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Sächsisches. — Im Königreiche Sachsen sind bis jetzt neunzehn Gewerbegerichte errichtet worden. Seit vorigem Jahre sind hinzugekommen die Gewerbegerichte zu Zwickau, Crimmitschau undGlauchau.'Jm deutschen Reichebestehen 284Gewerbegerichte. — Vielfach werden durch öffentliche Ankündigungen und Flugschriften Ansiedler für amerikanische Kolonien geworben, vor denen wir Auswanderungslustigeeindringlichwarnenmöchten. Es ist dies zunächst die sogenannte Hartmann-Kolonie („Dres den") Abbeville, County South Carolina, in den Vereinigten Staaten. In den Ankündigungen wird unter anderem an gegeben, daß über die Reisegelegenhcit dorthin der Vertreter des Norddeutschen Lloyd, G. A. Ludwig, Dresden, Auskunft geben könne. Der Gründer der Kolonie, Ernst Julius Hartmann, ist 1835 in Thalmühle bei Tharandt geboren; er war 1858 und 1859 Verwalter im Kammergute Ostra, bis 1870 Kaufmann in Zwickau und ging in dem eben ge nannten Jahre nach Amerika, nachdem er vorher in Dresden zur Förderung seines Unternehmens thätig gewesen war. Gegen Hartmann selbst scheint nichts vorzuliegen, aber der Kasstrer der Unternehmens ist als Betrüger eingezogen worden und die Kolonie selbst befindet sich in Liquidation. — So dann ist auch zu warnen vor einer deutschen Kolonie im nördlichen Wisconsin. In einem Schriftchen, betitelt: „Wie man ein eigenes Heim und eine gute Farm bekommen kann, die Ländereien im nördlichen Wisconsin, ihre Zukunft und die sächsische Kolonie", unterzeichnet: Chas. I. Braun, 340 v. Straße, Milwaukee, wird ebenfalls bemerkt, daß der genannte Herr G. A. Ludwig, Schiffsagent des Norddeutschen Lloyd in Dresden — der übrigens selbst verständlich den betrügerischen Machenschaften persönlich ganz fern steht — Auskunft ertheilen wird. Die Gegend, um die es sich handelt, ist ein nicht urbares Hochland, wo bereits viele koloniale Unternehmen mißglückt sind. ES fehlt auch an Verkehrswegen und Märkten, wo die ge wonnenen Produkte verkauft werden können, und wo dies gelingt, ist der Preis sehr niedrig. Das Leben in den Wäldern des nördlichen Wisconsin ist so beschwerlich, daß selbst das bescheidenste Leben in Deutschland dem Dasein in diesen Wildnissen vorzuziehen ist. Da auch in Sachsen für diese Kolonien geworben wird, so ist vor einer Aus wanderung dahin zu warnen. — In Wilsdruff mußten 20 Hunde, die von einem tollen Hund gebissen waren, getödtet werden. — Das Anstaltsgut zu Obergorbitz, in welchem sich die DiakonenbildungSanstalt mit Rettungshaus befindet ist von der Gemeinde für den Preis von 145 000 Mark als Gemeindeareal angckauft worden und hat sich, wie ver lautet, bereits ein Konsortium Niedergorbitzer Einwohner ge bildet, um das genannte Grundstück zu Bauzwecken zu erwerben. — Folgende Erklärung erlassen sämmtliche evangelisch lutherische Kirchenvorsteher in Dresden: „Es 'hat der Papst in Rom es gewagt, das GotteSwelk der Reformation in einer den konfessionellen Frieden aufs Stärkste gefährdenden Weise zu verunglimpfen. Wir vergelten nicht Böses mit Bösem, noch Scheltwort mit Scheltwort, aber wir sind bereit zur Verantwortung jedermann, daß Luther'- Fahne nicht, wie der Papst wähnt, die Fahne des Aufruhr« ist, daß man vielmehr gerade unter diesem Banner dem König und dem Kaiser giebt, was deS Königs und des Kaisers ist, und Gotte, was Gottes ist; daß Luther'S Lehre nicht, wie Rom schmäht, ein G'ft ist, vielmehr, weil die Lehre der Bibel, weil die Wahrheit, die vom eingebornen Sohn Gottes ausgegangen, das Universalmittel zu der Seelen Seligkeit; und daß nicht, wie unsere Feinde behaupten, durch die Reformation die Sittenverderbniß gefördert sei, daß vielmehr jede ehrliche und unbefangene Geschichtsforschung das Gegentheil lehrt. Wir betonen, daß man uns nicht der Streitsucht zeihen darf, wenn wir zu den von Rom gegen die Reformation und damit zugleich gegen unsere Kirche geschleuderten Behauptungen nicht still schweigen, vielmehr gegen solche Verunglimpfungen um der Wahrheit und des Friedens willen protestiren und auf Grund der Forschungen echter deutscher Wissenschaft römische Unwissenheit energisch zurückweisen. Wir geloben solchen Schmähungen gegenüber nur um so treuer Gottes Wort und Luther's Lehre festzuhalten und nur um so freudiger mit Wort und That das evangelisch-lutherische Bekenntniß in unserem Sachsenlande hochzuhalten!" — Die Bahnsteigsperre, welche am 1. Dezember d. I. auch auf dem Altstädter Hauptbahnhofe in Dresden zur Einführung gelangt, erfordert daselbst eine Bedienungsmann schaft von 25 Personen. ES kommen hierbei 5 Aus- und Eingänge in Frage, welche mit je 2 Mann besetzt werden sollen. — Seit dem 30. September wird in Dresden der 15jährige Bäckerlehrling Paul Herrmann vermißt. Derselbe hat sich an jenem Tage aus dem Geschäft seines Meisters, Johann Georgen-Allee, entfernt mit dem Bemerken, daß er sich das Leben nehmen wolle. Alle Nachforschungen nach dem Verbleib deS jungen Menschen sind ohne Erfolg ge wesen. Die Eltern und Geschwister des Vermißten ersuchen, etwaige Mittheilungen, welche zur Ermittelung beitragen können, an den Bruder Richard Herrmann in Leuben, Schulstraße 45, gelangen zu lassen. Der Verschwundene ist von mächtiger Statur und trug graue Sachen, desgleichen Mütze und eine weiße Schürze. Die Wäsche war mit P. H. gezeichnet, auch dürfte er 5 Schlüssel bei sich geführt haben. — Der Gemeinverath zu Niedersedlitz hat in seiner letzten Sitzung den Beschluß gefaßt, aus Anlaß des Regierungs-Jubiläums Sr. Majestät des Königs 1000 Mk. als Fonds für eine Kinderbewahranstalt zu bewilligen. — In diesen Tagen erfolgte in Hosterwitz die Ankunft einer über den Seeweg direkt aus Stockholm ge lieferten „Schwedischen Original-Holzvilla." Dieselbe ist Eigenrhum der in Dresden wohnhaften Kammervirtuosin Fräulein M. Wieck und wird auf dem der Dame gehörigen Grundstück errichtet werden. DaS schwedische Hvlzhäuschen zeichnet sich durch eine eigenartige Konstruktion aus. — Der seiner Zeit in der Pforteschen Raubmordaffaire in Meißen bekannt gewordene Schlosser Mudrach, welcher aus dem Arbeitshaus entwich und bezüglich des'Raubmordes in den Verdacht kam, wurde am Sonntag wieder daselbst aufgegriffen, nachdem er sich verschiedentlich als ein Kellner Berner ausgegeben hatte. Er war auch diesmal wieder in dem Besitz mehrerer gefälschter Papiere. — Betreffs des Brandes des Wilhelmschachtes bei Borna versendet die Direktion der Gewerkschaft die Mit- theilung, daß die durch das Feuer entstandenen Schäden sich nicht so groß erwiesen haben, als ursprünglich angenommen wurde; es sind sofort die umfassendsten Vorkehrungen ge troffen worden, damit der Betrieb in aller Kürze wieder aus genommen werden kann. — Die Briket-Anlage, Sortirwerke und Kessel sind vollständig erhalten geblieben; auch die vor handenen Kohlenvorräthe wurden nicht vom Feuer angegriffen. — In Chemnitz wurden bei der Stadtverordneten wahl fünfzehn Sozialdemokraten und zwei von den Ordnungs parteien gemeinsam aufgestellte Kandidaten gewählt. — Die Amtshauptmannschaft Chemnitz hat dem Regulative der Gemeinde Jühnsdorf, die Erhebung einer Gemeindesteuer von Konsumvereinen, Produktenvertheilungs- Vereinen und ähnlichen Genossenschaften betreffend, die Ge nehmigung versagt, weil ein örtliches Bedürfniß für Ein führung einer solchen Besteuerung nicht als vorhanden an erkannt werden konnte. — Seinen Eltern einen argen Streich gespielt hat der 11 jährige Sohn des Gutsbesitzers Wohlrab inLottengrün. Nach anfänglichem Leugnen hat das Bürschchen gestanden, am Nachmittag des 14. d. M. (Sonntag) in dem Kohlen schuppen des väterlichen Guts mit Streichhölzchen gespielt und dabei einen Brand verursacht zu haben, welcher infolge des heftigen Windes alsbald auch die übrigen Wirthschafts- gebäude ergriff und sie in Asche legte. — Der Webergeselle Glaser in Meerane, der wegen dringenden Verdachts, den Weber Wolf am 1. Sept, ermordet zu haben, verhaftet und der Staatsanwaltschaft zu Zwickau übergeben worden war, ist jetzt wegen Mangel an genügenden Beweisen wieder auf freien Fuß gesetzt worden. — Die Leipziger Ausstellungs-Lotterie wird vom 2. Dezbr. zwei Wochen lang bis zum 15. Dezbr. gezogen. — Die Frage: „Wird die Leipziger Ausstellung ein Defizit ergeben?" beschäftigt jetzt die weitesten Kreise. Dieselbe läßt sich mit Ja und mit Nein beantworten, woraus bereits der Leser schließen mag, daß das Resultat auf des Messers Schneide stehen wird. Bei der Abrechnung wird sich voraussichtlich, d. h. mit positiver Sicherheit läßt sich dies auch heute noch nicht seststellen, eine Unterbilanz von rund 200 000 Mark ergeben. Diese rechnungsmäßige Unterbilanz läßt sich jedoch nicht schlankweg als Defizit bezeichnen, da 100 000 Mark von dieser Summe die Stadt Leipzig trägt, welche bekanntlich 100 000 Mark L konäs psräu und außerdem noch 150 000 Mark gezeichnet hat, mit denen sie in der Reihe der übrigen Garantiefondszeichner rangirt. Es bleiben also noch 100,000 Mark zu decken. Als Garantiefonds sind seiner Zeit 2,800,000 Mark gezeichnet worden — die Zeichnung der Stadt ist hier mit einbegriffen. Von den Garantiefonds zeichnern, die sich je nach ihrem Antheile in das Deficit würden theilen müssen, würde also ein jeder etwa über dreieinhalb Prozent der von ihm gezeichneten Summe ein zahlen müssen. — Von seiner Logirfrau wurde in Löbau ein dort- selbst wohnender Arbeiter mit einer gefüllten, thönernen Kaffeekanne derartig auf den Kopf geschlagen, daß sich nicht nur der gejammte Inhalt über ihn ergoß, sondern er auch verschiedene Verletzungen davontrug. Die rabiate Frauens person ist stark dem Trünke ergeben und in diesem Zustande leicht zu Gewaltthätizkeiten geneigt; da Anzeige erfolgt ist, wird sie sich noch an gerichtlicher Stelle zu verantworten haben. Tages-Ereignisle. — Aus Berliner diplomatischen Kreisen verlautet zur ostasiatischen Verwickelung, daß China sich nicht ver anlaßt fühlen werde, gegen die Besetzung der Bucht von Kiau-Tschau einen mehr als formellen Einspruch zu erheben; man sei vielmehr unter gewissen Cautelen nicht abgeneigt, dem Deutschen Reiche territoriale Zugeständnisse zu machen, die sich aber wahrscheinlich auf die Abtretung eines schon früher ins Auge gefaßten Küstenstreifens zur Anlage einer Kohlenstation beschränken dürften. Man erwarte im Anschluß daran eine baldige friedliche Beilegung des Zwischenfalls. — Eine Petersburger Meldung behauptet, Rußland werde keinen Einwand gegen eine dauernde Besetzung von Kiau-Tschau erheben, auch werde es sich keiner Macht in dem Verlangen, eine Erklärung von Deutschland zu verlangen, anschlietzen. — Nach einer Berliner Meldung der „Magdebrg. Ztg." bestätigt es sich, daß die diplomatischen Verhandlungen wegen der von China zu leistenden Genugthuun g für die Er mordung deutscher Missionare in Südschantuug nicht in Berlin, sondern in Peking geführt werden. — In der kommenden Tagung des Reichstages werden folgende fünf socialdemokratische Abgeordnete ^hlenLiebknecht, der 4 Monate, Lüttgenau, der 3 Monate, Bueb und Horn, die 10 Monate, und Stadthagen, der 6 und einen halben Monat zu verbüßen hat. Horn und Bueb werden auch an der Agitation für die Wahl des neuen Reichstages nicht theilnehmen können, da die Wahlperiode des jetzigen Reichs tages spätestens am 15. Juli 1898 abläuft; sie sind aber in ihren alten Wahlkreisen Dresden-Land und Mülhausen im Elsaß bereits wieder aufgestellt worden. Auch die Kandidaturen der Abgeordneten Dr. Lüttgenau und Stadthagen sind in ihren bisherigen Wahlkreisen Dortmund und Niederbarnim bereits für den Fall einer Reichstagsauflösung bekannt gegeben worden. — Die Kommission für Arbeiterstatistik tritt am 29. d. Mts. zusammen, um die Erhebungen über die Arbeiterverhältnisse im Mühlengewerbe fortzusetzen. Die Kommission ist bereits seit 1892 mit Erhebungen über die Verhältnisse in Getreidemühlen beschäftigt, doch wurden ihre Arbeiten durch die Feststellungen über die Lage der Kon fektionsindustrie unterbrochen. Mit Rücksicht auf die Staub entwickelung in den Mühlen war seiner Zeit vom Reichs gesundheitsamte vorgeschlagen worden, daß die Arbeiter in Mühlen mit regelmäßigem Tag und Nacht laufenden Betriebe nur während einer zwölfstündigen Tag- oder Nachtschicht be schäftigt werden sollten; in Wind- oder Wassermühlen sollte eine Ruhezeit von mindestens 8 Stunden gewährt werden. Nach den vorliegenden Antworten haben sich die Mühlen- besttzer fast durchweg gegen Festsetzungen über die Arbeitszeit erklärt; die Gesellen und Arbeiter haben selbstverständlich das Gegentheil gethan. Die schriftlichen Vernehmungen sollen jetzt durch mündliche ergänzt werden; alsdann wird die Kommisson an der Hand dieser Urtheile ihr Gutachten abgeben. — Was manche Orte für Opfer bringen, um fremde Industrien heranzuziehen, geht unter anderem daraus hervor, daß dem in Meid« in Thüringen geplanten neuen Jute spinnerei- und Webereiunternehmen seitens der Stadt ein ca. 40 000 Quadratmeter umfassendes, an der Bahn sehr günstig gelegenes Areal kostenfrei überlassen worden ist. Außerdem gewährt die Stadtgemeinde der Gesellschaft einen mehrjährigen Steuererlaß. — In Kunzendorf bei Sagan brennt der Braun kohlenschacht der Lohser-Werke von Mayer u. Co. Der Förderthurm und die Schurre sind vollständig eingeäschert. Die Belegschaft konnte bis auf neun Vermißte gerettet werden. Es sind Vorkehrungen zur Rettung der noch im Schachte befindlichen Bergleute getroffen. Der Brand ist noch nicht gelöscht. — Am Montag früh fand auf dem Schießstande in Bremen ein Pistolenduell unter sehr schweren Bedingungen zwischen den Sekondelieutenants von Schoenfeld und Sieg mund vom 75. Hanseatischen Infanterieregiment statt, v. Schoenfeld wurde durch die Brust geschossen. Sein Zustand ist hoffnungslos. — Auf der Ostsee herrschte in den letzten Tagen ein Orkan aus Westnordwest von furchtbarer Stärke. Kapitäne, die seit Jahrzehnten die Ostsee befahren, erzählen, noch nie ein solches Wetter erlebt zu haben. Die Dampfschiffe sind meist mit mehrtägigen Verspätungen am Bestimmungsort ein getroffen. Viele haben einen Theil ihrer Decksladungen über Bord werfen müssen. — Die bayerische Kammer begann Mittwoch die Berathung des Antrages v. Vollmar betreffend die Amnestir- ung der wegen Haberfeldtreibens Verurtheilten und des An trages Pauli betreffend die möglichst weitgehende Begnadigung der verurtheilten Haberer, die von Fall zu Fall erfolgen soll. Nachdem die Antragsteller ihre Anträge eingehend begründet hatten, erklärte der Justizminister, der Erlaß einer Amnestie sei unmöglich, weil die Gründe für die Verurtheilung bei den einzelnen Personen sehr verschieden waren, und weil bei Erlaß einer Amnestie neue Ruhestörungen gerade in jenen Gebieten befürchtet werden müßten, welche man jetzt von dem Unwesen des Haberfeldtreibens befreit habe. Dagegen er klärte sich der Minister bereit, jedes berechtigte Begnadigungs gesuch zur Würdigung zu empfehlen. Im Laufe der Debatte wurde von allen Seiten eingeräumt, daß die Bewohner der in Frage kommenden Gegenden durchweg sehr erfreut seien, daß dem Haberfeldtreiben ein Ende bereitet wurde und daß der von den Haberern ausgeübte Terrorismus verschwunden sei. Die Debatte über die Anträge wurde sodann auf Freitag vertagt. — Vor Kurzem wurden in Königgrätz zwei polnische Juden, und zwar der 29jährige Elioe Mandelbaum aus Oswieczim und der 42jährige Israel Blumenfeld aus Pincuh in Russisch-Polen angehalten. Dieselben sind ver dächtig, sich mit Export von jungen Mädchen in verrufene Häuser des Auslandes beschäftigt zu haben, und wurden veshalb in Haft behalten. — Ein großes Feuer zerstörte in Petschek (Böhmen) die Zuckerraffinerie und einen Theil der Vorräthe. Etwa 20 bis 30 Ghöfte wurden vom Feuer ergriffen. Personen find, soweit bisher bekannt, nicht verletzt worden. — Im österreichischen Abgeordnetenhause gab es Mittwoch einen ungeheuren Tumult. Dem Anträge auf namentliche Abstimmungen über die Veröffentlichung der Petitionen setzte die Mehrheit einen Gewaltstreich entgegen. Der Jungtscheche Dyk beantragte, sämmtliche Petitionen zu drucken, um so die vielen namentlichen Abstimmungen zu vereiteln. Daraufhin entstand großer Lärm. Der Präsident läßt eine Debatte nicht zu (!!). Es werden unter großem Lärm mehrere Anträge gestellt. Schönerer erhält schließlich das Wort, doch verlangt der Präsident, daß er nur einen Antrag stelle. Rufe: Das werden Sie hören! Darauf entzieht der Präsident ohne'Weiteres Schönerer das Wort. Ein Sturm brach nun los. Schönerer stürzt gegen den Prästdentenstuhl vor, links drängen sofort die Deutschen, rechts die Tschechen nach. Schönerer ruft mit dröhnender Stimme: „Ich protestire!" Stürmischer Beifall und Lärm. Die Tschechen dringen auf Wolf und Schönerer, welche unmittelbar vor dem Präsidium stehen, ein. Es kommt zu Thätlichkeiten. Schönerer nimmt die Präsidentenglocke. Der Lärm ist unbeschreiblich. Der Präsident verläßt seinen Platz, und das Präsidium bleibt von beiden Parteien besetzt. Die stürmischen Auseinandersetzungen dauern fort. Es ereignen sich zahlreiche Zwischenfälle. Nach Wiederaufnahme der Sitzung sagt der Präsident, die Glocke wegstellend und eine andere Glocke nehmend: „Ich nehme eine andere Glocke, nachdem Schönerer den Muth gehabt hat, diese zu ergreifen." Wolf nimmt gleichfalls eine neue Glocke in die Hand, Schönerer eine dritte Glocke. Alle drei läuten unter dem Beifall links und fortwährendem Lärm. Nach einigen un verständlichen Worten verläßt der Präsident wiederum seinen Platz, und nun stürmen die Tschechen wüthend auf Wolf