachtpolizeidienst derart eingerichtet, daß die männlichen Einwohner der Reihe nach diesen Dienst verrichten müssen. Von dieser Anordnung hat sich nun auch der Bürgermeister nicht ausgeschlossen, sondern verrichtet ebenso wie alle die andreren Gemeindemitglieder, wenn die Reihe an ihn kommt seinen Nachtpolizeidienst. Gewiß ein einzig da stehender Fall. — Ein merkwürdiges Nistplätzchen hat sich in Weißenborn ein Schwalbenpaar ausgesucht, nämlich den oberen Kranz einer Zughängelampc in der Wohn stube. Die Vögel lassen sich durch die Bewohner in keiner Weise stören. - Die Leidensgeschichte eines Kindes entrollte eine Verhandlung, die am Freitag vor dem Landgerichte in Chemnitz stattfand. Angeklagt war der Posamentier Carl Ottomar Pollmer aus Geyer, Pollmer heirathctc 1889 die Tochter des Posamentiers Schr. in Geyer, doch war die Ehe nicht glücklich, so daß es oft zu Streit und schließlich auch zu Thätlichkeitcn kam. Nach einem solchen Streit, der sich um 5 Pfg. entspannen hatte, ging die junge Frau mit verbundenen Augen ins Wasser und fand darin den Tod. Hierauf zog Pollmer mit seinen 4 Kindern zu seinen Eltern. Als zwei der Mädchen, darunter die am 26. Januar >896 geborene Gertrud, schließlich von dort wieder fort und zu den Eltern ihrer verstorbenen Mutter kamen, waren sie nicht nur mit Ungeziefer bedeckt, sondern, die kleine Gertrud, die zu Lebzeiten ihrer Mutter ein durch aus normales Kind war, war auch körperlich herabgekommen. Veranlaßt durch allerlei Drohungen und üble Nachreden seiten Pollmers ließen sich die Großeltern bewegen, die beiden Mädchen dem Pollmer wieder zurückzugeben. Im April be schäftigte sich die Behörde mit der kleinen Gertrud. Vom Stadtrathe wurde ein Arzt beauftragt, das Kind zu unter suchen. Pollmer setzte dieser Untersuchung Widerstand ent gegen. Der Arzt fand schließlich das Kind in einem entsetzlichen Zustande. Es war geistig und körperlich heruntergekommen, furchtbar abgemagert und machte den Eindruck eines 1—l^/s jährigen Kindes. Der Rücken war stark gekrümmt, die Brust spitz zugehend und der Kopf tief zwischen die Schultern gesunken. Dies waren Zeichen einer vernachlässigten rhachitischcn Krankheit. Anders war es mit den gebrochenen Gliedern, denn das Kind hatte einen Bruch des linken und rechten Unterarmes und einen solchen des linken Unterschenkels aufzuweisen. Die Brüche waren nicht eingerichtet worden und verwachsen, so daß das Kind vollständig verkrüppelt war. Auch die Ver knorpelungen an den Rippen ließen Brüche vermuthcn. Das Kind litt offenbar große Schmerzen, denn cs schrie, wenn man es anfaßte. Im Gesicht war es vollständig abgezehrt und machte einen greisen Eindruck. Als Pollmer die Herausgabe des einen bestialischen Geruch verbreitenden Kindes verweigerte, wurde es ihm vom Gerichtsvollzieher gewaltsam weggenommen und zu den Großeltern gebracht. Von hier kam es in die orthopäische Anstalt des Dr. med. Schanz in Dresden. Als man dort das Kind fragte, wer es geschlagen habe, anwortete es: „Papa l und Hertha". Die Letztere ist eine Schwester des An- I geklagten. Bezeichnend für den damaligen Zustand des ' Kindes ist, daß man demselben in der Kinderheilanstalt in
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