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Radenauer Anzeiger Erscheint Dienstat;, Donnerstag u. Sonnabend. Abonnementspreis einschließlich der illustrirten Beilagen „Gute Geister" u. „Zeitbilder" sowie des illustr. Witzblattes „Seifenblasen" 1,50 Ml. ZkitilU sill Wmid, Skiftrsdüks) Inserate kosten die Spaltenzeile oder deren Raum 10 Pf., für auswilrtige Inserenten 15 Pf. Tabellarische Inserate werden doppelt berechnet. Annahme von Anzeigen für alle Zeitungen. Groß- und Kleinölsa, Obernaundorf, Hainsberg, Somsdorf, Coßmannsdorf, Lübau, Borlas, Spechtritz re. Nummer 10. Mit verbindlicher Publikalionskraft für amtliche Bekanntmachungen. 13. Jahrgang. Dienstag, den 23. Januar 1900. Sekanntmachlmg. Die noch rückständigen Beiträge zur Gemeindekranken kasse, Jnvaliditäts- und Altersversicherung sind zur Ner- meidung der Zwangsvollstreckung nunmehr sofort und längstens bis zum 27. dieses Monates au den Kassirer, Herrn Stadtrath Wünschmann hier, abzuführen. Rabenau, am 20. Januar 1900. Der Bürgermeister. Wittig. Aus Nah und Fern. — Lehrlinge für das Handwerk! Wir wollen nicht versäumen, Eltern und Vormünder, deren Pflegebefohlenen nächste Ostern die Schule verlassen und sich noch nicht entschließen konnten, welchen Beruf sie sich wählen sollen, auf das neue Handwerkergesetz aufmerksam zu machen. Der Grundgedanke dieses Gesetzes gilt der Hebung des Handwerks und des Handwerkerstandes. Es ist hierbei der erste Hebel anzusetzen: an der Erziehung tüchtiger Lehrlinge im Fach, in der Theorie und Moral. Die Aufsicht der Innungen und vorgesetzten Verwaltungs behörden über die Lehrmeister und Lehrlinge, sowie über die Fortschritte der letzteren ist weit strenger geworden als früher, so daß dem Gesetze entsprechend ein Erfolg voraus zusehen ist. Allerdings sind den Lehrmeistern größere Mühen und Opfer auferlegt, wogegen die Früchte hierfür die Nach kommenschaft, also die jetzigen Lehrlinge ernten werden. Es dürfte also mit Fug und Recht anzurathen sein, diesen jungen Gemüthern mehr wie je vor Augen zu führen, daß man von gesetzgeberischer Stelle aus zur Zeit ununterbrochen bemüht ist, Wege zu bahnen, welche dem Handwerk seine wohlzubeanspruchende Existenz im besseren Maße wieder- giebt, als wie es sich jetzt bescheiden taffen mußte. Selbst verständlich kann es Niemandem in den Sinn kommen, dem erfinderischen Geiste und Technik, ohne welche Factoren auch das Handwerk nicht mehr bestehen könnte, ein Bein zu stellen, nein! es giebt noch ganz andere Schäden, welche auch bekannt sind und dieserhalb an maßgebender Stelle immer wieder vorstellig zu werden, wird, so lange der Er folg noch nicht da ist, Pflicht derer bleiben, welche theils berufen, theils aus Gunst für diesen ehrlichen Stand ihre Kräfte gern widmen. Möchten diese auf Erfahrung be ruhenden Auseinandersetzungen nicht ohne Erfolg bleiben und nächste Ostern mehr junge Leute die Werkstatt des Handwerks aufsuchcn, als in den letzten Jahren. — Am Freitag, den 19. dss. Mts., ist dem Fabrik tischler Herrn Wilhelm Peters hier, welcher ununter brochen 30 Jahre lang bei der Sächs. Holz-Jndustrie-Ge- sellschaft hiers. in Arbeit steht, die ihm vom Kgl. Ministerium des Innern gewährte große silberne Medaille für Treue in der Arbeit durch Herrn Geheimen-Regierungsrath, Amts hauptmann vr. Schmidt im Beisein des Herrn Bürger meister Wittig an Amtsstelle der Königl. Amtshaupt mannschaft überreicht worden. — Die am Sonnabend Abend im Amtshof abgehaltene Hauptversammlung des hiesigen Turnvereins I war gut besucht. Nach Eröffnung durch den Vorsitzenden be richtete derselbe über das abgelaufene Jahr, woraus zu entnehmen ist, daß die Zahl der eingetretenen Mitglieder der der ausgetretenen gleichkam. Hierauf erstatteten die Turnrathsmitglieder Bericht. Wie aus denselben hervor ging, hat sich der Turnbesuch erfreulicherweise gehoben und ebenso der Kassenwart einen günstigen Abschluß zu ver zeichnen gehabt. Die sich anschließenden Wahlen brachten folgendes Ergebniß: Wiederwahl der Herren Anton Hamann (stellv. Bors.), Pretzsch (Kassirer), Dir. Kelling (stellv. Kassirer). In Turnrath wurde wieder gewühlt Herr Oskar Beckert, während die Herren Richter und Münch neugewählt wurden. Die aus dem Bau-Comitee ausscheidenden Herren wurden mit ihren Aemtern wieder betraut. Zu Kaffenrevisoren wurden die Herren Pfotenhauer, Gerlach Und Arth. Hamann bestellt. Die Mitglieder-Beiträge beließ man wie im Vor jahre ; ebenfalls fand ein gestellter Antrag einstimmige An nahme. Gut Heil zu frischer Arbeit! — Endlich ist das elektrische Werk im benachbarten Seisersdorf so weit fertig gestellt, daß man sich schon seit acht Tagen der schönen elektrischen Beleuchtung er freue» kann. Das ist als ein großer Fortschritt und als eine ganz besondere Wohlthat für das Kirchdorf zu betrachten, da dasselbe einen fortwährend sich erweiternden Besuch von Fremden und Geschäftsleuten erfährt, auch das ganz am oberen Ende gelegene Kurhaus seine Anziehungskraft noch mehr ausüben wird. — Im Gehöft Lat.-Nr. LOB für Somsdorf- Coßmannsdorfist die Maul-».Klauenseuche ausgebrochen. — Am Donnerstag wurden in Potschappel vom Trichinenbeschauer Schöne in einem von dem Fleischermeister Mäser geschlachteten Schweine zahlreiche Trichinen gefunden. — Die Beschälstation in Dippoldiswalde wird vom 1. Februar bis 20. Juli mit den vier Hengsten Zelot, Raban, Cavalier und Derby besetzt sein. — Unter dem Viehbestände eines Gehöftes in Höcken dorf ist der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche amt lich festgestellt worden. — Der „größte" Mann der Welt, Mr. Wilkens aus Kansas, der sich augenblicklich in Berlin aufhält, wurde von Prof. Rudolf Virchow einer zahlreichen Zuhörerschaft im großen Hörsaale des Pathologischen Museums vorge stellt. Es erregte nicht geringes Aufsehen, als der Riese im Saale erschien. Mr. Wilkens mißt 2,37 Meter in der Länge und 2,54 Meter in der Spannweite. Im Kausch. Novellelle von Dirk van der Han. l Nachdruck upibntpn.) Lingen ließ das Blatt fallen. Für einen Augenblick erfaßte ihn ein S chwindel. Diese Notiz war nicht mißzu- vnstehen und sie konnte sich nicht auf sein Verhältniß zu Lisbeth beziehen. Er ergriff die Zeitung, ballte sie zusammen, schleuderte sie in eine Ecke und verließ das Haus. In der Nähe wohnte ein Lithograph. Er trat in den Laden ein und verhandelte mi t dem Besitzer über die schnellste Herstellung der Verlobungsanzeige. Er verlangte die Lieferung bis zum Abend und schließlich wurde sie ihm zugesichert. Dann eilte er in die Druckerei der gelesensten Zeitung und bestellte die Aufnahme der von ihm aufgesetzte». An zeige. Schon wollte er darauf in die Redaktion eintreten, um von dem Rezensenten die Entstehung des Gerüchts seiner Verlobung mit Resi Reuter zu erfahren, er sagte sich jedoch, cs fei zwecklos, und man konnte nicht wissen, was solch ein Schritt für Folgen hatte. Es konnte ja nicht schwer sein, von seinen Freunden das Nöthige darüber zu ermitteln. Die Glocke der Rathhausuhr mahnte ihn, daß die Zeit schnell dahin eilt; es war halb zehn, er mußte doch auf daS Gericht und er hatte die Akten noch nicht ange sehen, die ihm gestern gebracht worden waren. Auf kürzestem Wege eilte er nach Hause, wo Frau Krüger gerade sein Zimmer in Ordnung gebracht hatte. Dabei war ihr das kleine parfümirte Briefchen in die Hände gefallen und sie sah, daß es noch nicht geöffnet war, sie legte es daher auf die Akten, von denen es vorher be deckt gewesen war. Lingen bemerkte es alsbald, drehte es hin und her, denn er kannte die Handschrift nicht. Es war nicht die LiSbethS, und er stand nichtin Briefverkehr mit anderen Damen. Er zerriß das Kouvert und öffnete die stark duftende Karte. Die Unterschrift lautete: „Deine süße Resi". Die wenigen Zeilen hatten den folgenden Inhalt: „Mei liabes Schätzer!! Hab' Dich den ganzen Tag erwartet, aber Du Bösewicht bist nicht gekommen. Hält' Dir so viel zu sagen gehabt. Papa hat wiederholt nach Dir gefragt. Ec ist — unwohl und kann heute Abend nicht mitkommen. Bitte, hole mich zum Ball ab; Fräulein Frenzel wird mich bemuttern. — Deine,süße Nesi'." Träumte er? Ec brach in ein nervöses Gelächter aus. Sollte diese „süße Resi" den Scherz des Alpcnfestes für Ernst genommen haben? Ja, ja, man muß das Eisen schmieden, so lange es heiß ist; sie hatte wohl diese günstige GeleiMheit, sich einen Alan» zu fangen, benutzen wollen — aber das Spiel des Kostümfestes übertrug sich doch nicht auf das Leben ! Jetzt kam ihm alles deutlicher in Erinnerung. Er hatte in dem Hochzeitsznge, in dem Resi als erste Brautjungfer figurirte, für den Leutnant Wende! als erster Brautführer eiuspringen müssen. So hatte er an ihrer Seite das ganze lustige Hochzeitsfest mitgemacht, das der alte Reuter, wie alles was er unternahm, in geschickter, genialer Weife ge plant hatte und in dem er selbst den Dorfpfarrer spielte. Weshab er hatte eintreten müssen, war ihm nicht recht klar, denn Leutnant Wendel war dann doch erschienen und wohl nur im ersten Augenblick nicht zugegen gewesen. Oder — blitzte es plötzlich in ihm auf — war die ganze Ge- schichle von vornherein so abgekartet gewesen? Ec hatte den Alten, der ja als Filou bekannt war, nie fo lustig, die Nesi nie so ausgelassen u. allerdings auch nie so verführerijch schön gesehen. Sie war das echte Gebirgsmädel gewesen. Und was hatte dann der Alte draufgehen lassen! Sie waren von einem Buffet zum andern gegangen und der Herr Pfarrer hatte ihm überall wacker zugetrunken, die Resi aber war ihm nicht mehr von der Seite gewichen, hatte ihn mit Kose namen aller Art angeredet, und als ihm die Geschichte be denklich wurde und er eine Gelegenheit benutzte, sich aus dem Staube zu machen, da hatten sie ihn wie ein Wild gehetzt und eingefangeu, und da war die verteufelte Bowle aufgetischt worden. Dann in der Nacht hatte die ganze Gesellschaft zu sammen getafelt, das „Hochzeitsmahl" gehalten; da war der Champagner in Strömen geflossen und, mit Kognak und weiß Gott was sonst gemischt, in Massen getrunken worden. Da aber hörte die Klarheit auf- Wie ein Traum war es ihm, das die komischsten Tisch reden gehalten worden, daß jemand gemeint hatte, zu einer Hochzeit gehörte auch eine Verlobung, und die sei nun auch gefeiert worden. Dunkel erinnerte er sich, daß der alte Reuter dazu seinen Segen gespendet habe. Wie war er nachher in seine Behausung gelangt? Hatte ihn nicht der junge Reuter dorthin begleitet? Ihm schwindelte der Kopf. Was war mit ihm ge schehen ? Wollte man ihn etwa verbindlich machen für einen Scherz, für irgend welche im Rausch geäußerte Worte oder begangene Thorheiten? Nein, das war ja undenkbar. Allerdings, von dem alten Schwerenöther durfte man des Schlimmsten gewärtig sein. Die Resi war seit seinem ersten Erscheinen in der Gesellschaft dieses Ortes hinter ihm her gewesen und hatte alles aufgeboten, um ihn in ihre Netze zu locken, denn er war reich und hatte die glänzendsten Aussichten. Der alte Reuter hatte zwar viel zu thun, aber er lebte wüst, die Familie war groß, der Sohn war Leutnant und brauchte viel, die Tochter mußte alles mitmachen, ging immer sehr elegant gekleidet und liebte den Schmuck. Da waren vier jüngere Kinder; die Mutter seit Jahren leidend. Unter solchen Umständen war ein reicher Schwiegersohn sehr nütz lich, und Lingen hatte den Baumeister oft auf der niedrigsten Bauernfängerei sich gegenüber ertappt- Sollte dieses Alpen fest benutzt worden sein, um das so lange erstrebte Ziel zu erreichen? „Wann ist dieser Brief angekommen?" rief Lingen seiner Wirthin zu. „Ein Bursche brachte ihn gestern so gegen fünf Uhr." „Nun, und weshalb haben Sie ihn mir nicht sofort gegeben?" herrschte er sie an. „Ja, wenn Sie zu erwecken gewesen wären!" Dagegen war nichts einzuwenden. „Und dann habe ich ihn dahin gelegt." „Es ist gut. — Wenn heute im Laufe des Tage- Besuche kommen und ich bin nicht hier, so merken Sie sich genau die Personen und von Unbekannten lassen Sie sich Karten geben." Rasch blätterte er die wichtigsten Aktenstücke durch und eilte dann auf das Gericht, nachdem er vorher noch ein prächtiges Blumenarrangement für Lisbeth beordert hatte. „Mit mir sollen sie nicht spielen ! Da sollen sie mich kennen lernen! Heute Nachmittag will ich mit Lisbeth und Tante Gustchen eine Spazierfahrt machen, wo uns alle sehen sollen. Heute Abend gehen wir ins Theater- Und morgen früh erhalten sie alle die Botschaft." V. Auf dem Gericht gab es heute nichts als Unannehm lichkeiten und Aergernisse, und das Schlimmste war, daß Lingen sich verschiedene Zurechtweisungen, die er über sich er gehen lassen mußte, seiner eigenen Nachlässigkeit zuzuschreiben hatte. In der ohnehin gereizten Stimmung, in der er sich befand, hätte er das Gebäude am liebsten verlaffen, um es uie wieder zu betreten. — Fortsetzung folgt. —