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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Sonnabend, den 29. Oktober 1966, 19.30 Uhr Sonntag, den 30. Oktober 1966, 19.30 LThr 6. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Gerhard Rolf Bauer, Karl-Marx-Stadt Solist: Yury Boukoff, VR Bulgarien/Frankreich PAUSE Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 b-Moll op. 23 Peter Tschaikowski 1840-1893 Gerhard Rolf Rauer Allegro non troppo e molto maestoso Andante simplice Allegro con fuoco Sinfonie Nr. 1 C-Dur op. 19 Carl Maria von Weber 1786-1826 Scherzo Finale (Presto) Zum ersten Male Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 A-Dur Franz Liszt 1811-1886 Allegro con fuoco Andante Adagio sostenuto assai - Allegro agitato assai - Allegro moderato - Allegro deciso - Marziale un poco meno Allegro - Allegro animato Y»ry Roukoff, ein weit über die Grenzen Bulgariens hinaus bekannt gewordener Künstler, wurde in Sofia geboren, absolvierte hier seine Universitäts und Musik-Studien und lebt gegenwärtig in Paris. Schüler von Yves Nat, George Enescu, Edwin Fischer und Marguerite Long, konnte Boukoff bei verschiedenen internationalen Wettbewerben, u. a. in Sofia, Paris und Genf, erste Preise sowie Auszeich nungen erringen. Als erster Pianist machte er in den USA Schallplattenaufnahmen aller Prokofjew-Kla- viersonaten und Polonaisen Chopins; namhafte internationale Schallplatten-Gescllschaften verpflich teten ihn immer wieder. Gastspiele führten den Künstler, der in Frankreich als Solist aller großen Orchester in Erscheinung tritt, bisher u. a. nach China, in die Sowjetunion, USA, nach Kanada, Asien und Afrika. 1960 konzertierte Yury Boukoff erstmalig in der DDR. ZUR EINFÜHRUNG Carl Maria von Weber, der Meister des „Freischütz“, hat zwei Sinfonien in C-Dur geschrie ben, die zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind. Beide Werke komponierte er in der Zeit vom 14. Dezember 1806 bis 28. Januar 1807 in dem „von tiefer Waldnacht wie ein Nest voll Sang und Klang im Busch eingehegten“ Carlsruhe (in Schlesien). Hierhin hatte ihn Herzog Eugen Friedrich Heinrich von Württemberg-Öls eingeladen, wo er vom Herbst 1806 bis zum Frühjahr 1807 als Gast des musikliebenden und -ausführenden Für sten das kleine, jedoch sehr leistungsfähige Hof-Orchester leitete und jene beiden Sinfo nien schrieb. Die Monate, die Weber hier verbrachte, gehörten „zu den hellsten Licht partien in dem so schattenreichen Bilde seines Lebens“. Beide Sinfonien verzichten auf die Klarinetten, die im Carlsruher Orchester nicht besetzt waren, bevorzugt erscheinen, sicher wiederum örtlich bedingt, Oboe und Horn. Die Vorbilder des 20jährigen Kom ponisten, die Wiener Klassiker, insbesondere Haydn, sind deutlich spürbar. Mit den bei den Mittelsätzen seiner Sinfonie Nr. 1 C-Dur op. 19 erklärte sich Weber dem Musikschrift steller Friedrich Rochlitz gegenüber später noch „zufrieden“, über die Ecksätze äußerte er: „Das erste Allegro ist ein toller Fantasiesatz, im Ouvertürenstil allenfalls, in abgeris senen Sätzen, und das Letzte könnte noch ausgeführter sein“. Der erste Satz (Allegro con fuoco) wird von einem stolzen, lapidaren Dreiklangsthema eröffnet. Der hiernach zunächst geheimnisvoll und zögernd in den tiefen Streichern er scheinende zweite Gedanke, die eigentliche sinfonische Triebkraft des Ganzen, ist mit sei nem schwärmerischen Ausdruck bereits recht typisch für Weber. Da dieser Gedanke in verwandelter Gestalt auch in den anderen Sätzen auftritt, hat er geradezu leitmotivische Bedeutung. Nach einer ausgeprägten Steigerung wird einem weiteren Thema Raum ge geben, das, in h-Moll eingeführt, mit seiner leicht exotischen Note schon an den„Oberon“ gemahnt. Die weitere Entwicklung des Satzes geht freilich etwas unbekümmert vor sich, doch ist es mit dem „tollen Ouvertürenstil“ gar nicht so arg. Das Ganze besitzt einen fri schen Zug unverbrauchter Kraft und überrascht durch viele gelungene rhythmische, har monische und melodische Details. Das Thema des Andante in c-Moll wurde aus dem „Leitmotiv“ des ersten Satzes ent wickelt. Es bringt idyllische, geheimnisvolle Naturstimmungen, wie sie uns später im „Freischütz“ wiederbegegnen. Die Oboe stimmt einen As-Dur-Gesang an, der in roman tische Gefilde führt. Hörner und Fagotte weisen auf den Schauplatz der „Handlung“ hin, auf den Wald, der hier erstmalig im Weberschen Schaffen Ausdruck findet. Hermann Kretzschmar sah in diesem Satz mit seinen „Wolfsschluchtbässen und Agathenkantilenen“ das „poetische Hauptstück der Sinfonie“ und darüber hinaus „einen der schönsten lang samen Sätze, welche zur Zeit Beethovens und ganz unabhängig von diesem Meister ge schrieben worden sind“. Das kecke, spritzige und heitere Scherzo birgt in seinem Thema den Keim des späteren „Preciosa“-Marsches in sich. Vielleicht hatte der Komponist auch das Scherzo der ersten Sinfonie Beethovens im Sinn. Witzig, mit dem Reiz des Exotischen in der Thematik spielend, stürmt das Finale dahin. Die lustig beginnenden Hörner finden Antwort in den tiefen Streichern. Die Violinen nehmen dann den Ruf der Hörner auf.