Volltext Seite (XML)
Beginns angeknüpft. - Im kontrastierenden zweiten Satz (Andante), einem graziösen, lyrisch transparenten Intermezzo, sind Harfe und Soloflöte Hauptträger des musikalischen Ge schehens, das sich ganz linear entfaltet. — Nach kurzem akkordischen Zwischenspiel folgt ohne Pause das Finale (Con moto), in dem Klavier und Harfe in den Orchesterklang eingefügt sind. Hier walten eminente rhythmische und dynamische Energien. Charakte ristisch sind vor allem ein Fanfarenmotiv und die Erinnerungen an das Andante. Nach mächtiger Klangentladung beginnen Posaunen und Klavier ein eigenwilliges Fugato. Eine Coda mit dramatischer Stretta steht am Schluß. Jenseits der „ungezügelten Flammen“, der dynamischen Üppigkeit, die in der Musik des jungen Strawinsky begegnen, liegt das Imponierende der Psalmen-Sinfonie für gemischten Chor und Orchester in der kühl-sachlichen Geschlossenheit, in der archaischen Größe des Werkes, das, ein Prototyp beherrschter neuer Klassizität Strawinskys eher Prägung, heute bereits klassische Gültigkeit besitzt. Das 1930, im 48. Lebensjahr des Komponisten, ge schaffene Werk ist dem Bostoner Sinfonieorchester aus Anlaß seines 50jährigen Bestehens gewidmet. Strawinsky beabsichtigte, im Aufbau der Sätze eine Ordnung zu bewahren, „durch welche sich die Sinfonie von der Suite unterscheidet“. Außerdem war es sein Wunsch, eine Komposition zu schaffen, die „weder die Rolle des Chores auf einstimmigen Gesang, noch die des Orchesters auf reine Begleitung beschränkt“. So entstand ein dreisätziger Zy klus mit großer kontrapunktischer Entwicklung, der musikalisch-stilistische Elemente vom griechisch-orthodoxen Kirchengesang, der Barockmusik bis hin zum 19. Jahrhundert in unerhört persönlicher, beeindruckender Weise vereint. Die textliche Grundlage bilden Verse aus dem 38. und 39. Psalm sowie der 150. Psalm der Vulgata. Der erste Satz (Präludium) äußert - entsprechend dem zugrundeliegenden Text - die Bitte um himm lische Barmherzigkeit, der zweite (Doppelfuge) die Dankbarkeit für erwiesene Gnade, der dritte (Allegro) ist eine Hymne zum Lob und Ruhm Gottes. Die Orchesterbesetzung besteht aus verstärkten Bläsern (keine Klarinetten), Celli und Kontrabässen (keine Vio linen und Bratschen), zwei Klavieren, Harfe und Schlagzeug. „Der erste Satz ist auf zwei kontrastierenden Themen auf gebaut: Das erste ist dramatisch, mit scharfen Sforzando-Akkorden des Orchesters, die sich mit unruhigen, aber gleichmä ßigen Achteln in Oboe und Fagott abwechseln, das zweite besteht aus strengen, in Se kunden geführten Klagen des Chores über einer ostinaten Baßgrundlage: Exaudi orationem meam, Domine“ (B. Jarustowski). Der zweite Satz beginnt mit einer vierstimmigen Fuge der Holzbläser in c-Moll. Der einsetzende Chor („Exspectans exspectavi Dominum“) stimmt eine weitere Fuge in Es-Dur an. Beide Themen werden zu einer Doppelfuge ver arbeitet. Bei einer späteren Engführung der Chorfuge schweigt das Orchester. Nach ver schiedenster kontrapunktischer Verarbeitung der beiden Themen verklingt der Satz leise. Feierlich, orgelartig verkündet der Chor im dritten Satz das „Alleluja“ und „Laudate“. Nach dieser Einleitung schaffen charakteristische, erregte Achtel-Repetitionen des Allegro- Teiles einen Höhepunkt, der wieder abklingt. Nach einem neuerlichen, machtvollen Höhe punkt greift die Entwicklung auf die langsame Einleitung zurück, um dann wieder das thematische Material des Allegrobeginns zu verarbeiten. Ein ruhiger Fugatoteil leitet zur Coda über, in der über einem 42taktigen Ostinato (Klaviere, Harfe) die Sopranmelodie schwebt, während sich die übrigen Chorstimmen fast nur in Sekundschritten bewegen. Mit dem „Alleluja“ und dem „Laudate“ verklingt das Werk. Dr. Dieter Härtwig VORANKÜNDIGUNG: 11. und 12. März 1967, jeweils 19.30 Uhr, Kongreßsaal 12. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Ude Nissen, Erfurt Solist: Helmut Roloff, Berlin, Klavier Werke von Siegfried Matthus, Robert Schumann und Johannes Brahms Freier Kartenverkauf Programmblätter der Dresdner Philharmonie - Spielzeit 1966/67 - Künstlerischer Leiter: Prof. Horst Förster- Redaktion: Dr. Dieter Härtwig Druck: Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden, Zentrale Ausbildungsstätte 40459 III 9 5 1,2 367 It G 009/10/67