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Wenauer Anzeiger und Zeitung für Seifersdorf, Groß- und Kleinölsa, Obernaundorf, Hainsberg, Eckersdorf, Coßmannsdorf, Lübau, Borlas, Spechtritz ete. Nummer 144. Mekannlmachung. Nach ß 34 Abs. 1 der Verordnung zur Ausführung tus Gesetzes über die Landes-Brandoersicherungsanstalt vom 18. November 1876 ist an dem Hauptzugange jedes Gebäudecomplexes diejenige Nummer, welche letzterer im Ortscataster führt, auf eine sichtbare Weise anzubringeu. ES ist wahrzunehmen gewesen, daß diese Nummern hier und da entweder ganz fehlen, oder mit der Zeit un kenntlich geworden, oder der Vorschrift zuwider nicht am Hauptzngange, sondern an einer anderen Stelle des be treffenden Grundstücks angebracht sind. Die Herren Bürgermeister, Gemeindevorstände und Gutsvorsteher werden daher veranlaßt, den Besitzern bez. Administratoren der jenigen Gebäude, an welchen Mängel der bezeichneten Art zu bemerken sind, die Beseitigung dieser Mängel binnen vierwöchentlicher Frist anfzngcben, nach etwaigem erfolg losen Ablauf dieser F>ist aber und längstens bis zum 12. Januar 18SK die Namen der säumigen Besitzer oder Administratoren anher anzuzeigen. Ist eine solche Airzeige nicht erforder lich, so ist Vakatschein einzureichen. Königliche Amtshauptmamlschaft Dresden-Altstadt, am 25. November 1895. Do. 8drmickt. Schneider. Ein Schlag gegen die Sozial demokratie. Eine überraschende Nachricht kommt aus Berlin: Die dortige Polizei hat am Freitag die Schließung von 11 sozial demokratischen Vereinen ungeordnet und dadurch die ge- sammte Organisation der deutschen Sozialdemokratie lahm gelegt. Von dieser polizeilichen Maßregel werden die 6 Berliner Reichstags-Wahlvereine, die Preßkommission, die Agilalivnskvnniuffivn, die Lvkalkvmmission, der Verein öffentlicher Vertrauensmänner und des Parteivorftandes der wzialoeinokratischen Partei betroffen. Die Schließung erfolgte auf Grund des 8 8 der Verordnung über die Verhütung eines die gesetzliche Freiheit und Ordnung ge fährdeten Mißbrauchs des Versgmmlungs- undVireinignngs- rechts vom 11. März 1850. Die Führer der Sozialdemokratie haben diesen Schlag vorausgesehen und die Parteikaffe nach Zürich gebracht. Donnerstag, den 5. Dezember 1895. Man weiß also jetzt, weshalb bei ihnen am Montag jene Aufsehen erregende Haussuchungen vvrgenommen wurden. Sie sollen, wie versichert wird, der Staatsanwaltschaft Beweismaterial geliefert haben, daß die in Berlin bestehen den sechs sozialdemokratischen Wahlvereine die Bestimm ungen des § 8 des preußischen Vereinsgesetzcs fortgesetzt verletzt haben. Auf Grund des tz 16 desselben Gesetzes sei daher die vorläufige Schließung der Wahlvereine an geordnet und Anklage erhoben worden. Es wird außer dem bekannt, daß die Haussuchungen dnrch eine Aeußerung in einer öffentlichen Versammlung im vierten Berliner Reichstagswahlkreise provozirt worden sein. Dort habe der Vertrauensmann, als er uw eine genauere. Abrechnung der eingegangenen Gelder geboten wurde, erklärt, wenn er dies thäte, so könnte man leicht mit Plötzensee Bekannt schaft machen. Eine andere Meldung, daß die Hausfuch- ungen bei den sozialdemokratischen Führern umiangreiches Material geliefert hätten, besonders im Parteibureau in der Katzbachstraße, erklärt der „Vorwärts" für unwahr und bemerkt: „Auf dem Parteibureau in der Katzbachstraße ist nicht das Geringste gefunden worden, was zur Be gründung des Verdachts, daß hier eine ungesetzliche Ver bindung bestehe, dienen könnte. Man nahm Kassenbücher und einige alte, vollständig belanglose Skripturen mit, welche sicher nicht auf dem Bureau aufbewahrt worden wären, wenn die Polizei sie nicht sehen sollte." Dieser Schlag gegen die deutsche Sozialdemokratie ist von sehr großer Bedeutung. Er liefert zunächst den Be weis, daß die Negierung auch ohne Umsturz- oder Sozia listengesetz polizeiliche Maßregeln gegen die Sozialdemokratie durchführen kann. Es hieß ursprünglich, zwischen dem Reichskanzler und dem Minister des Innern, Herrn von Köller, herrschten Meinungsverschiedenheiten über die Be- bandlung der Sozialdemokratie — die letzten Preßverfvlg- ungen beweise» aber, daß sich die beiden Minister geeinigt haben müssen. Die Artikel, welche der „Vorwärts" zum Sedanfeste schrieb, boten die erste Handhabe, die Ver- urcheilung Liebknechts wegen Majestätsbeleidigung war die Fortsetzung und die Vernichtung der Parteiorganisation der Schluß des seit lange geplanten Feldzuges gegen die Sozialdemokratie. Daß diese Vernichtung eine vollständige ist, glauben wir nicht, denn Organisationen, welche von lebenden Menschen getragen werden, zerstört man nicht dnrch die Kvnfiscirnng von Schriftstücken und Büchern. 8. Jahrgang. Aus unserer Gegend. — Alle Diejenigen, welche ihre Weihnachts-Einkäufe an den Sonntagen zu erledigen gedenken, machen wir daraus ausmerksam, daß die hiesigen Geschäfte an den drei letzten Sonntagen vor dem Feste, also am 8., 15. und 22. Dezember, mit Ausnahme der für den Gottes dienst festgesetzten Stunden während des ganzen Tage- geöffnet bleiben dürfen. Die Aussichten auf ein flotter Weihnachtsgeschäft sind ja bei der gedrückte» Lage der Stuhlbauindustrie sowohl als der Landwirthschast keine besonders glänzenden, um so begründeter ist daher die Mahnung: „Kaufet und macht Eure Bestellungen im Orte!" — Nach dem Wählen kommt das Zählen. Kaum sind die großen und kleinen Aufregungen der Laud tagswahlen vorüber, so werden die Familienväter und alle die es werden wollen, wiederum au eine Bürgerpflicht er mahnt. In emsiger Geschäftigkeit zogen am Anfang dieser Woche die Zähler von Haus zu Haus, von Thür zu Thür, und die Nenner, das sind in diesem Falle die Haus haltungsvorstände, „zählten die Hänpter ihrer Lieben, ob sie auch alle ausgeschrieben," dem Beispiele des Muster- samilienvaters — diesmal hieß er Richter — folgend. Die Volkszählung stellte an den Familienvater keine leichte Anforderung. Die Zahl seiner Lieben weiß er zwar ge wöhnlich auswendig, jedoch das Alter jedes Familiengliedes pflegt er nicht immer genau zu wissen. Er muß sie, wenn er die Standesamtspapiere nicht zur Hand hat, einzeln vorrufen und verhören. Dann kommen die Dienstmädchen an die Reihe. Sie nach ihrem Alter zu fragen, ist ihm peinlich, er überwindet aber die Scheu, indem er sagt: der Staat verlangt es- Wie mannigfache Schwierigkeiten aber auch das Zählen und Nennen dem Familienoberhaupt verursachen mag, ein süßer Trost ist ihm geblieben: „Die Angaben werden nicht zu Steuerzivecken benutzt!" hieß e- in der amtlichen Bekanntmachung. Das Bewußtsein, daß das Zählen diesmal nicht mit dem Zahlen zusammen hing, ist ein so schönes, daß man unwillkürlich ansruft: „Wenn ooch allen Listen, die wir im Jahre anszufüllen haben, beigefügt wäre — wird nicht zu Steuerzwccken benutzt." R. tNachdrnck verboten. Glück auf! Hvman aus dein Harze von O. Elster. (Fortsetzung.) Die Schwalben kehrten aus der Ferne nach ihrem heimathlichen Nest unter den Schindeldächern der kleinen Bergmannshäuser zurück. Aber wenn auch der Frühling und die Schwalben wieder eingekehrt waren in das kleine schmucke Bergstädtchen, so schied dagegen mancher junge Student von der Akademie, entweder um eine andere Hochschule zu besuchen, einen praktischen Cursus in einem Bergwerk durchzumachen oder um endgültig in das arbeits volle, praktische Leben eines Bergmannes, eines Ingenieurs oder Maschinentechnikers einzutreten. Ruhiger fast als iin Winter lag das Städtchen inmitten der Halden, der grünenden Wälder und der leise rauschenden Seeen, welche die Wasserkünste der Bergwerke speisten, da. Nur einige Reisende und Touristen kehrten jetzt in der „Krone" ein, in der während des Winters das laute und fröhliche Treiben der Bergakademiker geherrscht hatte. Auch Frederigo Prado hatte seine Studien beendigt. Gewissenhaft, wie fein Charakter war, hatte er sich selbst dem Abgangseramen unterworfen, welches für ihn, den Ausländer nnd Sohn eines reichen peruanischen Silber- mimubesitzerS kaum einen praktischen Werth haben konnte. Er hatte die Prüiuug mit Auszeichnung bestanden, sodaß die Professoren bedauerten, den jungen talentvolle» und wissenschaftlich gebildete» Bergtechniker »icht in Deutsch land zurückhaltc» zu können. Aber Frederigo Prado sehnte sich nach seiner Heimath, nicht so sehr, weil er dort allein sich wohl fühlte, sondern um eine Angelegenheit zu Ende zu bringen, welche sein Herz und seine Sinne im Banne hielten. Er war ein anderer geworden gegen früher! Er war nicht mehr so nachdenklich und still, er konnte fröhlich und lustig bis zur Ausgelassenheit sein, um dann wieder stundenlang in finsterem Brüten dazusitzen. Man flüsterte sich über diese Veränderung in dem Wesen Prados allerhand Vermuthungen zu, aber diejenigen hatten Recht, die behauptete», daß die schöne dunkeläugige Ella Ebeling die Ursache dieser Veränderung sei. I Ja, Frederigo war in heißer Leidenschaft zu Ella entbrannt. Jene Schlittenparthie im verflossenen Winter hatte sein Geschick entschieden, er vermochte sich nicht mehr aus dem Zauberbanne der braunen Angen Ellas zu be freien. Er lebte in einem Taumel der Leidenschaft, deren Flammen die Koketterie Ellas immer von Neuem zu schüren wußte. Noch öfter erinnerte er sich wohl der sanften, blonden Schönheit Freddas und ein Lebenszeichen von ihr, eine Antwort auf seinen Brief hätte ihn noch aus dein unseligen Rausch seiner Sinne erwecken können. Aber die Antwort Freddas blieb aus, und er war zu stolz, sich noch weiter um die Liebe eines Mädchens zu bewerbe», welches ihn nicht einmal einer kurzen Antwort gewürdigt hatte. Er ward vom Tage jener Schlütenpartie an ein fast täglicher Gast im Hause des Majors. Ellas frische, fröhliche Laune verstand es, die traurige» Gedanken, die ihn noch oft überkommen wollten, zu verscheuchen. Wie leuchtete» ihre Augen, wenn er in das Zimmer trat! Wie herzlich hieß sie ihn willkommen! Wie vertraulich reichte sie ihm beide Hände entgegen und wie allerliebst wußte sie zu plaudern und zn scherzen! Ja, seine Freunde hatten recht, Ella Ebeling war das reizendste, liebenswürdigste Wesen der Welt und er war blind gewesen, daß er so lange Zeit achtlos an dieser lieblichen Blume vvrüber- gegangen war. Er fühlte sich so wohl in ihrer Nähe; alle Bedenken, alle Sorgen und trüben Gedanken ver schwanden vor dem leuchtenden Glanz ihrer lachenden Augen. Major Ebeling sah den Verkehr des reichen Aus länders mit seiner Tochter nicht ungern, glaubte er doch zu bemerke», daß sich das Baad immer fester u»d i»»iger in» die Herze» der beiden jungen Leute schlang. Er freute sich darüber, daß seine Ella, sein Liebling, eine Partie machen sollte, welche alle seine Erwartungen nnd Hoff- nnngeii in Bezug auf Glanz und Reichthum übertraf. Er hatte sich insgeheim nach de» Verhältnisse» Frederigos erkundigt, welche ihm als die denkbar günstigsten geschil dert worden Ware». So hatte er denn »icht »ur nichts gegen die Besuche des junge» Peruaners einzuwenden, sondern er begünstigte sogar noch de» Verkehr der beide» Liebende», indem er öfter des Abends eine Stunde länge in seinem Club sitzen blieb, wen» er wußte, daß Frederigo Prado bei Taute Lore und Ella weilte. Tante Lore, das war ihm sehr wohl bekannt, war keine allzu scharfsichtige uud strenge Ehrendame und wenn sich unter ihren Angen die Verlobung der beiden jungen Leute vollzog, dann würde es ihn gar nicht Wunder genommen habe». Außerdem war aber auch Taute Lore Frederigo sehr zugethaii, sodaß sie sicherlich seiner Liebe zu Ella nicht im Wege stehen würde. Das wußte auch Frederigo und dankbar nickte er der Tante zu, als diese sich heute Abend aus dem Zimmer unter einem ziemlich nichtige» Vorwand entfernte und Frederigo und Ella allein ließ. Er war überraschend für Ella gekommen. Mit einem Freudenschrei war sie von dem Schaukelstuhl aufgesprungen, als Frederigo in das Zimmer trat. „O wie schön, daß Sie kommen," rief sie, indem sie lachend in die Hände klatschte. „Ich hatte Sie heute nicht erwartet. Papa ist in den Club und Tante Lore „Tante Lore geht schon, mein liebes Kino," unter brach mit schlauem Lächeln die alte Dame ihre Nichte. „Ich habe noch etwas in der Küche zu besorgen, in einem Viertelstündchen bin ich wieder hier." Sie waren allein. Wie reizend Ella heute Abend aussah. Das purpurrothe Hauskleid, welches in langen Falten zur Erde niederfiel, hob ihre zierliche und doch volle Gestalt vortheilhaft hervor. Ihre Wangen über hauchte ein zartes Roth, ihre dunklen Augen sehen mit scheuer Zärtlichkeit zu ihm auf. Frederigo konnte sich nicht länger beherrschen; er ergriff ihre bebenden Hände uud bedeckte sie mit unzähligen Küssen. Verwirrt blickte sie zu Boden. „Friderigo," flüsterte sie, „lassen Sie mich wenn die Tante oder Papa zurückkäme " „Ich würde doch Ihre Hand in der meinen behalten! Ella, nicht länger kann ich verschweige», daß ich Sie liebe, mit der ganze» Kraft meines Herzens. (Fv.tsetzung folgt.)