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Wenauer Anzeiger und Zeitung für Seifersdorf, ^vß- und Klemölsa, Obernaundorf, Hamsberg, Eckersdorf, Coßmannsdors, Lübau, Borlas, Spechtrktz etc. Zimmer 83. Donnerstag, den 22. Juli 1897. 10. Jahrgang. Aus unserer Gegend. „Das ist das Fest Werth!", mochte der Himmel als er sich entschloß, das, was er am ersten Tage Schützenfestes mit dem Wetter verabsäumt hatte, , mild der übrigen beiden Tage wieder nachznholen, denn >'oilos strahlte er am Montag über der fröhlichen Stadt, k' Mittelpunkt dieses Tages bildete der Nachmittags 2 von der „Großen Mühle" ans sich in Bewegung ^e historische Zug, welchem die Tell-Jdee zu Grunde war. Die Kostüme der hervorragenderen Figuren, B. die des Geßler, Rudenz, Teil mit seinen beiden H?ven usw. waren reich und geschmackvoll und gleich den Trachten des Schweizervolkes dein Jahrhundert Zechend, in welchem die Tellsage sich abspielt. Ein Laubwerk geschmückter Wagen, zu welchem Herr Frei- 'i^sitzer Hamann-Kleinölsa bereitwilligst das Ochsen- " gestellt hatte, trug einen Kranz jugendlicher Mäd- ^kstalten und als der von der Bewohnerschaft mit vielein aufgenommene Zug den Festplatz erreicht hatte, be- das Schießen nach dem Vogel, bei welchem von der Damen Frau Haschke den Königsschuß that, h ^'d von dem, den Herren bestimmten Vogel Herr f'uer-Hainsberg sich das Königskleinod herab holte. An Dienstag hielt der Himmel sein Versprechen, und, !. Mn, um demselben höheren Werth zu verleihen, zeigte zAen 4 Uhr nur in der Nähe ein grollendes West- da- ex jedoch gnädig vorttberziehen ließ. Bei dem Mm nach der Königsscheibe wußte Herr Policrermeister i^cher sich durch einen Kernschuß dar einjährig« Königs- zu sichern und nachdem derselbe in Parade seiner !^snng zugeführt worden war, begann ein von zahl- M Gästen besuchter Ball, an welchem Schützenlaune Frohsinn herrschte, bis die vorgerückte Zeit der dies ¬ jährigen Schützenherrlichkeit ein Ende setzte. — Das geplante Concert der Sängergruppe Dip poldiswalde findet am Sonntag, den 25. Juli, statt. Zu dieser Gruppe gehören die Männergesangvereine von Rabenau (Apollo und Doppelquartett), Großölsa, Höcken dorfs. Posseudorf (Arion), Reichstädt, Reinhardtsgrimma, -^-Äeberg, Seifersdorf und Dippoldiswalde. An dem Mni uden Sonntag, Nachmittag 4 Uhr, wird sich der Festzug der Sängerschaft vom Rathhause aus durch die Herrengasse, Altenberger-, Freiberger- und Bahnstraße, über den Markt und auf der Technikuniallee nach dem Schützen hause bewegen, wo das Concert bei günstiger Witterung im Garten um 5 Uhr seinen Anfang nehmen soll. Für das Programm sind 6 Massengesänge vorgesehen, die unter Leitung des Gruppendirigenten, Herrn Oberlehrer Cantor Hellriegel, theils mit Musikbegleitung von 150 bis 200 Sängern vorgetragen werden. Außerdem hat jeder Verein einen Einzelvortrag zugesagt. — Die Tageslänge ist nun wieder in langsamer Abnahme begriffen. Die längsten Tage mit rund 16 Stunden 29 Minuten Länge sind vorüber. In den nächsten drei Wochen vermindert sich die Tageslänge um 20 Minuten. Später erfolgt dann die Abnahme schneller, in diesem Monat noch um eine Stunde 5 Minuten, im August um 1 Stunde 45 Minuten rc. — Hart vom Schicksal heimgesucht wird die Familie des Fabrikarbeiters W. in Deuben. Während die er wachsene Tochter vor längerer Zeit dem Krankenhause zugeführt werden mußte, erkrankte die Ehefrau und kaum etwas genesen stürzte am Sonntag der Ehemann beim Kirschenpflücken in Hains berg vom Baume. Außer Nippenbrüchen verletzte sich derselbe auch am Kopfe, sodaß der Transport mittelst Geschirr in seine Wohnung erfolgen mußte. — In Niederhäslich nahm sich am Sonntag die in den vierziger Jahren stehende Kohlenleserin L. durch Erhängen da» Leben. Die Gründe, die die Unglückliche in den Tod getrieben haben, sind gänzlich unbekannt; Nahrungssorgen sind ausgeschlossen. Der Ehemann der Verstorbenen hat vor längeren Jahren seine Frau mit den Kindern verlassen und soll nach Amerika ausaewandert sein, ohne je wieder etwas von sich hören zu lassen. Die Mutter hat dann unter großen Mühen und Sorgen ihre Kinder großgezogen und nun doch noch ihrem Leben frei willig ein Ende gemacht. Die beiden älteren Kinder be- theiligten sich am Sonntag an einer Omnibusparthie; den Schreck, der ihnen bei ihrer Rückkehr zu Theil wurde, kann man sich leicht denken. — Was die Einwohner von Edle Krone schon lange voraus sahen, ist vorige Woche eingetreten. Der Haltestellenaufseher Lange in Edle Krone, dem man seit längerer Zeit schon keinen Halt mehr zutraute, ist jetzt plötzlich verschwunden, ohne bis heute auf seinen Posten zurückzukehren. Lange, der aus Dresden an seine Frau geschrieben haben soll, wußte, daß ihm Revision bevorstand, weshalb er Plötzlich, ohne Urlaub, das Weite suchte. Das Deficit in der Kasse ist ganz unbedeutend, umsomehr, als seine bedauernswerthe Frau die Hälfte des Fehlenden sofort deckte. — Der Norddeutsche Lloyd hat den Zwischendecks preis nach New-Jork auf den Postdampfern auf 140 Mk. herabgesetzt. Auf den Schnellpostdampfern betragen die Kosten 160 Mk. Ein Platz im Zwischendeck nach Balti more kostet 130, nach Galveston 140 Mark. Laut der Bremer amtlichen Statistik geht die Auswanderung unge wöhnlich zurück. Im ersten Halbjahre 1897 waren 20548 Auswanderer gegen 43086 im Vorjahre zu verzeichnen. (Nachdruck verboten.) Die Gewalten der Hiese. Roman von Lothar Brenkendorf. --Denn er war hohe Zeit, daß ich selber bis an den k jMlor zurückging, um ein paar Athemzüge reiner Luft Aber ich wollte ihn nicht seinem Schicksal über- H--Eic haben ihn gerettet? — O, das war eine edle sagte Helene wie geistesabwesend. "Eine heillose Dummheit war's!" rief der Ober- A- „Mein eigenes Leben habe ich gewagt, um den ZU retten. Obwohl mir's selber schon schwarz vor L^.gen wurde, habe ich ihn doch getragen und mit- ^ist, bis wieder der frische Luftstrom über uns hin- Er wäre gewiß nicht lebendig zu Tag gefahren Aich." Die junge Lehrerin blieb stehen und ergriff zu seiner ^»loseu Üeberraschung mit ihren beiden Händen seine »Wenn ich Ihnen in meinen Gedanken jemals Un- gethan habe, Herr Neidhardt, wenn ich hart und Endlich gegen Die war, heute bitte ich Sie deshalb ganzem Herzen um Verzeihung. Ich wußte es ja k>ie hochsinnig und edel Sie sind." erste« Moment zwar hatte Neidhardt nur die be- Mde Empfindung ihrer Freundlichkeit; dann aber, als "(an dachte, womit er sich dieselbe verdient habe, stieg r^lttsüchtige Groll gegen Treysa nur noch heißer in ^»Also weil ich diesem Elenden das Leben erhalten h?. bin ich in Ihren Augen plötzlich wieder ein guter iM? Wahrhaftig, ich würde es natürlicher finden, Sie mir einen Vorwurf daraus machten, denn hMd hätte so guten Grund ihn zu hassen, als ge- Sie." H Die Lehrerin schüttelte mit Enschiedenheit den Kopf. 'jM»d im Jrrthum, Herr Neidhardt! — Er hat nicht an mir gehandelt, wie Sie vielleicht glauben. Ich r habe unser Verlöbniß gelöst." Der Obersteiger wurde durch diese ruhige und be- Erklärung sichtlich auf's Aeußerstc überrascht. »Und das soll ich Ihnen glauben?" fragte er zweifelnd, tzjx mjr denn nicht eben erst einen deutlichen dafür gegeben, daß Sie ihn auch jetzt noch "Wenn es auch so wäre, es ist darum doch die volle Wahrheit, was ich Ihnen sage. Ich habe kein Recht, einen Vorwurf gegen Herrn v. Treysa zu erheben." „Nun, das verstehe ich nicht, oder ich muß wohl an nehmen, daß er irgend welche Teufelskünste gebraucht hat, um Sie zu einem solchen Entschluß zu bringen. Vielleicht ist eS Ihnen auch nur darum zu thun, mich los zu werden, indem sie mir dar Märchen von Ihrer freiwilligen Ent sagung erzählten. Selbst meine Freundschaft ist Ihnen zuwider — nicht wahr?" „Habe ich Sie denn nicht gebeten, mir mein häßliches Benehmen von damals zu verzeihen?" fragte sie leise. Ich weiß jetzt, daß ich Ihnen Unrecht gethan habe, und ich ivürde keines Menschen Freundschaft so gern annehmen, al- die Ihre." Die finstere Miene des Mannes erhellte sich, und eS war wieder ganz die alte treuherzige Gutmüthigkeit, die aus seinen ehrlichen Zügen sprach. „Wenn das Ihr Ernst ist, Fräulein Helene — ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie froh und glücklich es mich machen würde. Aber Sie müssen es nicht bei den guten Worten bewenden lassen, Sie müssen mir's auch durch die That beweisen, daß Sie mich von jetzt an als Ihren Freund ansehen wollen." Sie senkte den Kopf, und ein schmerzliches Lächeln, dessen Anblick ihm tief in die Seele schnitt, war auf ihren Lippen. „Ich gehe fort von hier," erwiderte sie, man will nicht, daß ich länger an der hiesigen Mädchenschule unter richte." „Das heißt, es ist Ihr eigener Wunsch, Friedenthal zu verlassen." „Nein, ich werde fortgeschickt. Nach der Meinung der Behörde bin ich es nicht mehr Werth, daß ahnungslose Eltern mir Ihre Kinder anvertrauen." „Wer hat es gewagt, so etwas auszusprechen?" fuhr der Obersteiger heftig auf. „Nennen Sie mir seinen Namen, und wer es auch sein mag, ich werde ein kräftiges deutsches Wörtchen mit ihm reden." „Ich danke Ihnen für Ihre Absicht; aber dessen bedarf es nun nicht mehr. Ich habe mich bereits für einen anderen Aufenthaltsort entschieden." „So rasch?" fragte er bestürzt. „Und es wäre nichts mehr daran zu ändern?" „Nein — eS ist unwiderruflich beschlossen." „DaS ist sehr hart für mich, Fräulein Helene! — Wohin wollen Sie denn gehen?" „Ich werde es Ihnen später sagen, Herr Neidhardt, denn ich bin verpflichtet, es für jetzt noch als ein Ge heimniß zu bewahren." Die freudige Stimmung des Obersteigers war ganz dahin, und es klang recht in tiefster Seele betrübt, als er nach einem kurzen Schweigen beklommen fragte: „Und wann — wann wollen Sie reisen?" „Ich kann es Ihnen noch nicht sagen." „So werden Sie sich vielleicht entschließen, e- morgen zu thun," beharrte er mit rührender Standhaftigkeit. „Wollen Sie mir nicht wenigstens erlauben, Sie dann noch einmal darum zu befragen?" „Ja," erwiderte sie ohne Zögern und mit einem Ernst, der fast etwa- Feierliches hatte. „Wenn Sie morgen hierher kommen, so werden Sie alles erfahren." Sie standen bereits vor dem Häuschen der Frau Hennersdorf, und die Besorgniß, Helenen nun wirklich lästig zu fallen, bestimmte Neidhardt, sich zu verabschieden. „Auf Wiedersehen, also!" sagte er- „Und möchte der Himmel geben, daß ich einmal etwas recht Großes für Sie thun könnte, etwas, das Ihne» deutlich bewiese, wie gut ich's mit Ihnen meine." Wieder huschte für einen Moment jenes schmerzliche Lächeln, das er vorhin gesehen, über ihr Gesicht; ihre Hand aber erwiederte den Druck der seinen, und auch als sie schon längst im Innern des Hauses verschwunden war, tönte ihm noch immer der herzliche Klang ihrer letzten Worte im Ohre nach. „Leben Sie wohl, mein Freund! — Ihnen allein habe ich es zu danken, wenn ich doch wenigsten- eine einzige freundliche Vorstellung mit mir nehmen kann auf meinen Weg." Neuntes Kapitel. Al- ihn der Zufall vorhin mit der jungen Lehrerin zusammengeführt hatte, war Neidhardt eben im Begriff gewesen, sich in seine Wohnung zu begeben. Er hatte seit zwölf Stunden ununterbrochen Dienst gethan und war sehr müde gewesen. Nun aber fühlte er nichts mehr von der Mattigkeit, von dem Schlafbedürfniß, das ihm noch vor einer halben Stunde so schwer in den Gliedern ge legen hatte. Wohl kehrte er, sobald er sich von Helene getrennt, auf geradem Wege nach Hause zurück, aber eine schwer zu erklärende Unruhe, die von Minute za Minute peinigender wurde, hielt ihn davon ab, sein Lager aufzu suchen. Er berührte das Essen kaum, das ihm seine Mutter bereit gehalten hatte, und hielt die Zeitung, die er sonst sehr aufmerksam zu lesen Pflegte, lange in den Händen, ohne daß ihm der Sinn einer einzigen Zeile klar geworden wäre- Zuletzt warf er da- Blatt beiseite und begann ruhelos in der kleinen Wohnung umherzuwandern. (Fortsetzung folgt.)