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Omaner Alyeiger Erscheint Dienstag, Donnerstag u. Sonnabend. Abonnementspreis einschließlich der illustrirten Beilagen „Gute Geister" u. „Zeitbilder" sowie des illustr. Witzblattes „Seisenblasen" 1,50 Mk. ZkitllU sir WM, Stlsrrsdm's Inserate kosten die Spaltenzeile oder deren ' Raum 10 Pf., für auswärtige Inserenten 15 Pf. Tabellarische Inserate werden doppelt berechnet. Annahme von Anzeigen sür alle Zeitungen. Nummer 72. Donnerstag, den 21. Juni 1900. 13. Jahrgang. Sekaimtmachlmg. In Gemäßheit der Verordnung des Kgl. Ministeriums des Innern vom 8. April 1893, die Nachcüchung der Maaße, Gewichte, Waagen und Meßwerkzeuge betreffend, wird in hiesiger Stadt am 22. Juni Nachmittags, den 23., 25. und 26. Jnni dss. Js. Vor mittags Von 8—12 Uhr eine Nachaichung der von den hiesigen Gewerbetreibenden iin öffentlichen Verkehr benutz ten Maaße, Gewichte, Waagen und Meßwerkzeuge stattsiuden. Die Nachaichung wird im Rathhanse, 1 Treppe (links) vorgenommen. Jeder Gelverbtreibende, welcher Maaße, Gewichte Waagen oder Meßwerkzeuge im öffentlichen Verkehre benutzt, hat dieselben also in der oben angeführten Zeit, während welcher die Nachaichung für hiesige Stadt vorgenommen wird, dem Aichungsbeamten znr Prüfung vorzulegen. Zur Nachaichung derjenigen Waagen und Maaße, welche an ihrem Gebrauchsorte befestigt sind, wird sich der Aichungsbeamte an Ort und Stelle begeben. Die Besitzer solcher Aichgcgenstände haben dieselben aber vorher dem Aichungsbeamten anzumelden, der dann dw Zeit bestimmt, wenn die Nachaichung stattfindcn soll. Die Maaße, Gewichte, Waagen und Meßwerkzeuge, smd dem Ajch„„gsbeamten in reinlichem Zustande vvrzulegm. Andernfalls ist derselbe befugt, dieselben zurückzuwcisen. Werden nach Beendigung des Nachaichuugsgeschüftes Maaße, Gewichte, Waagen oder Meßwerkzeuge, welche das Nachaichungszeichen nicht tragen, bei einem Gewerbetreibenden ^gefunden, ohne daß er den Nachweis der später ausge- sührlkii Neuaichttllg zu erbringen vermag, so erfolgt dessen Bestrasnng nach H 369, Nr. 2 des Strafgesetzbuchs und außerdem die Neuaichuug oder uach Umständen die beschlagnahme und Einziehung der ungeaichtcn, nicht ge- stempellen oder unrichtigen Maaße, Gewichte, Waagen oder Meßwerkzeuge. Rabenau, am 19. Juni 1900. Der Bürgermeister. Wittig. Atts Nah mld Fertt. — Die Tage des Frühlings sind bald vorüber; lchon morgen wird er von uns scheiden und an seine Stelle der Sommer treten. Am 21. hat die Sonne ihren höchsten Ttand, den Gipfel ihrer Macht für unsere nördliche Erd- hülfte erreicht, und überall in Feld und Wald ertönen Jubel- überall prange» festliche Farben, überall wehen süße ^iisle. Der Sommer birgt reiche Gaben für uns in seinem shvoße. Ec bringt uns die holdesten Kinder der Mutter Zalur, die Blumen, und unter ihnen wieder ihre Königin, dw farbenprächtige, berauschend duftige Nvse; er deckt im Wald den Tisch für Groß und Klein und ladet zu fröhtichem ^frenschmause ein. Heute klingt die Sense des Schnitters ""l den Wiese», einen Monat später fallen schon die Aehrcn: arbeitreichste Zeit sür den Landwirth kommt. Der ^aatenstand ist bis jetzt ein vortrefflicher und berechtigt zu den besten Hoffnungen, wenn der Himmel paffendes Ernte wetter spe„oet - Z- In der letzten Sitzung der Amtshauptmannschaft Dresden-A. wurde dem Schankkonzessionsgesuche Heinrich D o r n s hier sür den Turnplatz für die Zeit des Stistungs- lestes staltgegeben. Genehmigung bezw. befürwortet wurde auch die Erweiterung des Verbandes des Elektrizitätswerkes Deuben auf die Städte Rabenau, Tharandt und die Landgemeinde Somsdorf. Bedingslvs genehmigt wurde u. A. die Dismembration bei Grundbuch 23 für Obernaundorf. " Die seit dem 17. Mai d. I. vermißte Dame aus v-hemnitz^die durch Dresdner und Chemnitzer Zeitungen mittels Signalement geselcht wurde, ist am Sonntag Nach- nutlag- gegen 2 Uhr in den Leithe», liiiks vom Wege »ach dem Loimcntempet, an steiler Höhe der Abtheilung 48 des Tharandter Forstreviers, von zwei Männern (Vater lind sohn) aus Hainsberg entseelt aufgefunden worden. Letztere haben stch somit die ausgeschriebene Belohnung von uw Mark, für die Auffindung der Entseelten, erworben. — 3» Reinholdshain schlug der Blitz am Gehöfte des Gutsbesitzers Wagner in eine Pappel, sprang von dort in den Kuhstall über und betäubte auf kurze Zeit den dort anwesenden Besitzer. Die bis jetzt m D euben stationirten Gendarmen, die Herren Düring, Siegert und Wenk werden am 1. Juli »ach Meißen, Niedersedlitz bezw. Döhlen versetzt werden. In Kaltenlebe» bei Wie» ertränkte sich die ^7 jährige Gattin des Bergdireklors Neil, aus Düsseldorf gebiütig, nlit ihren zwei kleinen Kindern wegen unglücklichen Fmnilienverhältniffe. V o l l st ä n d i g a b g e b r a n n t ist das kleine schweizer Dors Wiler im Lötschenthal, Bezirk Naron. 200 Menschen sind obdachlos. Mr Helegraph. Humoreske von Otto Reinhold. Schluß. Am nächsten Morgen — es war Mittwoch — saß Susanne wieder vor ihrem Apparate; aber wie anders war ihr zu Muthe, als wenige Tage zuvor ! — Ihre selige Womie hatte sich in »och nie gefühlte Traurigkeit verwandelt. Das Leid ihrer Seele war unsagbar, und manchmal war ihr zu Muthe, als könnte sie es nicht überleben. Zufällig warf sie einen Blick hinaus nach dem Perron, und zu ihrem nicht geringen Schrecken sah sie Rudolph Lassen auf die Fenster zukommeu, und es Ivar ihr wie ein Schnitt in's Herz, als er heiter, lachenden Mundes zu ihrem Fenster hereiugrüßte. Noch mehr erstaunte sie aber, als sie Rudolph den Obertelegraphiste» begrüße» sah, als wären die Beiden alte Bekannte. Sie wußte natürlich nicht, daß der Ober telegraphist gestern Abend mit Rudolph bei Champagner gesessen hatte. Die beiden neuen Bekannten zwinkerten sich in einer Weise zu, als steckten sie in irgend einer Beziehung unter einer Decke. Susanne entging es nicht, daß Rudolph eine Depesche aufgab, und richtig, sie erhielt sie zur Expedition. Die Depesche war entsetzlich lang. Susanne beugte sich über dieselbe herab, um sie zunächst einmal durchzulesen. Sie lautete: „Frau Commerzienrath Lassen, Grünau. Theuere Mama! Dein Wunsch ist erfüllt. Ich habe eine Lebens gefährtin gefunden. Sie heißt Susanne Kirchberg. Ich will hier in Berlin mein Verlobmigsfest feiern und bitte Dich, zu telegraphiren, wann ich Dich erwarten darf. Vor her will ich nach Friedheim fahren, um bei Frau Kreisphhsikus Kirchberg um Susanne anzuhalten und um Frau Kreisphhsikus mit nach Berlin zu bringen. Per Telegraph theile ich Dir die Sachen deshalb mit, weil ich mich auf diese Weise auch gegen Susanne erklären kann, was mir mündlich und brief lich verwehrt worden ist. Susanne ist ebenso schön als edel, und ich liebe sie von ganzer Seele. Komm' nur, theuere Mama, ich will Dir dann Alles, auch dieses Telegramm erklären! In einigen Stunden hoffe ich Susanne allein sprechen zu können, wegen unseres Verlobungsfestes! Dein glücklicher Sohn Rudolph." Wenn der freundliche Leser den Effekt dieser Depesche auf die expedirendeTetegraphistin so recht genau beobachten will, dann muß er sich rasch neben Rudolph plaeiren, der vom Perron aus „seine Ausecwählte" seitlich durchs Fenster beobachtete. Susanne hatte bereits den Inhalt des Telegramms über lesen, und starr wie eine Träumende saß sie da, während ihr die brennende Röthe von den Wangen herabflvß — und sie weinte. Die Schönheit in Thrüucu ist das Berückendste, was wir uns denken können; auch wenn es Freudenthränen sind. Und Rudolph Lassen fühlte sich von dem Anblicke des holden Wesens so im Herzen bewegt, daß er am liebsten durch's Fenstergeranut wäre, um das wunderliebliche Mädchen an seine Brust zu ziehen. Er sah mit einer Art von Verzückung, wie Susanne mit bebender Hand expedirte, und es war ihm, als wenn sie beim jedesmaligen Tippen das Innerste seines Herzens berührte. — Dann trat Rudolph vom Fenster weg, um in der Nähe des Bahnhofes bis zur Beendigung von Susannens Bureaustunden zu promeniren. Die Zeit verging, und ein feiner Regen stellte sich ein. Schon seit geraumer Zeit fixirte Rudolph die Thür des Telegrapheubureaus. Endlich that sie sich auf, und die Damen traten heraus. Rudolph zog sich zurück und näherte sich erst wieder, als er Susanne in Begleitung des Ober telegraphisten herauskommen sah. Mit einer noch nie ge fühlten Beklommenheit trat er heran und grüßte. Susanne vermochte ihn nicht anzublicken vor Verlegenheit. „Wollen Sie nicht so freuudtich sein und eine Droschke besorgen?" wendete sich der Obertelegraphist an Rudolph; „cs Hal angefangen zu regnen." „Gewiß! — Sofort!" Rudolph eilte voraus und rief eins der wartenden Gefährte heran. Der Obertelegraphist half Susanne zum Wagen hinein; dann stieg er selbst ein, und hinterher folgte Rudolph. Der Wagen ging ab, und die drei Insassen beobachteten ein Schweigen, als ginge es zu einem Begräbnisse. „Mir fällt eben ein, daß ich hier in der Jnvaliden- straße noch etwas zu besorgen haben," brach der Ober telegraphist das Schweigen. „Grüßen Sie Ihren Herrn Bruder," sagte er zu Susanne gewendet; „heute Abend werde ich mir erlauben, ihn zu besuchen!" Rasch stieg er aus- Susanne wollte ihm folgen, aber Rudolph hielt sie an der Hand zurück. Der Obertelegraphist schlug die Wagenthür zu und näherte sich dem Kutscher mit dem Befehle: „Zum Branden burger Thore!" Fort ging's. Nun endlich war Rudolph mit Susanne allein. Trotzdem daß Susanne vollständig außer Fassung war Rudolph gegenüber, so behielt sie doch so viel Ueberzeugung, um zu erkennen, daß sowohl die Depesche wie die jetzige Fahrt eine abgekartete Sache zwischen dem Obertelegraphisten und Rudolph war- Sie behielt aber keine Zeit zum Nachsinnen, sondern kaum hatte sich der Wagen wieder in Bewegung gesetzt, als Rudolph mit überströmender Leidenschaft ihre Hand ergriff und ihr sein Herz ausschüttete. „Kehre Dich nicht an das Selsame dieser Situation! Die Depesche, die Du heute an meine Mutter expedirtest, wird Dir zur Genüge beweisen, daß es mir heiligster, un umstößlicher Ernst ist, und in diesem heiligen Ernste frage ich Dich, Susanne, vor Gott: Willst Dn mein Weib sein?" Und die Engel im Himmel hätten die beiden Glücklichen im Wagen beneiden können, als Susanne dem geliebten Manne verschämt aber entschlossen das Jawort gab. — Diesmal ging sie williger darauf ein, Woldemar nichts zu sagen. Der sollte mit der Verlobung überrascht werden. — Auf Susannens Wunsch stieg Rudolph unterwegs aus und ließ „seine Braut" allein nach Hause fahren. Im Laufe des Nachmittags erhielt Rudolph die Ant wort seiner Mutter, welche ihm zu seiner Wahl — sie kannte ja Susanne—- Glück wünschte und ihre Ankunft für Freitag in Aussicht stellte. Kaum hatte Rudolph diese Nachricht überflogen, als er augenblicklich Anstalten traf zu seiner Abfahrt nach Friedheim, zu Susannens Mutter. Vor seiner Abreise hatte er eine lange Unterredung mit Susannens Bureau-Vorsteher. Die Tage Mittwoch und Donnerstag brachten die beiden Geschwister in schweigsamer Aufregung zu. Susanne trug ihr Glück und Woldemar das Duell im Herzen. Freitag Mittag durchraste der Doktor mit fieberhafter Aufregung die Zimmer seiner Wohnung, als es plötzlich läutete und der Abertelegraphist erschien. „Guten Tag, Woldemar! Es ist Alles bereitet!" sagte der Eintretende mit künstlichem Ernste. „Die Pistolen sind zur Hand! Also im Wäldchen beim zoologischen Garten! Herr Lassen wird uns im Restaurant des zoologischen Gartens erwarten; dort sollen wir ihn abholen! Also, wenn ich bitten darf, so komm'!" „Sogleich!" erwiederte der Doktor, sich mit furchtbarer Anstrengung zur Ruhe zwingend; „ich will nur Susanne noch eiumal sprechen!" Nach einer Viertelstunde vergeblichen Wartens drängte der Secundcmt zum Aufbruche. Susanne kam aber nicht. „Jetzt ist's die höchste Zeit, Woldemar! Entweder Du begleitest mich, oder ich fahre allein!" Und mit einem furchtbaren Entschlusse riß sich Woldemar von seiner Behausung los, befahl sich und die Seinigen im Geiste Gott und folgte dem Anderen. Zwischen zwei und drei Uhr nachmittags war's, als der Doktor mit seinem Secundanten an der Brücke beim zoologischen Garten anlangte. Ganz entschieden weigerte sich Woldemar, die Restauration zu betreten, und erst der ernsten Vorstellung des Anderen, daß es unbedingt nothwendig sei, Herrn Lassen's Secundanten kennen zu lernen, gelang es, ihn zum Eintritte in den Garten zu bewegen. Gleich links, der Ecksalon gleicher Erde war für das Zusammentreffen ausersehen worden- Der Obertelegraphist öffnete die Thür und ließ den Doktor vorantreten. „Woldemar! — Das ist er! — Endlich kommst Du!" riefen mehrere weibliche Stimmen durcheinander. Der Doktor trat bestürzt zurück, denn er traute seinen Augen nicht- Und was sah er? Eine weißgedeckte Tafel,- von der sich rasch zwei Damen erhoben, nämlich seine Mutter und Frau Commerzienrath Lassen, und gerade vor ihm kam Rudolph auf ihn zu mit Susannen am Arme, und die Gesichter lachten ihm alle so heiter entgegen, daß er ganz verwirrt wurde. Aber das dauerte nicht lange; der geängstigte Duellant, der eben im Begriffe stand, für seine theuere Schwester sein Leben einzusetzen, wurde sofort von allen Seiten mit Aufklärungen bestürmt. Und als er sich nach einer Weile endlich erholt hatte und an Rudolph die Frage stellte, wie es denn möglich ge wesen sei, sich Susannen zu erklären, wurde ihm zur Ant wort : „Per Telegraph!" Die Speisen dampften, und unter ferneren erheiternden Erörterungen über das Geschehene der vergangenen Woche, nämlich über die Geschichte von der schönen Telegraphistin, nahm das Verlobungsfest Fortgang und Ende. Pfingsten daraus wurden Rudolph Listen und Susanne Kirchberg getraut. Ende.