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>ausS^ Gül- p m-s-''" Rabenauer Anseiger und Zeitung für Seifersdorf, Groß- und Klcmölsa, Obcrnanudorß Hainsberg, Eckersdorf, Cohmannsdorf, Lübau, Borlas, Spechtritz etc. Nmmätt89. Donnerstag, den 5. August 1897. 10. Jahrgang. Ans unserer Gegend. — Die interimistische Po stverbin dn ng mit und bmi HainSberg ist dergestalt geregelt, daß früh 8 Uhr die Post abgefertigt wird, und gegen 10 Uhr Vorm, eine solche hier eintrifft. Dafern es nothwendig erscheint, wird für Nachmittags noch eine Botenpost eingerichtet werden. — Am vergangenen Dienstag Nachmittag 3 Uhr wurde die beklagenswertste Fran Schneider, welche am 30. vorigen Monats in den tobenden Flutsten der Weißeritz ihr junges Leben eingebüßt statte, zur letzten Ruhestätte gebracht. Die Angehörigen waren hierbei begreiflicher weise ans das Tiefste erschüttert. — In Hainsberg ist nun seit Montag von dcu Pionieren für Fußgänger eine Nothbrttcke über die Weißeritz hergeftellt worden, zu welcher von hier aus der Zugang vor der Schmelztiegelfabrik zu nehmen ist. Hoffen wir, daß die Herstellung massiver Brücken zu vollem Ver kehr nun auch baldigst iu Angriff genommen werde. — Am härtesten wohl von allen Weißeritzortschaften ist das bisher so rege vorwärts arbeitende, circa 8000 Einwohner zählende Deuben nütgnwmmen worden. Nach einer ungefähren Ueberschlagung kann der Gesammtschaden «ns über eine Million Mk. geschätzt werden. Nicht einge rechnet ist der durch den Stillstand von Fabrik-Etablisse- Mttts und größeren Handwerksbetrieben entstehende, noch nicht zu übersehende Verlust. Gegen 20 Grundstücke wurden vollständig von den Fluthen weggerissen und an die Hundert sind mehr oder minder beschädigt. Eine schreckliche Nacht verbrachten die, welche in den vom Wasser umflutsteten Häusern zurückgeblieben waren- Von vielen Testen hörte man durch die stockfinstere Nacht Md die rauschenden Fluthen nur schwach übertönend um Hilse »stech ohne solche bringen zu können. Desto deutlicher aber war das Krachen der einstürzenden Gebäude zu ver nehmen. Gegen 100 Familien sind obdachlos geworden und die Unterbringung derselben ist um so schwieriger, als stier bereits eine Wvhnungsnoth vorher bestand. Auch die Bahnverbindung ist unterbrochen. Hoffentlich wird dieselbe bald wieder hergestellt, um vor allem Kohlen zuzuführen, da die hiesigen Kohlenwerke unter Wasser gesetzt sind. Die meisten Betroffenen sind arm und thnt daher schleunige Hilfe nvth. Es ist zu hoffen, daß der bereits hinausge sandte Nothschrei nicht ungehört verhallen wird und, wie stets bei Unglückssällen, deutsche Frauen und Männer ihre Hilfe nicht versagen werden. Das Gemeindeamt zn Deuben, Bezirk Dresden, nimmt dankbar jede Gabe entgegen. — Montag Nachmittag in der vierten Stunde kamen unter Führung des Herrn Anstshauptmann Dr. Schmidt und des Herrn Gemeindevorstand Nudelt Se- Majestät König Albert, Se. Königliche Hoheit Prinz Friedrich Anglist, sowie Se. Excellenz der Kriegsminister und andere höhere Persönlichkeiten in den Plauenschen Grund und besichtigten die durch das Hochwasser angerichteten Ver wüstungen. — Das Hilfskomitee für die Wasserbeschädigten hat zwischen Deuben und Dresden Omnibusverbindung einge richtet. Die Wagen verkehren nach folgenden Angaben: Ab Deuben 10 Uhr Vorm., 1 Uhr Mittags und 3 Uhr Nachm. von Wagners Gasthof. Ab Dresden: 10 Uhr Vorm., 12 Uhr Mittags und 6 Uhr Abends vom Trvm- peterschlößchen am Dippoldiswaldaer Platz. Der Fahrpreis beträgt 30 Pfg. und sind die Billets in Wagners Gasthof zu entnehmen. — Die Hamburger Packetfahrt-Actiengesellschaft macht zu der Nachricht von der Unterschlagung von 50000 Mk. bekannt, daß das Geld sich wicdergesunden habe. Der Commis Hilpert sei jedoch noch immer verschwunden. — Auf ein schweres Verbrechen läßt eine im neuen Teiche des Bürgerparkes zu Braunschweig gefundene Mädchenleiche schließen. Die Todte mag 13 Jahre alt sein. Das Wasser in jenem Teiche hat nur eine Höhe von etwa 75 cm, so daß Selbstmord nicht in Betracht kommt. Ueberdies war das Gesicht der Todten zerkratzt, und an ihrer Unterkleidung zeigte sich viel Blut. Die Todte ist ein kräftig gebautes Mädchen mit blondem Zopf; sie war bekleidet mit rothpunktirtem Hellen Sommerkleid, schwarzen Strümpfen rind gelben Lederschuhen. Da in Braunschweig ein Mädchen nicht als vermißt gemeldet und die Todte sonach unbekannt ist, glaubt die Polizei, daß ein Ver brechen vorliegt, das an anderer Stelle verübt und mit Verschleppung der Leiche in den Teich abgeschlossen sein dürfte. Der Theil des Bürgerparkes, wo die Leiche ge funden wurde, ist erst im Entstehen; zwischen den Kehricht haufen, die dort zur Aufschüttung und Terrainerhöhung augefahren werden, pflegt sich stets zweifelhaftes Gesindel umherzutreiben. — Eine Billion. In einem Gesellschaftskreise wurde kürzlich die Frage gestellt, wie viel Zeit erforderlich sei, um eine Billion zu zählen, von 1—100 eine Minute ge rechnet. Das genau berechnete Resultat war überraschend, denn es kamen, ununterbrochen Tag und Nacht gezählt, nicht weniger als 19000 Jahre heraus. Wer'« nicht glauben will, mag nachrechnen. Zählt man nämlich in einer Minute bis auf 100, so kommt man in einer Stunde auf 6000, in einem Tage von 24 Stunden auf 144000, in einem Jahre auf 52 460000 und 19000 Jahren auf 995 905 000000, was noch keine volle Billion auSmacht. Vorausgesetzt wird, daß man die größeren Zahlen ebenso schnell als die kleinen aussprechen kann, da sonst die Frist sich bedeutend verlängern dürfte. (Nachdruck verbolen.) Die Gewalten der Hieke. Roman von Lothar Brenkendors. „Du mußt mit Den en Gedanken sehr weit von hier chtfmck sein," sagte er mit einein Anflug von Hohn, der seinem Munde besonders häßlich klang. Da Du selber r» Deinem Bedauern hier festgehalten bist, schickst Du ivenigsteus Deine Wünsche spazieren, nicht wahr?" „Ja!" erwiederte sie ruhig. „Möchtest Da mir viel- incht auch das noch verbieten?" Die gelassene Art, in der sie seine spöttische Ver- iAlthung bestätigt hatte, reizte seinen schon erwachten Uu- We» ersichtlich noch mehr. „Du fühlst Dich also sehr unglücklich — wie? Und Gun Tu heute Deine Freiheit erhieltest, würdest Du das >vie eine Erlösung begrüßen? Gesteh's nur ein — man liest Dir's ja ohnedies deutlich genug vom Gesicht ab." „Wenn es so ist, weshalb verlangst Du dann noch eine Bestätigung zu hören?" Wolferdingen maß sie mit einem funkelnden Blick. „Es muß wahrhaftig weit mit Dir gekommen sein, ^ß Du die Stiru hast, so zu mir zu reden. Nicht einmal die Scham verbietet Dir also mehr, Dich zu der schmach- dollen Lüge zu bekenne«?" „Zu welcher Lüge?" „Hast Du vielleicht einen anderen Namen für das Gelöbnis;, das Du mir am Altar abgelegt hast? Ist es dicht eine Lüge gewesen, wie alle Versicherungen Deiner Kiebe?" Ohne eine Miene zn verziehen und ohne jedes An- ickchm von Erregung schüttelte sie den Kopf. „Du bist im Jrrthum — damals habe ich Dich nicht "elogm." „Haha, dann muß es eine sonderbare Art von Liebe Evesen sein, denn ich habe nach unserem Hochzeitstage ioeistg davon bemerkt. Niaske und Heuchelei — weiter dichts!" „Weshalb hätte ich damals heucheln sollen, als ich dis Freiheit hatte, mich zu verschenken oder zu versagen, ^ie es mir gefiel?" „Genau so sagte ich mir an dem Tage, da Du mir ^vissermaßen Deine Hand antrugst. Denn Du wirst Dich doch wohl erinnern, daß nicht ich es gewesen bin, der iderst daZ entscheidende Wort gesprochen hat." „O, ich erinnere mich dessen Tag für Tag, es hätte Estler Mahnung, die so überaus ritterlich ist, dazu wahr- "H nicht bedurft." „Verschone mich gefälligst mit diesen Phrasen von Ritterlichkeit und dergleichen !" brauste der Obersttieutenant heftig auf. „Ich glaube in diesem Punkte Deiner Be lehrung nicht zu bedürfen. Jedenfalls war ich damals, als ich Lich im Hause des Grafen Nhhneck kennen lernte, ritterlich genug, nicht an eine eheliche Verbindung zu denken. Du mußtest mir sehr weit entgegenkommen, nm mich den Unterschied unserer Jahre und meinen schlechten Gesundheitszustand vergessen zu lassen. Hütte ich eifriger in den Spiegel gesehen, so wäre ich freilich wohl trotzdem etwas mißtrauisch gewesen dieser vermeinten Leidenschaft gegenüber, die ich so plötzlich in Dir geweckt haben sollte." Die Lippen der jungen Frau verzogen sich zu einem bitteren Lächeln. „Wie wenig verstehst Du Dich doch aus ein Frauen herz, wenn Du meinst, daß nur Jugend und Schönheit im Stande seien, Liebe zu erzeugen. Nicht Du wurdest von mir betrogen, sondern ich betrog mich selbst. Als ich Dich kennen lernte, war ich wenig mehr als ein Kind, und für meine kindliche Phantasie gab es nichts Herrlicheres, als den ruhmgekrönten Helden, der auf dem Schlachtfelde gekämpft und geblutet hat. Noch ehe ich Dich zum ersten Riale gesehen, erzählte man mir von Deiner Unerschrocken heit und Deinem todesverachtenden Muth. Ich kannte Dich nicht, und Deine Gestalt wuchs in meiner Vorstellung zu der übermenschlichen Größe eines sagenhaften Helden. Und als Du dann endlich vor mich hintratest, als sich zu der Bewunderung auch das Mitleid gesellte —" „Das Mitleid?" fiel Wolferdingen beleidigt ein. „Ich wüßte wahrlich nicht, wodurch ich es herausgefordert hätte, und ich versichere Dich, daß mir an Deinem Mit leid verteufelt wenig gelegen war." „Ich selber gab ihm möglicherweise damals einen anderen Namen, heute aber weiß ich besser zu beurtheilen, was zu jener Zeit in meinem Herzen vorging — unreife Schwärmerei und Mitleid. Ich sah, daß Du littest, und Deine Leiden rührten mich um so tiefer, je tapferer Du sie vor mir und den Anderen zu verbergen suchtest." „Iu der That — äußerst romantisch! Aus unreifer Schwärmerei und Mitleid also botest Du Dich mir bei der erste» passenden Gelegenheit als Gattin und Pflegerin an? Die Geschichte ist sehr poetisch, aber ich meine, sie könnte eigentlich noch viel poetischer sein, da Du doch mehrere Jahre Zeit gehabt hast, sie zu ersinnen." Wie Erstaunen zuerst und dann wie Verachtung spiegelte es sich auf Jlona's schönem Gesicht. „Du glaubst mir nicht? Das ist beschämender für Dich als für mich." Die dickaufliegenden Adern an seinen Schläfen schwollen noch höher an. „Wäge Deine Worte! Ich glaube Dir nicht, weck Deine Bewunderung wie Dein Mitleid so wunderbar schnell verflogen sind, und weil sich für Deine damalige Handlungsweise doch wohl noch eine andere Erklärung finden läßt, die zwar viel prosaischer, aber auch viel ein leuchtender ist." „Eine andere Erklärung? Ich weiß nicht, wie Du das meinst." „Wirklich nicht?" höhnte er. „Man hatte Dir neben allem Anderen vermuthlich doch auch erzählt, daß ich ein leicher Mann sei, und um den Preis, meine Erbin zu werden, hätte sich wohl auch manche- andere mittellose Mädchen bereit gefunden, ein paar Jahre lang meine Pflegerin zu sein." „Sie maß ihn mit einem stolzen Blick; dann wandte sie sich von ihm ab. „Ich habe keine Antwort auf eine Beschimpfung, die nur Dich selbst erniedrigt." „Weib!" fuhr er auf, und sein Athem ging hörbar. „Meinst Du, Du sprächest zu einem Knaben?" Sie erwiederte nichts, obwohl er lange flammenden Auges auf ein Wort von ihr wartete. Da sie sichtlich entschlossen war, diese Unterhaltung nicht fortzusetze», neigte er seinen Oberkörper näher zu ihr, und es kam fast zischend über seine Lippen: „Willst Du, daß ich Dir die ganze Wahrheit sage? Willst Du erfahren, warum ich Dir nichts von Deinen romanhaften Erfindungen glaube — nicht ein einziges Wort?" Ihr Gesicht blieb noch immer abgewandt, und die Unbeweglichkeit ihrer Haltung war gewiß nicht darnach angethan, seinen immer heißer auflodernden Zorn zu be sänftigen. „Weil Deine lieblose Gleichgültigkeit nicht die schlimmste Deiner Sünde» ist," fuhr er keuchend fort, „weil Du mich hintergehst — weil Deine Gedanken bei einem Anderen sind! Sieh mir doch in's Gesicht und versuche doch zu leugnen, wenn Du kannst!" Er hatte mit brutalem Griff ihren Arm erfaßt, wie wenn er sie dadurch zwingen wollte, ihm ihr Antlitz zu zeigen. Und er erreichte seine Absicht, denn indem sie sich ungestüm losriß, begegnete Ilona furchtlos seinem funkeln den Blick. „Meine Gedanken sind mein!" rief sie, und ein leiden schaftlich heißes Feuer durchbrach mm auch bei ihr die so lange behauptete kühle Gelassenheit. „Ich habe geschworen, daß meine Handlungen unsträflich sein werden, so lange ich Dein Weib bi». Darüber hinaus gehen Deine Rechte nicht." (Fortsetzung folgt.)