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Nabemuer Anzeiger Erscheint Dienstag, Donnerstag u. Sonnabend. Abonnementspreis einschließlich der illustrirten Beilagen „Gute Geister" u. „Zeitbilder" sowie des illustr. Witzblattes „Seifenblasen" 1,50 Mk. Zeitung fir WM, SeisrMrs, Inserate kosten die Spaltenzeile oder deren Raum 10 Pf., für auswärtige Inserenten 15 Pf. Tabellarische Inserate werden doppelt berechnet. Annahme von Anzeigen für alle Zeitungen. Groß- und Kleirrölsa, Obernaundorf, Hainsberg, Somsdorf, Coßmannsdorf, Lübau, Borlas, Spechtritz re. Mit verbindlicher Publikationskraft für amtliche Bekanntmachungen. Nummer 74. 13. Jahrgang. Dienstag, den 26. Juni 1900. Ans Nah und Fern. — Gewissermaßen als Vorfeier seines Jubelfestes veranstaltete der „Vorwärts" am Sonnabend im „Sängerheim" einen Commers, bei welcher Gelegenheit dem seit ca. 18 Jahren als Vereinsvorstand fnngirenden Herrn Geißler in Anbetracht seiner verdienstvollen Thätigkeit eine werthvolle silberne Ankeruhr mit Chronograph über reicht wurde. — „Frisch, fromm, fröhlich, frei!" lautete der Text, dm der Herr Diakonus Ludwig aus Potschappel seiner Festrede zu Grunde legte, welche derselbe bei dem 25 jährigen Jubiläum des Turnvereins „V v r wärt s" am 24. d. M. auf dessen Turnplatz hielt. Und diesen Worten entsprechend verlief auch das schöne Fest, das anfangs zwar von drohendem Gewölk umlagert war, jedoch mit Hülfe eines heftigen Sturmes brach sich nachmittags die Sonne siegreich Bahn und blickte freundlich lächelnd auf die festliche Versammlung hernieder, die sich auf dem Turnplatz Ungesunden hatte, nachdem bereits früh 6 Uhr durch einen Weckruf der feierliche Tag eingeleitet worden war. Der Empfang der geladenen Vereine und Ehrengäste vollzog sich programmgemäß und nach einer Ansprache des Vorsitzenden Herrn Geißler, be grüßte der Herr Bürgermeister Wittig im Namen der Stadt die zahlreich Erschienenen, indem er mit einem jubelnd auf genommenen Hoch auf Se. Majestät den König schloß, worauf Herr Diakonus Ludwig die bereits erwähnte markige Festrede hielt, welche einen tiefen Eindruck hinterließ. Hierauf vollzog sich die Uebergabe der von den Vereinen dem Jubilar gewidmeten Geschenke, unter denen sich höchst werthvolle Gegenstände befanden, wie z- B. ein kostbares Bandolier, ein prächtiges Fahnenband, ein Paar glänzende Parade schläger, ein elegantes Tintenfaß, eine Prästdentenglocke und viele für die Vereinsfahne bestimmte Nägel in Gold und Silber, wofür Herr Schuldirektor W.yngärtner den Der mysteriöse Reisegefährte. Ein Geheimniß und seine Entdeckung von Rivin gton Pyke. lAachdruU »eivolen.) Mr. Southern hatte etwas so Ruhiges und Bestimmtes in seiner Sprache und seinem Wesen, daß Mrs. Broadhurst sich ganz von ihm beruhigen ließ; ihre Sorge verschwand wie Nebel vorder Sonne. Glücklicherweise hörte sie nicht die Bemerkungen, die man im Nebenraum über das Unglück machte. „Es ist doch der Cvurierzug, der völlig zertrümmert ist?" sagte der erste Unterbeamte. Mr. Southern nickte nur traurig. „Wenn er mit dem gekommen ist, wie sie behauptete" — „Dann liegt er unter den Trümmern!" ergänzte Söul Hern den Satz. „Wäre es nicht barmherziger gewesen, die Frau schon heute aus die Möglichkeit eines Unglücks vorzubereiten?" „Nein, nein," sagte Southern, sie wird schon früh genug die traurige Gewißheit erfahren." 2. Der Bahnsteig in Gulbh war gedrängt voll von Menschen, die ungeduldig an dem kalten nebeligen Winter abend die Durchfahrt des 6 Uhr 25 Min. fälligen Conricr- zuges erwarteten. Schon zeigte die Uhr 6 Uhr 30 Min., >md noch war nichts von dem Zuge zu sehen; die Ver spätung erklärte sich durch den dicken Seenebel, der auf der ganzen Linie lag. Endlich sah man die gelben Lichter sich mit Geschwindigkeit dem Knotenpunkt nähern — ein Rufen: „Zurück," pfeifen — rollen — schnauben — und vorbei gisste der Zug. Nun lief der Lokalzug langsam, bedächtig sm, ähnlich einem rheumatischen Manne, der vergeblich ver sucht, es einem Schnellläufer gleich zu thuu. Die Passagiere stiegen ein — eben wurde das Abfahrtssignal gegeben, als man in der Ferne rothe Lichter, das bekannte Signal eines Unglücksfalls, auftauchen sah. Auf unerklärliche Weise waren einige Güterwagen auf deu falschen Schienenstrang gerathe», und der in voller Fahrt befindliche Cvurierzug War nun mit der ganzen Gewalt eines solchen Kolosses auf dieselben aufgefahren. Der Stationsvorsteher ließ nur einen Gepäckträger in Gulbh zurück und stürzte mit all seinen Beamten und einem Theil der Reisenden nach der Uuglücksstätte hin. Dort angelangt, vermochten sie zuerst bei der durch den Nebel verstärkten nächtlichen Dunkelheit nichts zu übersehen, nur Stöhnen und Aechzen drang an ihr Ohr, und trotz der mitgebrachten Laternen konnten sie kaum ihren Weg durch die aufeinander gehäuften Trümmer finden. Die Lokomotive halte ihre letzte Reise gemacht, als ein formloses Wrack Dank des Vereins mit herzlichen Worten aussprach, worauf noch der anwesende Herr Gauvertreter Richter eine zündende Ansprache hielt. Hierauf begann das Turnen, wobei die Mitglieder des „Vorwärts" dem zuschauenden Publikum Gelegenheit gaben, ihre gediegenen turnerischen Leistungen höchst anerkennend zu beurtheilen. Nach 5 Uhr stellte sich der von der Ortsbehörde und sämmtlichen geladenen Ver einen begleitete Festzng auf uud bewegte sich durch die festlich geschmückte Stadt nach der König Albert-Höhe, wo selbst sich alsbald ein fröhlicher Ball entwickelte. Dem Jubel verein aber wollen wir von Herzen wünschen, daß es ihm immerdar vergönnt sein möge, den Eingangs erwähnten Turnerspruch auf sich volle Anwenduug finden zn lassen. — Jin Handelsregister des Amtsgerichts Tharandt ist am 20. dss. Mts. die Firma Adolph Brückner in Rabenau und als deren Inhaber der Kaufmann Herr Alfred Brückner in Dresden eingetragen worden. — In der Werkstatt des Herrn Keller hier kam der Stuhlbauer Fleischer aus Deuben beim Abrichten zu schaden und mußte sich iu ärztliche Behandlung begeben. — Ein schreckliches Ende nahm am Donnerstag Abend eine fidele Kindtaufsfuhre in Weißig. Nachmittags fuhr der einspännige Amercain des Bergarbeiters und Hausbe sitzers Evert den Täufling des Modelltischlers Henker, die Hebamme Schubert und die Pathcn: Großvater Henker, Großvater Petermann (beides Berginvaliden). Gastwirth Pfötchen und Bäckermeister Friedrich nach Döhlen zur Kirche. Nach der kirchlichen Handlung unternahm die Gesellschaft in fröhlichster Stimmung eine Spazierfahrt durch Deuben uud Hainsberg und gelangte schließlich froh und heiter in Weißig wieder an, wo das Geschirr in schärfster Gangart die nach Uuterwcißig führende, ziemlich steil ab fallende Straße passirte. Kurz Vorm Ziele kam der eine kurze Strecke auf den linksseitigen Rädern laufende Wagen zum Umstürzen, während das davonstürmende Pferd unbe lag sie quer über den Schienen — die Post und der nächste Wagen waren von den Schienen geworfen und völlig in einander gerannt; zum Glück für die übrigen Waggons hatte sich die Koppelung gelöst, uud, wenn auch beschädigt, so standen sie doch noch auf den Schienen. Der Stationsvorsteher leitete die Arbeiten mit größter Umsicht — er telegraphiere sofort nach Aerzten, sperrte die Linie und sorgte dafür, daß die Verwundeten, die man aus den TUünmern befreien konnte, auf schnell hergestellten Tragbahren in Sicherheit gebracht wurden. Während dieses allgemeinen Durcheinanders ereignete sich ein Vorfall, dem man <n der Aufregung keine Beachtung schenkte, der sich aber nachher als von größter Wichtigkeit erwies. Auf dem nassen Grase, an einem Abhange, saß ganz apathisch ein Herr, augenscheinlich ein Reisender aus dem verunglückten Zuge, in langem dunkelm Ueberzieher, zer drücktem seidenem Hute und mit einer schwarzen Reisetasche neben sich. Man merkte auf den ersten Blick, daß er zu den weniger Verletzten gehörte. Der Inspektor war gerade dabei, die Namen der Getödteten, Verwundeten und der Personen festzustellen, die Eutschävigung von der Bahn verlangen würden, als er den eben erwähnten Herrn bemerkte und ihn fragte: „Kommen Sie auch mit dem Zuge?" Der Angercdete nickte träumerisch. „Wo wollen Sie hin?" Der Fremde zeigte sein Billet, es lautete nach Widdon über Preston. „Sie werden in einer halben Stunde fahren können, dann kommt ein Zug, um die Fahrgäste weiter zu befördern." Der Herr schien nicht zu hören. Der Inspektor leuchtete ihm mit seiner Laterne ins Gesicht. „Doch ein wenig verletzt?" fragte er. Der Fremde schüttelte den Kopf: „Ich werde nach Manchester fahren; wann geht der nächste Zug?" Der Vorsteher wurde durch diese Frage in der Ansicht bestärkt, daß der Fremde eine Gehirnerschütterung erlitten, denn es war doch undenkbar, daß ein Mensch, der im Besitz seiner fünf Sinne war, nach Manchester, welches ganz östlich lag, reisen wollte, wenn er eine Fahrkarte in der entgegen gesetzten Richtung besaß und noch dazu bereits "/2Ü seiner Reise nach Widdon vollendet hatte. Er glaubte aber kein Recht zu haben, ihn von seinem Vorhaben zurückzuhalten, und antwortete daher ganz höflich: „Das kann ich Ihnen nicht sagen, denn das Bahupersoual ist vollständig aufge rieben, und es ist daher fraglich, wann ein Zug nach der schädigt vor seiner Stallung anlangte. Bei dem Sturze hat der 63 Jahre alte Petermann leider so schwere Ver letzungen am Gesicht und innerlich davongetragen, daß er, nachdem man ihn in die nahe Restauration zum Bergkeller getragen hatte, bald darauf verstarb. Seine Kleidung war stark mit Blut getränkt. Dem Großvater Henker wurde das Fleisch von einer Hand abgeschürft, fodaß die Sehnen blos lagen. Auch erlitt er noch andere Verletzungen. Der Gastwirth Pfötchen trug Verletzungen am Kopse davon, auch klagte er über Schmerzen in der Seite. Bäckermeister Friedrich, welcher sich durch einen gewagten Sprung rettete, hatte fast keine Beschädigungen erhalten. Der Geschirrführer Edert mußte von dem schleunigst herbeigerufenen Arzte, Herrn vr. Kreßner-Deuben, am Kopfe genäht werden und die Hebamme wurde ebenfalls am Kopfe beschädigt. Nur der in Betten wohl verwahrte Täufling spürte nichts von den Folgen des Sturzes. Große Blutflecken auf der Straße bezeichneten den tragischen Abschluß des so fröhlich begonnen- nen Kindtaufsfestes. — Gegen die Einführung der Krin 0 line, die angeblich demnächst ihren Einzug halten soll, macht ein Theil der Frauen mobil. Es zirkulirt in Berlin zur Zeit ein Aufruf „an die gebildeten Frauen Deutschlands," in dem die Gründe gegen die Auferstehung des Reifrockes znfammengefaßt werden. — 3000 Arbeiter der Maschinenfabrik der ungarischen Staatsbahn sind in den Aus st and getreten. Die Ursache des Ausstandes ist die Nichtbewilligung der ge forderten Lohnerhöhung. — Neue B a u e r nu n r u h e n sind in Bulgarien ausgebrochen und breiten sich besorgnißerregend aus. Die wohlhabende Bevölkerung flüchtet nach Rumänien, die nichts oder wenig besitzenden Bewohner müssen natürlich wieder alle Unbill und Opfer tragen. Richtung abgelassen werden kann. Wenn Sie aber durch aus uach Manche ster wollen" — „Nun, dann müssen Sie bis 8 Uhr warten." „Das geht — und von Manchester nach London? Wie gehen da die Züge? Kann ich morgen 6 Uhr früh in London sein?" Ec schien während des Gesprächs etwas klarer zu werden. Zurück nach London — so — so! Darum wollte er nach Manchester! Der Vorsteher bat ihn in Gedanken ab, ihn nicht für ganz zurechnungsfähig gehalten zu haben. „Oh ja," sagte er leichthin, „da giebt es viele Züge; der um Mitternacht wird Sie zu der gewünschten Zeit an Ihr Ziel bringen." Der Herr erhob sich etwas steif und sagte: „Danke, ich werde über Manchester fahren." „Wenn Sie nicht nach Widdon fahren, können Sie mir Ihre Fahrkarte geben." Der Fremde that dies sofort. „Haben Sie all Ihr Gepäck? Ist nichts beschädigt?" „Nichts außer dem Regenschirm und meinem Hut." Er betrachtete letzteren wehmüthig. „Sie selbst sind nicht verletzt? Beabsichtigen Sie irgend eine Entschädigung zu beanspruchen?" „Entschädigung beanspruchen?" rief der Reisende ganz erstaunt aus. „Entschädigung? Nein, gewiß nicht — wenigstens glaube ich nicht?" Der Beamte zuckte mit den Schultern; solche Groß- muth war ihm unbekannt. „Jedenfalls könnten Sie mir Ihre Adresse geben für den Fall, daß Sie Ihre Meinung noch ändern." Der Reisende strich, wie in Gedanken verloren, mit der freien Hand über die Stirn uno nickte dann zustimmend. „Wollen Sie Ihren Namen vielleicht selbst einschreiben? Hier ist das Dienstbuch." Der Herr nahm wie geistesabwesend das Buch, schrieb ein und murmelte dann: „Handschuh zu dick; vielleicht schreiben Sie für mich? Nun ich meine Hand gebrauchen will, merke ich, daß sie steif ist." Der Inspektor ergriff Buch und Bleistift: „Ihr Name, mein Herr?" „Walter Buckle," lautete nach momentanem Zögern die Antwort- „Walter Buckle; ja wohl, mein Herr,und welche Adresse?" Der Herr suchte aus seinem Ueberzieher eine Brief tasche heraus. „Hier ist mein Couvert; schreiben Sie die Wohnung ab." — Fortsetzung folgt- -—