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Erscheint Dienstag, Donnerstag u. Sonnabend. """ Inserate kosten die Spaltenzeile oder deren Abonnementspreis einschließlich der illustrirten Raum 10 Pf., für auswärtige Inserenten 15 Pf. Beilagen „Gute Geister" u. „Zeitbilder" sowie 1 N /I Tabellarische Inserate werden doppelt berechnet^ ' des illnstr. Witzblattes „Seisenblasen" 1,50 Mt. Annahme von Anzeigen für alle Zeitungei Groß- und Kleinölsa, Obernaundorf, Hainsberg, Eckersdorf, Eoßmannsdorf, Lnban, Borlas, Spechtritz re« Mit verbindlicher Publikationskraft für amtliche Bekanntmachungen. Nummer 113. Dienstag, den 27. September 1898. 11. Jahrgang. Bekanntmachung. Von dem Königlichen Finanzministerium ist auf An suchen der Handels- und Gewerbekammer zu Dresden ge nehmigt worden, daß zur Deckung des Aufwandes der genannten Kammer von den betheiligten Handel- und Gewerbetreibenden gleichzeitig mit dem 2. diesjährigen Einkvmmenstenertermine ein Beitrag von 3 Pfennigen auf jede Mark desjenigen Steuersatzes erhoben werde, welcher nach der iin Einkommensteuergesetze enthaltenen Skala auf das in Spalte ä des-M rsmmensteuer-Catastcrs eingestellte Einkommen entfall^chM asu Die Beitrag »vm chiesigen Ortes werden hiervon in Kenntuiß gese'^iq SM-kumBemerken, daß das Hebe register zur Eins' MM,^Stadtkassen-Zimmer ausliegt und daß die Bei^ Die vier Entrichtung der Staatsei»- kommensteuer mist entgegenfielsiud. Nabena u> bestand 'September 1898. lchtzrr«»-mvis1en. Willig. Aus Nal) uud Feru. — Die Michaelis-Ferien, auch Kartoffel- Ferien genannt, nehme» mit heute Montag ihren Anfang. Wahrend dieselben für die Stadtkinder nur 8 Tage währen, haben die Kinder auf dem Lande fast überall' 14 Tage frei, da sich für diese die großen Ferien kürzer stellen. Gleichzeitig gab es auch die Censureu, Manchem zur Freude, Manchem zum Leid. — Einen A usflug mit Damen durch den prächtigen M.-G.-B. „Amphion", um gleichzeitig seinem Brudervcrein Apollo einen Besuch abzustatlen. Schon von früher her knüpfen engere Freundschaftsbande beide Vereine, welche von Herrn Liedermeister Kegel schon seit Jahren geleitet werden. Der „Apollo" hatte es sich nicht nehmen lassen, den Brudcrverein möglichst festlich zu empfangen. In der Nähe der Einsiedlerhütte wurden die Gäste mit einem aus dem Hinterhalt gesungenen „Grüß Gott" überrascht und sodann nach derselben geführt. Hier trieben neckische Kobolde ihr Wesen. Aus der Hütte selbst trat den Besuchern der Einstedler mit ehrwürdig wallendem Haar uud Bart entgegen, welcher erfreut durch den herrlichen Gesang, eine von Begeisterung getragene Ansprache über das deutsche Lied an die Anwesenden hielt. Der ehrwürdige Alte übernahm sodann die weitere Führung nach der Himmels leiter, Hochpromenade und Rabenaner Mühle. Später stattete die fröhliche Schaar noch verschiedenen hiesigen Restaurants kurze Besuche ab, denen dann später ein vom „Apollo" arrangirtes Kränzchen im Amtshof folgte, wobei manch' herrliches Lied zur Vnschvnerung des Abends beitrug. — Die H e r b st - Ka r t o t se le r nt e hat nunmehr begonnen. Auf den Feldern in der Nähe unserer Stadt sind die Leute flott beim Einheimscn der Ernte. Auf Sandboden sind die Spätkartoffeln in diesem Jchre ganz gut gediehen, dagegen haben die auf fettem Boden theil weise durch Krankheit gelitten. — Bei dem bevorstehenden Umzug dürfte es sich empfehlen, die Umziehenden darauf aufmerksam zu machen, daß sie ihre Wohnungsänderuuc, rechtzeitig zur Anzeige bringen, überall da, wo ihnen die Verpflichtung hierzu auf erlegt ist. Hierhin geboren vor allen Dingen di: Feuer versicherungs-Gesellschaften. In rn Redinaima^ ist aus lvkalitäten Anzeige zu erstatten ^".'»d daß bis zur schrift lichem Genehmigung der Gesellschaft deren Entschädigungs- Verpflichtung ruht. — InTharand wurde ein Bäckerlehrling, welcher ein Sittlichkeitsverbrechen an einem kleinen Mädchen ver übte, verhaftet. — In Gegenwart der Großherzogin Marie, der Her zoge Adolf Friedrich Heinrich von Mecklenburg, sowie des Erbgroßherzogspaares von Oldenburg und der Prinzessin Heinrich von Preußen hat die feierliche Enthüllung des Denkmals für den vor Jahresfrist ertrunkenen Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg vor der Garnisonkirche in Kiel am Sonnabend stattgefunden. — Damit der Leser eine Vorstellung von dem Tone gewinne, den die Dreyfüsler gegen den französischen Präsidenten Felix Faure anschlagen, weil er den Versuch gemacht hat, sich dem Wiederaufnahmeverfahren in der Drehfussache zu widersetzen, seien hier die ersten Sätze des Leitartikels des „Droit de l'homme" angeführt, der die Ueber- schrift trägt: „Ein Wort an Sie, Präsident Felix!" „Frankreich hat für Sie weder Achtung noch Zuneigung. Ich gebe zu, daß Sie sich bemüht haben, ihm zu gefallen. Doch ohne jeden Erfolg. Es hat Sie nicht ins Herz ge schlossen. Sie sind dein Lande niemals theuer gewesen und werden es niemals auch nur einen Augenblick lang sein. Es duldet Sie. Das ist alles. Fragen Sie mich nicht nach den Gründen dieses geheimen Widerwillens. Sie würden sie meist nicht begreifen. Sie liegen in Ihrer Eitelkeit, Ihrer Härte, Ihrer Selbstsucht, Ihrer Albernheit. Sie Habei' gerade nur Haltung genug, um Ihre Dienerschaft im Eluffe zu verblüffen. Man hat mir zwar versichert, daß Ihre Unzulänglichkeit, Kaiserlich, erlaubt, geheiligt, Zch 'glaube erscheinen, .JHrK'gemeine» Schmerz ist Ihre Seele zu niedrig. Sif spüren keine anderen Schmerzen als Stockprügel." Die Knegserimltnmgendes Majors. Nvvellette von Ant. Andrea. (Nnchdnw »pibale» Z Am nächsten Morgen, als Paula ihrer Herrin die Brennscheere für ihren Scheitel brachte, begann sie zimper lich: Eigentlich — sie spiele zwar nicht gern die An geberin — aber ihre Pflicht wäre wohl, der Frau Major nicht zu verschweigen, daß — „Was denn?" fragte die Dame energisch. Nun, gestern Abend spät habe der junge Herr bei dem Fräulein angeklopst; es wäre ihm auch ausgemacht worden, und die beiden hätten eine lange Weile mit einander getuschelt. Nachher — sic, Paula, hätte nichts mehr wissen mögen. Auf das andere Ohr hätte sie sich gelegt und na, weiter könnte sie Bestimmtes nicht sagen. „Ja, ja, gnädige Frau," schloß sie ihre Angaben. „Bei Solchen mit Unschuldsmienen und immer niederge schlagenen Augen, bei Solchen findet man es faustdick hinter den Ohren." Die Frau Major stürzte zu ihrem Gatten. Es gab einen heftigen Auftritt. „Warum sollten die Kinder nicht 'mal miteinander sprechen?" wandte der harmlose Krieger a. D. ein. „Wenn sich im Uebrigen Deine samose Paula nur nicht ver- horcht hat." „Gehorcht? Hätte sie sich die Ohren zuhalten sollen? Sprich Du 'mal ernstlich mit dem Mädchen. Sie ist Deine Verwandte. Ich will mich nicht gemein mit ihr machen. Deil Fritz nehme ich mir aber vor." „An dem spare Deine Worte! Wenn er erfindet, ver gißt e> das Erste, eh' Du das Letzte gesprochen hast. Wir haben zahllose Beispiele davon." Schlimme Tage brachen nun für Isa an. Sie wurde von jener Arbeit in die andere gehetzt- Nichts machte sie recht. Fortwährend bekam sie zu hören, wie verstockt lind bösartig sie wäre, unwürdig der Wohlthaten, die sie em- psänge. Einmal, im höchsten Zorn, fuhr es der Frau Major sogar heraus: „Wenn Du nicht in strenge Zucht kommst, wirst Du in die Fußstapfen Deiner sauberen Mutter treten." Isa bobnte das Parkett im Salon, als dieser Schlag gegen sie geführt wurde. Sie hielt einen Augenblick inne. Ihr war es, als ob eine eisige Hand ihr über den Rücken striche, das es ihr den Athem benähme. Dann arbeitete sie mechanisch weiter. Aber ihre Gedanken irrten ab. Eine Erinnerung, die einzige schöne, die sie hatte, wurde leben dig: die an ihre Mutter, von der sie geherzt und geküßt wurde. Wie süß für ihr schmachtendes Herz! Später, als sie bei dem Major das „große Reinmachcn" vornahm, kam dieser herein. „Komm 'mal her, Du Wurm. Das heißt: zum Ver hör augctreten! Donner und Doria, wie Du zitterst! Bin ich ein Wührwolf, der kleine Kinder frißt?" „Nein," murmelte sie, wachsbleich und erschauernd, sie wußte selbst nicht, warum. „Na, dann guckt man den Onkel hübsch an! Huh, nicht mit solchen Zündstoffblickeu, als ob man Einem ein Loch in die Weste brennen möchte." „Darf ich etwas fragen, Onkel?" „Warum denn nicht, Wurm? Immerzu — — aber halt! Erst mein Verhör, eh' ich's vergesse: war der Fritz neulich Abend spät »och bei Dir? Jin Grunde schämte der ehrliche Major sich dieser Frage; aber seine stärkere Hälfte hatte nicht locker gelassen, bis er sich dazu bequemte. „Ja, Onkel." „So — na, was wollte er von Dir?" „Streichhölzer." 'Nicht eine Spnr von Roth in ihrem stillen Gesichtchen. Nicht mit der Wimper zuckte sie. „Du warst »och auf?" „Ja." „Was machtest Du?" Aha, jetzt kam es! Sie erröthete, wie Jemand, der sich schämt. „Nun? 'raus damit!" komuumdirte der Major. „Nnnm es nicht übel, Onkel —" „Zum Henker, was denn?" „Daß ich so spät noch die Lampe brannte." „Ach, wenn cs weiter nichts ist! Wozu brannte die Lampe denn?" „Ich — ich arbeitete etwas — für mich." „Sv? Denn nmn zu! Aber Tante hält Dich Wohl 'n bischen knapp in Petroleum? Na ja, sie ist eben eine sparsame Frau. Aber dem Schlingel, dem Fritz, brauchst Du nicht wieder bei nachtschlafender Zeit aufzumachen; der kann früher an seine Zündhölzer denken, verstanden? Er ist ja ein braver Jnnge, und Böses thut er Dir nicht; aber — hm — na, es schickt sich nicht! — Damit wären wir fertig, Wurm!" Er klopfte ihr väterlich die dünnen, weiße» Bäckchen. „Nun also, was wolltest Du fragen?" „Wie war — meine Mutter?" „Himmelkreuzdon ... — na, in diesem Hause darf nicht geflucht werden, also sachte! Aber wissen möcht ich, wer Dir den Floh in's Ohr gesetzt hat." „Die Tante schalt mich. Sie sagte, wenn man mich nicht strenger hielte, würde ich Eine, wie meine Mutter." „Zum Donnerwetter, da bleibe ein Anderer fromm! So 'n Unfug Denkst Du Kindskopf etwa, sie wäre schlecht gewesen? Wenn das Einer sagt, dann lügt er. Unglücklich war sie, meine arme Schwester, nichts als das!" Er wollte der peinlichen Angelegenheit damit ein Ende machen; aber Isa machte eine flehende Geberde, der nicht zn widerstehen war: „Worin bestand Mutters Unglück?" „Hm, das ist 'ne ganz verflixte Geschichte! Eigentlich brauchte so 'n Wurm sie nicht zu wissen. Na, meinetwegen! Die Alten, das heißt Deine Großeltern, waren biedere, tngendsame Leutchen, 'n bischen nach der alten Schule. Er Oberprediger, sie eine Adelige. Deine Mutter hatte 'ne wundervolle Stimme, und Jemand hatte ihr eingeredet, sie werde eine große Sängerin werden, wenn sie sich aus bilden ließe. Natürlich waren die Großeltern über solche Ideen entsetzt. Knall und Fall sollte Deine Mutter einen Kandidaten heirathen, der sollte ihr die Emanzipations gelüste austreiben. Aber meine Schwester hatte ihr Köpf chen für sich, eines Morgens war sie verschwunden." „Wohin?" fragte das junge Mädchen atheinlos. „Fortgelaufen—kein Mensch wußte wohin. Nach fünf Jahren erst kam es heraus. In Berlin hatte sie ange fangen Klavierstunden zu gebe», um dabei Gcsangunterricht zu nehmen. Natürlich hatte sie auf diese Art nicht satt zu esse» und aufreibende Arbeit. Sie brachte es wirklich bis zu einem Auftreten in einem großen Concert; aber dann begann sie zu kränkeln. Nach Hause zn schreiben getraute sie sich nicht. In das alte Leben mochte sie erst recht nicht zurück — dann kam aber das eigentliche Unglück." „Sie that doch nichts Unrechtes?" unterbrach Isa ihn zitternd. „Wie das Wurm Einem in die Seele guckt!" brummte der Major. „Nein, ei» Unrecht ist cs doch nicht, wenn ein junges Mädel und ein junger Mann sich heirathen — wenn Beide nichts haben und obendrein Beide kränklich sind. Ein Unglück ist's, 'ne Dummheit, 'ne Verrücktheit, aber kein Unrecht. Bald ging's los. Er war auch ein Künstler. Sie sangen uud machten Musik dazu — immer zu Zweien, uud zu Zweien hungerten sie und rackerten sich ab. (Fortsetzung folgt.)