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KON GRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Sonnabend, den 10. September 1966,19.30 Uhr Sonntag, den 11. September, 1966, 19.30 Uhr 2. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Ogan Durjan, Sowjetunion Ludwig van Beethoven 1770-1827 Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 (Eroica) Allegro con brio Marcia funebre. Adagio assai Scherzo. Allegro vivace Finale. Allegro molto PAUSE Richard Wagner 1813-1883 Franz Liszt 1811-1886 Siegfried-Idyll Les Preludes sinfonische Dichtung nach Lamartine OGAN DURJAN erhielt seine erste musikalische Ausbildung - im Flöten- und Orgelspiel - in Jeru salem, wo er auch von 1939 bis 1945 das Konservatorium in den Fächern Dirigieren, Komposition und Orgelspiel absolvierte. Nach weiteren Studien in Zürich begann er 1947 in Paris und Wien mit großem Erfolg seine Konzerttätigkeit. Von 1949 bis 1957 lebte Durjan in Paris und dirigierte bekannte fran zösische Sinfonieorchester. Gastdirigate führten ihn unter anderem in die Türkei und in die Nieder lande. 1957 kehrte er in sein Vaterland Armenien zurück, wo er nach seinen Konzerten in Erewan, auch in Moskau, Leningrad, Kiew, begeistert gefeiert wurde. 1960 wurde Ogan Durjan zum Chefdirigenten und künstlerischen Leiter des Sinfonieorchesters der Armenischen SSR in Jerewan ernannt - er ist auch verdienter Künstler dieser Sowjetrepublik. Der namhafte sowjetische Dirigent leitet häufig das Leip ziger Gewandhausorchester und war bereits im Jahre 1962 bei der Dresdner Philharmonie zu Gast. ZUR EINFÜHRUNG In allen Konzertsälen der Welt gilt Ludwig van Beethovens „Sinfonia eroica“ Es-Dur op. 55 als eines der populärsten sinfonischen Meisterwerke der musikalischen Welt literatur. Die einzigartige Größe dieses Werkes ist breitesten Hörerschichten vertraut, die immer wieder begeistert werden von der Idee und dem wahrhaft revolutionären Kraftstrom dieser Musik. Es ist daher kaum mehr notwendig, in einem Einfiihrungstext formale Einzelheiten von Beethovens „Dritter“ anzuführen; es sollte darum mehr das große Ganze, das Epochale dieses einmaligen Werkes herausgestellt werden. Fast legendär schon ist die Entstehungsgeschichte der Sinfonie. Beethoven, noch aus seiner Bonner Zeit ein glühender Anhänger von Aufklärung, Demokratie und der Französischen Revolution, empfing 1798 von General Bernadotte, dem Wiener Ge sandten der französischen Republik, die Anregung, ein großes Musikwerk zu Ehren des Revolutionsgenerals Bonaparte zu schaffen und ihm zu widmen. Begeistert griff Beet hoven den Vorschlag auf, doch zögerte er mit der Ausführung so lange, bis die Werkidee einer ihm vorschwebenden Heldensinfonie mehr und mehr in ihm reifte, und er auch die technische Meisterschaft zu einem solch großen Vorhaben besaß. Erst im Jahre 1801 sind Skizzen für den Trauermarsch und das Finale nachweisbar. Die genaue Konzeption und schließliche Ausarbeitung seines Projektes begann Beethoven erst 1803 und beendete sie im Mai 1804. Zweifellos hatte der Meister in Bonaparte den ersehnten Freiheits helden und Vollstrecker einer neuen gesellschaftlichen Ordnung gesehen, vermerkte er doch auf dem Titelblatt seiner neuen Sinfonie: „Geschrieben auf Bonaparte.“ Doch als sich am 18. Mai 1804 der erste Konsul der französischen Republik zum Kaiser ausrufen ließ, tilgte Beethoven, grausam enttäuscht über die Wandlung seines Idols zum Tyrannen, die Widmung und überschrieb das fertige Werk nun „Heroische Sinfonie, komponiert, um das Andenken eines großen Mannes zu feiern“. Darin aber liegt auch die ganze pro grammatische Idee des Werkes begründet, das ganz allgemein „die Idee vom Heldentum eines von republikanischen Tugenden erfüllten großen Mannes, in dessen Erscheinung sich Beethoven die fortschrittlichen politischen und gesellschaftlichen Ziele seiner Zeit repräsentiert vorstellte“ (K. Schönewolf) gestaltet, nicht etwa Episoden aus dem Leben Bonapartes. Erstmalig ging Beethoven in der „Eroica“ — als Konsequenz seiner revolutionär-demo kratischen Weltanschauung — von einer bestimmten programmatischen Idee aus. Diese wiederum hatte zur Folge, daß er zu neuartigen künstlerischen Lösungen kam, ohne dabei etwa die sinfonische Tradition aufzugeben. Dieses Neue, Epochale der schon rein umfangmäßig ungewöhnlichen dritten Sinfonie bewirkte auch, daß die Uraufführung des Werkes am 7. April 1805 im Theater an der Wien selbst bei den innigsten Anhängern Beethovens keineswegs auf vollstes Verständnis stoßen konnte. Ungewohnt aber er schien Beethovens Zeitgenossen nicht so sehr das scheinbare Maßlose einer bis dahin unerhörten „Musikentladung“, sondern mehr noch die neue Ordnung dieser Sinfonie, die das bei Haydn und Mozart Gewohnte unermeßlich steigerte. Es war, kurz gesagt, die erstmals konsequent angewandte Technik der „durchbrochenen Arbeit“, ein differen ziertes Entwicklungsprinzip des thematisch-motivischen Materials, das seinerseits zur Entfaltung neuer, erweiterter Proportionen bedurfte. Das sinfonische Schwergewicht ist auf die wesentlich erweiterte Durchführung, namentlich des ersten Satzes, gelegt; auch die abschließende Coda hat an Profil und Bedeutung gewonnen. Denkt man an Beethovens erste und zweite Sinfonie, so werden die Unterschiede gegenüber der „Dritten“ deutlich: der beträchtliche Sprung vom Einfachen zum Komplizierten in gei stiger, formaler und instrumentatorischer Hinsicht. Die schroffen Dissonanzen und wilden Ausbrüche, die unerwarteten Modulationen ver leihen dem ersten Satz seine bestechende Wirkung. Einmalig in der gesamten sinfonischen