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Genauer Weiger und Zeitung für Seifersdorf, Grrß- Rnd Kleinölsa, Obernaundorf, Hainsberg, Eckersdorf, Coßmannsdorf, Lübau, Borlas, Spechtritz eie. Nummer 143. Dienstag, den 3. Dezember 1895. 8. Jahrgang. Aekanntmachung, das Verbot der Ablagerung von Scherben nnd dergleichen Unrath am Armenhause betr. Auf Grund eines Beschlusses des Stadtgnneinderathes wird hierdurch die Ablagerung von Scherben und der gleichen Unrath sowohl am Armenhause als auch an anderen Stellen hiesigen Ortes strengstens verboten. Zuwiderhandelnde werden unnachsichtlich mit Geld strafe bis zu 30 Mark bestraft. Die in den Hauthaltungen entstehenden Scherben pcrden zukünftig jährlich 2 mal und zwar einige Tage «or de» Ostern- und einige Tage vor dem Kirchweihfest durch ein von der Stadtgemeinde gestelltes, die Straßen durchfahrendes Geschirr abgeholt. Der Tag der Abholung wird jedesmal vorher bekannt gegeben. Rabenau, den 26. November 1895. Der Bürgermeister. Aus unserer Gegend. — Wir sind nun in die Adventszeit eingetreten, in die fröhliche, selige Weihnachtszeit, in der es trotz grauer Wolken am Himmel,trotz flatternder Flocken, trotz brausenden Nordes und glitzernden Eises doch so licht uno klar ist in der Menschenbrust, in welcher der Jubel der Kinder ein Konzert bildet, dem sich Niemand entzieht. Und wie die Wangen sich röthen, wie die Augen funkeln und wie die Näschen plattgedrückt werdrn gegen die Spiegelscheiben der Ladcnauslagcn, hinter welchen alle Frcudendinge des WeihnachtsfesteS in eitel Glanz und Herrlichkeit ausge- breitct liegen. Da rührt kein Frost, kein Schnee die Erwartungen, die Hoffnung nnd die Sehnsucht, sie Heizen gar zu wacker ein; mit verklärten Zügen schaut die Jugend hinein in die Weihnachtswelt. Rasch fliegen die Tage dahin, sie reißen die Wochen mit sich fort, der grüne Tannenbaum erscheint, und — erfüllt ist all Sehnen und Hoffen. Ja, wenn es nur überall sich erfüllte! So freudig leuchten die Kinderaugen, aber in wie viele stiehlt sich nicht auch eine heiße Thräne, wenn die Erinnerung nun zurückfliegt zum letztvergangenen Christfest, zu welchem unter bescheidenem Bäumchen, nur einige Kleinigkeiten lagen? Hart ist der Winter, knapp bei Manchem der Verdienst, und das Weihnachtskind erscheint dann im dürftigen Gewand und mit geringer Habe. Niemals wird Armuth so schwer empfunden, wie gerade znm Weihnachts fest, wo der Wunsch, zu erfreuen und die Kinder zu be glücken, übermächtig wird Wir haben Advents ¬ zeit, wir haben die frohe Hoffnung der Weihnachtsfreude . . . Nun, wer da seine Weihnachtspläne aufgestellt, der gedenke auch bei Zeiten Derer, die es wohl verdienen, daß eine freundliche Hand ihnen den Christbaum mit aus schmücken, den Weihnachtstisch mit aufbauen hilft. Wie ist doch die Freude so groß, wenn nur eine kleine Festgabe erfolgt, die verhütet, daß ein Kind mit thränenden Augen auf einen leeren Tisch sieht! Und wer da in dieser Zeit erfreuen will, der braucht nur ein Wenig, ein ganz Wenig nachzudenken, er findet schon, wo er sich selbst die reichste und schönste Weihnachtsfrcude holen kann- Nicht früh genug kann man daran denken, daß die Weihnachtszeit eine frohe, eine selige Zeit sein soll für Alle, Alle, Alle! — Vom schönst.» Wetter begünstigt, unternahm der hiesige Gewerbeverein am Sonntag Mittag einen Ausflug nach dem Rabcuauer Wasserwerk. Nach eingehender Be sichtigung der verschiedenen Quellen und der, für die kurze Zeit der Inangriffnahme schon ziemlich weit vor geschrittenen Anlage, wurde im Gasthof zu Paulshaiu Einkehr gehalten. Nach einer längeren Rast, während welcher man sich an Speise lind Trank labte, wurde der Heimweg über Seifersdorf angetrelen. Beim Auseinander gehen versicherte man allerseits, selten einen so reizenden Ausflug erlebt zu haben. — Von einem Unglücksfall wurden am Sonntag Mittag Herr Bernhard Schubert nebst Sohn hier be troffen. Gegen 12 Uhr genannten Tages mit dem Ge ¬ schirr seines Sohnes, des Botenfuhrman» Herrn Schubert, nach Lübau fahrend, scheute das Pferd aus noch unbe kannter Ursache und ging durch. Hierbei fuhr das Pferd so heftig gegen ein Rinnstein an, daß beide Insassen aus dem Wagen geschleudert wurden. Beide Herren trugen glücklicher Weise nur leichte Verletzungen davon, während der Wagen stark beschädigt wurde. — Verzinsung der Sächsischen Eisenbahnen. Im Jahre 1894 haben die sämmtlichen Staatsbahnlinien zusammen einen Ueberschuß von 31545 630 Mk. 63 Pfg. geliefert und sich mit 4,282°/o verzinst, und zwar haben die normalspurigen Linien 4,437«/v und die schmalspurigen 0,2°/v Rente erbracht. Im Einzelnen ist das Reinerträgniß sehr verschieden und erforderten viele Linien darunter S Schmalspurbahnen sogar Zuschüsse. Unsere Hainsberg- Kipsdorfer Linie zeichnet sich indeß vor den meisten (Klotzsche-Königsbrück, welche Linie sich mit 3,228»/o ver zinste, ist zwar verhältnißmäßig in der Verzinsung noch etwas höher, aber das Reinerträgniß beträgt nur 33 480 Mark, sie kostete 1037 061 Mark zu bauen, während für Kipsdorfer Linie die Baukosten 1759 306 Mk. betragen) Schmalspurbahnlinien Vortheilhaft aus, denn sie erbrachte bei einem Reinerträgnisse von 55118 Mk. eine Rente von 3,1330/0 gegen 2,768 im Vorjahre. Die um ^/z längere Müglitzthalbahn lieferte nur 36 372 Mk. Ueberschuß oder 0,934o/o Rente. Polschappel-Wilsdrnff lieferte nur 2351 Mark Ueberschuß -- ^4°/<) Rente. Wir haben daher alle Ursache auf unsere Kipsdorfer Linie stolz zu sein. — Der Brandstifter des am Sonntag Abend in Grillen bürg stattgefundenen Scheunenbrandes ist in der Person eines in Grillenburg wohnhaften, I8jährigen Burschen ermittelt und am Mittwoch Abend zur Haft gebracht worden. Bannewitz. Der in Abtheilung 47 des Wendisch- karsdorfer Staatsforstrevieres aufgefundene Leichnam ist als der längst gesuchte Auszügler Faust aus Eutschütz erkannt worden und ist am Sonnabend auf dem Banne witzer Friedhof durch seine Angehörigen begraben worden lNachdruck verboten. Glück auf! Noma» am> dem Harze von O. Elster. (Fortsetzung.) Aber ein Sonnenstrahl siel doch in das trübe Dasein dieser Tage — der Brief Frederigvs! Mit Thrünen der Freude drückte sie das Schreiben des geliebten Mannes an ihre Lippen. Tief, tief gruben sich seine innigen Liebes worte in ihr Herz und neue Hoffnung schlich sich in ihre Seele ein. Aber wenn sie dann das todtenblasse Antlitz ihrer Mutter anblickte, kam es ihr fast wie ein Verbrechen vor, hier an dieser Stelle des furchtbaren Ernstes an ihre Liebe, an ihr Glück zu denken, und sie verschob von Tag zu Tag die Antwort auf Frederigvs Brief. Und dann kam die entsetzliche Stunde, in welcher sich die treuen Augen der Mutter auf immer schlossen. Fassungslos stand Freddas Vater am Sterbelager seiner Gattin, mit welcher ihn die innigste Liebe verbunden hatte. Bruno und Fredda knieten neben der sterbenden Mutter, deren letzter Seufzer ein Segen für die Kinder war. Dann war es vorüber. — Todtenftille herrschte in dem Gemach. Nur das leise Weinen der Kinder und das halbunterdrückte Schluchzen des Gatten unterbrach die feierliche Ruhe des Sterbcgemachs. Die nächsten Tage waren die entsetzlichsten, welche Fredda bislang erlebt hatte. Sie hätte sich am liebsten in ihre einsame Kammer zurckgezogen, um Niemanden zu sehen und sich recht von Herzen auszuweinen, aber sie mußte an ihres Vaters Seite bleiben, der ebenso fassungs los und schmerzlich bewegt war, wie sie selbst. Sie mußte jetzt die Stelle der Hausfrau vertreten, den Haus halt sichren, die vielen Beileidsbesuche empfangen, Briefe schreiben und beantworten, kurz, die ganze Last der gesell schaftlichen Verpflichtungen, welche em solcher Trauerfall mit sich bringt, ruhte auf ihre» Schultern, während ihr Bruder die äußerlichen Geschäfte des bevorstehenden Be gräbnisses erledigte. Als aber die Hammerschlüge ertönten, mit denen der Sarg verschlossen wurde, als man die thcure Todte hinaus trug aus dem Hause, wo sie so glücklich gewesen war, als die Musik mil einem ernsten Choral einsetzte, da hielt sich Fredda nicht länger aufrecht. Sie wollte an das Fenster eilen, um noch einen Blick auf den blumenge- schmückten Sarg zu werfen, sie vermochte es nicht mehr, besinnungslos sank sie zui Erde. — Ihre Kraft war zu Ende. — Mehrere Tage mußte Fredda im Bett verbringen. Auch als sie wieder aufgestanden war, fühlte sie sich noch zum Sterben matt und nur die Liebe zu ihrem Vater und die Rücksicht auf seinen grenzenlosen Schmerz hielten sie aufrecht. Sie dachte an diesen Tagen wieder viel an Ella und air Frederigv. Sie kämpfte mit sich, ob sie dem Geliebten jetzt auf seinen Brief antworten oder ob sie den Bruder ins Vertrauen ziehen solle, damit dieser sich mit Frederigv ins Einvernehmen setzte. Dem Vater, das fühlte sie sehr wvhl, durfte sie in diesen Tagen mit ihren Herzens angelegenheiten nicht kommen. Es wäre lieblos gewesen, ihn in seinem Schmerz zu stören. Auch würde Frederigv durch Ella sicherlich Vvn dem Verlust, den Fredda erlitten, gehört haben und sich ihr Schweigen erklären können. Auffallend war es nur, daß von Ella keine Nachricht kam. Der alte Major hatte einen langen, herzlichen Brief an seinen Bruder geschrieben, Ella hatte nur einige flüchtige Worte des Beileids hinzugefügt, zum Begräbniß war ein prachtvoller Kranz geschickt worden, dann aber hatte man nichts mehr von dem Onkel Major und Ella gehört. Nur Tante Lore hatte einen thränenreichen Brief gesandt, aus dem aber nicht zu erkennen war, ob man Herrn Prado und die übrigen Bekannten von dem Ableben der Mutter Freddas benachrichtigt halte. Nun, es war nur zu natürlich, um darüber besonders zu schreiben- Fredda war wieder ruhiger geworden und hatte schon einige Male Anstalten gemacht, an Frederigo zu schreiben als ein Brief Ellas eintraf, der sie aus das Tiefste empörte. Nachdem Ella einige gleichgiltige Worte, welche ihr Beileid ausdrücken sollten, vorausgeschickt hatte, begann sie mit einer Schilderung der Vergnügungen, welche ihr der Winter gebracht hatte. „Nimm es Deiner kleinen, lustigen Ella nicht übel, liebes Herz," so schrieb sie in ihrem affektirten Backfisch styl, „daß ich trotz des Todes Deiner lieben, unvergeßlichen Mama nicht allen Vergnügungen in diesem Winter ent sagt habe. Freilich, den wunderschönen Harmonie-Ball konnte ich leider nicht besuchen, da er auf den Begräbnißtag der lieben, guten Tante fiel und wir es denn doch nicht über das Herz bringen konnten, au diesem Tage zu Ball zu gehen. Sinn, mein prächtiges, neues, fliederfarbenes Oroxs äs oliinv Kleid hat mir auch auf dem später fallenden Akademie-Ball noch gute Dienste geleistet. Alle Herren waren entzückt, versichere ich Dich, theuerstes Herz, und Herr Prado, dessen Du Dich ja auch wvhl noch er innern wirst, wich nicht Vvn meiner Seite. Ucberhaupt meine süße Fredda, ist Herr Prado auf allen Vergnügungen dieses Winters mein Cavalier gewesen. Auch auf der Schlittenparthie nach der „Festenburg", auf welche Du Dich so sehr gefreut hattest und welche Du doch nicht mitmachen solltest. Die Partie war entzückend! Ich fuhr mit Frederigv in einem herrlich ausgeschmückten Schlitten. Frederigo war liebenswürdiger denn je, Tante Lore störte uns nicht viel, denn sie schlief fast auf dem ganzen Rück wege, und denke Dir, mein liebes, süßes Herz — aber dieses nur unter dem Siegel der strengsten Verschwiegen heit — als wir ausstiegen, da forderte er das Schlitten recht und ich — nun ich — ich habe nicht nein gesagt! Aber bitte, bitte, liebes Herz, Niemanden etwas sagen . . ." Weiter vermochte Fredda den Brief nicht zu lesen. Sie zerknitterte zornig das Papier in ihren Händen und warf es zu Boden. Ein bitteres Weh durchschnitt ihr Herz. Sie rang nach Luft. Thräncn stürzten ihr aus den Angen. Sie hätte aufschreien mögen, aber dann preßte sie die Lippen fest auseinander, zwang die Thränen gewaltsam zurück und schritt auf ihren Schreibtisch zu. Ihrer Schreibmappe entnahm sie den Brief Frederigvs, noch einmal flogen ihre Augen über die zärtlichen Worte, dann warf sie kurz und schroff auflachend de» Brief in das Kamin, dessen Flammen das Papier gierig verzehrten. Starren Auges blickte Fredda auf das Vernichtungs werk der Flammen. Es war ihr, als habe sie ihr Glück, ihre Hoffnung, ihre Liebe den finsteren Mächten zum Opfer gebracht. Still und todt war es in ihrem Herzen und die Flammen ihrer Liebe erloschen mit dem auf lodernden und in Asche zerstiebenden Brief Frederigvs, V. Das Wintersemester der Bergakademie war zu Ende. Der Frühling kam, wenn auch etwas später als drunten in der Ebene, und kleidete die Wälder, Wiesen und Tristen des Harzes aufs Neue in frisches Grün. (Fortsetzung folgt.)