Volltext Seite (XML)
Sächsisches. — Durch Generalverordnung des königl. Ministeriums des Kultus und öffentl. Unterrichts vom 27. Nov. d. I. wird den Behörden und sonstigen amtlichen Stellen aufgegeben, in Zukunft untereinander alle zeitber üblichen HLflichkeits- formen, wie „ehrerbietigst, gehorsamst, ergebenst, geneigtes!, gefällig" x. in den Schreiben wegzulassen, die an die vor gesetzte Behörde gerichtet werden; auch soll nicht mehr der volle Name, sondern nur der Familienname in den Eingaben als Unterschrift gebraucht werden. — Im Jahre 18 9 8 haben wir insgesammt 67 Sonn- und Feiertage. Die Faschingszeit dauert 6 Wochen und 5 Tage, zusammen daher 47 Tage, und zwar vom 6. Januar bis 22. Februar. Die Fastenzeit währt vom 23. Februar bis 9. April, daher 46 Tage. Der Aschermittwoch fällt auf den 23. Februar, 'der Ostersonntag auf den 10. April, Christi Himmelfahrt auf den 19. Mai, der Pfingstsonntag auf den 29. Mai, Dreifaltigkeitssonntag 5. Juni, Frohnleichnam 9. Juni und der erste Adventsonntag auf den 27. November. Es werden drei Sonnenfinsternisse, und zwar am 22. Januar, 18. Juli und 13. Dezember, und drei Mondfinsternisse, und zwar am 8. Januar, 3. Juli und 27. Dezember, statt finden, von denen in unserer Gegend die 3 Mondfinsternisse und die erste Sonnenfinsterniß sichtbar sein werden. — In einer am Sonntag stattgefundenen Versammlung der Saalwirthe der Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und -Neustadt wurde beschlossen, eine von einer vorher ge wählten Kommission vorbereitete Petition an das Königliche Ministerium des Innern zu richten behufs Erlangung all sonntäglicher Tanzmusik. Begründet wird die Petition u. a. damit, daß die Saalwirthe der Stadt Dresden nicht nur jeden Sonntag, sondern auch jeden Montag Tanz genehmigung haben, wodurch den Saalwirthen auf dem Lande besonders infolge der günstigen und billigen Verkehrsmittel nach der Stadt, der Verdienst entzogen wird. Auch Kellner, Musiker und Aushilfspersonal würden in ihrem Erwerb be deutend geschädigt. — Eine für den Kaufmanns- und Handwerkerstand wichtige Definition einer bestimmten Art des unlauteren Wettbewerbs, des Abwendigmachens von Kunden durch unwahre Angaben, hat vor Kurzem das Reichsgericht ge legentlich der Aburtheilung eines solchen Falles gegeben. Es hat nämlich das Heranziehen von Kunden durch unwahre Angaben zum Schaden von Konkurrenzfirmen als Betrug im engeren Sinne deS Strafgesetzbuches bezeichnet und in seiner Entscheidung erklärt: „Ein unbefugter Eingriff in den Ver- Mögensstand der betreffenden Firma findet statt, wenn man mittels Täuschung deren Kundenstand abwendig zu machen sucht." Bedeutsam ist hierbei der besondere Anspruch, daß der Nachweis eines zweifellosen Schadens nicht erforderlich ist, sondern daß auch der fragliche Nutzen, welcher der Firma entgangen ist, unter Umständen aber ihr geworden wäre, geltend gemacht werden kann. M— Es sind Zweifel darüber entstanden, an welchem Tage der nächste Jahreswechsel des ländlichen Ge sinde» zu erfolgen hat, da der 2. Januar k. I. auf einen Sonntag fällt. Der nächste Jahreswechsel des ländlichen frechen Burschen hatten schon eine vor einem Parterrefenster befindliche Eisenstange losgewuchtet und befanden sich bereits im Innern des Gebäudes, als eine Schwester durch das Geräusch munter wurde und Lärm schlug. Unter Aus stoßung der gemeinsten Redensarten machten sich die Spitz buben darauf aus dem Staube, ohne etwas erreicht zu haben. — Die vom Gemeinderaihe zu W e l s ch h u f e getroffene Wahl des Herrn Hausbesitzers und Bergarbeiters Herrmann Oswald Drechsler zum Gemeindevorstand auf die nächst folgenden 6 Jahre ist von der königl. Amtshauptmannschaft wie auch vom Bezirksausschuß nicht genehmigt worden. Es ist daher eine anderweite Vorstandswahl vorzunehmen, die sich jedoch nur auf dasige Einwohner erstrecken kann. — Ziemlich schwer an der Hand verletzt wurde dieser Tage ein in einer Fabrik zu Plauen beschäftigter junger Arbeiter. Dem Bedauernswerthen wurde in der Kinderheil anstalt auf der Chemnitzerstraße die erste Hilfe geleistet, und dann wurde derselbe seiner Wohnung zugeführt. — Ein recht häßliches Straßenbild zeigte sich am Montag abends gegen 6 Uhr an der Löbtau er Stadt grenze in der Nähe der Glasfabrik. Auf einer der dort stehenden Bänke lag ein altes Mütterchen mit schneeweißem Haar, total betrunken. Neben ihr stand ein zerrissenes Körbchen mit Brotkrusten. Ob die Schmähreden, welche aus dem Munde des Gafferpublikums erschallten, ganz gerechtfertigt waren, mag dahingestellt bleiben, wohl aber konnte man die Frau bemitleiden, die noch an ihrem Lebensabende ein solch widerliches Schauspiel darbot. Wie nämlich aus den Reden einiger Burschen zu entnehmen war, hatte man der Frau solange mit Spirituosen zugesetzt, bis sie in den geschilderten Zustand verfiel. Bedenkt man dazu vielleicht, daß ein schwacher ausgehungerter Magen vorhanden sein konnte, so dürfte schon mit wenigen Gläschen Schnaps bei einer alten Frau der Verstand bald schwinden. Die Stadtgendarmerie, die sich der Frau dann annahm, hätte mit vollm Recht auch die Urheber beim Kragen nehmen sollen. — In Folge Verschwindens eines Einschreibebriefes mit einem angeblichen Inhalt von 4000 M. wurde der beim Postamt 8 in Dresden angestellte Oberpostassistent Schl, in Untersuchung gezogen. Der mit der Untersuchung beauf tragte Postinspcktor L. fand in der Wohnung des Erstge nannten den Betrag von 3400 M. in einem Blumentopf verborgen vor. — Von dem Vormittags 8.28 von Dresden-N. nach Altstadt verkehrenden Leipziger Personenzuge entgleiste Mittwoch aus noch unermittelter Ursache ein am Zugsende laufender 4achsiger Personenwagen. Hierdurch war das eine Hauptgleis einige Zeit gesperrt, der Betrieb erlitt jedoch keine Störung. Personen sind nicht verletzt. — Als Nachfolger des verstorbenen Oberforstmeistcr Heinicke in Bärenfels ist der derzeitige Oberförster Herr v. Lindenau in Auerbach i. Vogtl. (vormals Oberförster in Rehefeld) ernannt worden. — Vor dem Landgericht Freiberg standen die Buchhalter Arthur Emil Seyffert und Franz Hermann Beckert aus Döbeln. Beide sind beschuldigt, zum Nachtheile ihres Prinzipals, des Dachpappenfabrikanten Oswald Greiner in Döbeln, nach und nach ca. 70 000 Mk. unterschlagen ru zum Theil sogar sehr bedeutende Treffer gemacht. Das ist eine Botschaft, die namentlich den Garantiefondszeichnern angenehm in den Ohren klingen wird, verringert sich doch dadurch das Defizit um ein nicht Geringes. Die offizielle Gewinnliste kann erst in einigen Tagen erscheinen, worauf dann die Gewinne ausgehändigt werden. — Ein fröhliches Treiben, erzählt die „Ober!. Ztg.", entwickelte sich Ende voriger Woche in den Kuhställen des Ritterguts K. bei Weißenberg. In schier unbeschreib lichem Wohlbehagen tummelten und wälzten sich die milch spendenden Wiederkäuer in den Ställen und an ihren treuen, vor Lachen thränenschweren Aeuglein nur konnte man die ihnen zu Theil gewordene Freude ablesen. Der Grund dieser Kuhstallkirmes aber ist darin zu suchen, daß der neckische Kobold Alkohol sich in vie zur Tränke bestimmte Schlempe versteckt hatte, ohne Weiteres aber durch die Dickhäute nicht wieder entschlüpfen konnte. TMS-Erchilifie. — Im Reichstage hatte Graf Posadowsky ange kündigt, daß die Regierung eine Vorlage zum Schutze schul pflichtiger Kinder gegen übermäßige Ausnutzung ihrer Arbeitskraft vorbereite. Wie jetzt mitgetheilt wird, hat der Reichskanzler in dieser Angelegenheit unlängst ein Streiken an die verbündeten Regierungen gerichtet. Es wird darin ausgeführt, daß eine mäßige Beschäftigung von Kindern mit gewerblicher Arbeit Berechtigung habe, als sie geeignet sei, die Kinder an körperliche Thätigkeit zu gewöhnen, den Sinn für Fleiß und Sparsamkeit zu wecken und sie besonders in Fällen, wo die Eltern nicht die erforderliche Aufsicht üben können, vor Müßiggang und anderen Abwegen zu bewahren. Es heißt dann weiter: „Ueberall da aber, wo die Art der Beschäftigung nicht für Kinder geeignet ist, wo die Arbeit zu lange währt, wo sie zu unpassenden Zeiten und in un geeigneten Räumen stattfindet, giebt die Kinderarbeit zu er heblichen Bedenken Veranlassung; hier bringt sie nicht allein Gefahren für die Gesundheit und Sittlichkeit der Kinder mit sich, sondern erschwert auch die Schulzucht und macht unter Umständen den Schulzwangzu einem fast unnützen. Denn übermüdete und in ungesunden Räumen bis tief in die Nacht hinein angestrengte Kinder können dem Unterricht unmöglich die erforderliche Aufmerksamkeit widmen. Ich darf nur an die Beschäftigung als Kegeljungen am späten Abend, als Zeitungsausträger am frühen Morgen, sowie an die Heranziehung der Kinder in vielen Zweigen der Hausindustrie erinnern. Die letzthin in manchen Orten angestellten Ermittelungen lassen erkennen, daß der Beschäf tigung von Kindern im Gewerbebetriebe im Interesse der Heranwachsenden Jugend ernste Aufmerksamkeit zugewendet und erwogen werden muß, inwieweit unter Berücksichtigung aller, einschlagenden Interessen, ganz besonders aber auch unter Schonung der elterlichen Befugnisse, den hervorgetretenen Mißständen abgeholfen und weiteren Un zuträglichkeiten vorgebeugt werden kann." Das Schreiben weist auf die Mittel, welche die bestehende Gesetzgebung zur Bekämpfung dieser Schäden auf dem Gebiet des Fabrik- betriebes und der Werkstätten gewährt, hin' und führt aus,