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Menlmer Anzeiger und Iertnng fnr Seifersdorf, Groh- und Kleinölsa, Obernaundorf, Hainsberg, Eckersdorf, Coßmannsdorf, Lüban, Borlas, Spechtritz ete. dkummer 133. Sonnabend, den 9. November 1895. 8. Jahrgang. Bei der Sparkasse zu Rabenau wurden im Monate Octvber d. I. 358 Einzahlungen im Betrage Mk. 26,836 17 Pfg. geleistet, dagegen erfolgten 96 Rück zahlungen im Betrage von Mk. 23,482 71 Pfg. Die Sparkasienverwaltung das. Cavaignac. Die Ernennung Cavaignac's zum Kriegsminister ist für Frankreich ein Ereigniß von weittragender Bedeutung. Man könnte fast versucht sein, zu glauben, daß die Couliffen- schieber in der Pariser Kammer den Sturz des bisherigen Cabiuets nur zu dem Zweck plötzlich herbeigeführt haben, damit Cavaignac Kriegsminister und Reformator der fran zösischen Armee werde. Es ist seltsam, daß nach dem langen Regime Freycinet's kein General lange als Kriegs minister fungirt hat und nunmehr schon wieder ein Civil- kriegsMinister an's Ruder kommt. Die Generale halten sich nun einmal in Frankreich nicht lange an der höchsten Stelle, die der Ehrgeiz Aller erstrebt. Am Seltsamsten aber ist es, daß ein so grundstttrzender Entwurf, wie die lex Cavaignac, dem französischen Parlament von einem Nichtmilitär vorgelegt worden ist und oaß eben dieser Nichtmilitär, der die Sache besser zu verstehen scheint als alle Generale, jetzt das Portefeuille des Kriegsministers erhalten hat. Die der Kammer am 14. October zugegangene Isx Cavaignac will bekanntlich die Colvnialarmee reformiren und vergrößern; der beste Theil derselben aber soll nicht in den Colonien, sondern in Frankreich garnisoniren: die algerische Truppe soll in ein Armeerorps umgewandelt Und an die deutsche Grenze verlegt werden. Der Gesetz entwurf Cavaignac's bezweckt, Ersatz zu schaffen für die jährlich sichtbarer werdende Unvollständigkeit der Cadres, eine Folge der verhänguißvollen Thatsache, daß der Prvcent- satz der Geburten in Frankreich hinter dem der Sterbefälle zurücksteht. Cavaignac's Vorschläge decken sich mit An regungen, die schon vor Jahresfrist, gleichfalls Voit nicht ¬ militärischer Seite, in der Kammer gemacht Z wurden und die darauf hinausliefen, neben dem aus der allgemeinen Wehrpflicht hervorgehenden Volksheer ein dieses ergänzen des Berufsheer zu schaffen und letzteres auf Kriegsfuß an der Ostgrcnze Frankreichs aufzustellen. Man sieht, daß die neuesten Vorschläge zur Reform der französischen Armee auch dem Revanchegedanken Rechnung tragen, und dieser Umstand mag zum guten Theil den bei uns kaum vor ausgesehenen Erfolg Cavaignac's erklären. Zur Beruhigung kann uns dabei dienen, daß die Möglichkeit, die Nevanche- gedanken in absehbarer Zeit in Thaten umzusetzen, durch die trostlosen Zustände in der französischen Armee geradezu ausgeschloffen erscheint. Cavaignac hat sebst als Bericht erstatter der Budgetkommission in seinem Anfang vorigen Monats erschienen Bericht ein Lied davon gesungen. Zum Theit wiederholt Cavaignac darin Dinge, die er schon iin October 1894 in der Kammer gepredigt hat, ein Beweis, daß er sich schon lange fleißig auf seine jetzige Stellung vorbereitet hat. Cavaignac verglich damals das deutsche Contingent mit dem französischen. Obwohl Frankreich für sein Heer am meisten von allen Nationen pro Kopf bezahle und bereits die stärkste Aushebung habe, seien die wichtigsten Waffen, Infanterie und Artillerie, in Frankreich zu schwach, die Cavallerie, der Train und die Verwaltung zu stark dotirt; Frankreich brauche für die Administration die doppelte Zahl von Beamten wie Deutschland. Doch das seien nur Nebenfragen: die Hauptsache sei, daß das deutsche Contingent noch gesteigert werden könne, das französische aber nicht; die wichtigste Frage sei die der Dienstzeit, diese müsse neu geregelt werden. Uebcr die Mög lichkeit, auch in Frankreich die zweijährige Dienstzeit ein zuführen, äußert sich Cavaignac abfällig, aber nur wegen der dann norhwendig werdenden kostspieligen Compensativnen. Atan darf also neugierig sein, wie der neue fran zösische Kriegsmininister sich gerade dieser Frage gegenüber verhalten wird. Vernichtend aber ist das Urtheit, welches Cavaignac in seinem Budgetbericht über die französische Armeeverwaltung fällt. Er habe sich mit derselben beson ¬ ders eingehend befaßt und sei auf sehr bedenkliche Dinge gestoßen; die Mängel in der Kriegsverwaltung seien so groß und so vielseitig, daß man im Kriegsfall nicht viel von ihr erwarten könne. Deshalb müßten sie rückhaltslos aufgedcckt und abgestcllt werden. Die Kriegsverwaltung schreibe Lieferunasverträge aus, deren Eifüllung für die Lieferanten unmöglich sei: sie verlange das Unmögliche, mn ihrerseits gedeckt zu sein, kümmere sich aber dann nicht um die Ausführung. Deshalb habe sich ein betrügerischer Geist eingenistet; Unterschleife bei den Armeelieferungen und Bestechungen der Beamten seien die Folge, denn irgend wie wolle der Lieferant seine Rechnung finden. Besonders auf Ausrüstung und Bekleidung erstrecken sich die Be trügereien; der fünfte Theil des für die Mobilmachung vorräthig gehaltenen Schuhzeugs habe sich im Jahre 1893 als unbrauchbar erwiesen. Aehnlich habe es mit dem Pferdegeschirr ausgesehen. Nur die Nachlässigkeit der Auf sichtsbehörden ermögliche solche Dinge. „Ein System der Nachlässigkeit, des Gehenlassens" — so faßt Cavaignac sein Urtheil zusammen — beherrscht die Kriegsverwaltung. Man schließt die Augen zu Allem, was unbequem ist; man läßt den Mißbräuchen und Betrügereien den Platz, den sie sich errungen haben. Man kann nicht nur von Gehenlassen sprechen. Oft zeigt sich passiver Widerstand, ja sogar active Opposition gegen jeden Versuch der Besserung und Unterdrückung der Mißstände. Wir dürfen nicht so naiv sein, zu glauben, daß diese Organismen, die jetzt ver wahrlost sind, dermaleinst die Prüfung dürch die Ereignisse bestehen werden- Wir werden entdecken, daß sie zur Er füllung der einfachsten Aufgaben unfähig sind rind, ernst haft auf die Probe gestellt, zusammenbrechen werden. Kriegsminister Cavaignac hat also eine Herculesarbeit vor sich. Warten wir ab, ob ihm die Ausmistung des Augias-Stalles gelingen und wie es ihm dabei ergehen wird. Unstreitig ist Cavaignac zur Zeit der interessanteste Mann in Frankreich. (Nachdruck verboten.) Die Holzrechtler. Sensations-Roman aus dem Fichtelgebirge von Ira Pera. (Fortsetzung.) „Mich?" schrie der Bräutigam auf. „Warum? Was legt man mir zur Last?" Jähes Entsetzen hatte die Hochzeitsgesellschaft erfaßt. Der Beamte zögerte einen Moment zu sprechen, dann aber antwortete er fest: „Da sie noch die Dreistigkeit haben, eine solche Frage in Anwesenheit ihrer Braut zu thun, habe ich keinen Grund mehr zur Rücksichtnahme gegen ihre Person. Sie werden des Mordes an Herrn von Buchau »»geklagt!" Eine entsetzliche Stille war auf diese Worte gefolgt, dann aber, als Thüngen sah, wie Alles mit dem Aus drucke lähmenden Schreckens von ihm zurückwich, keuchte ?r heiser: „Wer — wagt eine solche Beschuldigung?" In diesem Augenblicke trat die schwarzgekleidete Dame hervor und schlug den Schleier zurück. „Ich!" rief sie. „Wie Du mein Leben vernichtet ^st, so vernichte ich das Deine!" „Thekla!" fuhr Thüngen auf. Dann aber, als er M sah, daß Lilli halbtodt in den Armen der Baronin Mr lag, schrie er wild hinaus: „Sie lügt! Aus Haß M Rache will sie mich verderben! Ich bin nicht Der- ^'ige, welchen Buchau als den Vernichter seines Sohnes ^iah, ich bin —" Er redete ganz konfus, brach aber Plötzlich ab, ein lautes Krachen aus einem der Parterrezimmer Mute. „Was ist das?" fragte der Kommissär. „ Niemand wußte es. Da ging die Thür auf und der Diener Friedrich stürzte athemlos herein, ein Packet Mse in der Hand. > „Gnädiges Fräulein," rief er, „wir wollten den Mank des seligen Herrn Papa von der Stelle rücken, " ° es der Herr Baron befahl. Da stürzte er um rind f ^glücklich, daß die ganze Seite der Wand einbrach, speich wurde ein starkes Couvert herausgescheudert auch zerrissen. Es sind Papiere des gnädigen an das Kriegsministerium gerichtet und betreffen Mn Erhard. Sie lagen in einem bis jetzt nicht ent- 'kn Geheimfach!" Mit einer hastigen Bewegung wollte Thüngen dem Diener die Papiere entreißen, er wußte ja, was sie ent hielten. Allein der Kommissar kam ihm zuvor und nahm dem gänzlich verwirrten Friedrich die Dokumente ab. Dann gab er ein Zeichen und die beiden mit ihm erschienenen Criminalschutzleute erfaßten Thüngen an beiden Armen und führten ihn nach dem Wagen. Nach einigen bedauernden Worten an die Baronin Exter folgte der Kommissär. Thekla von Hartstein bestieg eine zweite Droschke nnd fuhr der ersten nach. Gerade jetzt läuteten die Glocken in Wiesau. „Statt vor den Traualtar in's Zuchthaus!" murmelte Thekla zusammenschaudernd. Sie sah so blaß und abgemagert aus, daß sie ihr eigener Bruder kaum noch erkannt hätte. Rastlos suchend von Ort zu Ort hatte sie den Elenden endlich doch gefunden und der Streich traf ihn unv Lilli, welche ihr einst erklärt hatte, sie hasse und verachte Diejenige, welche den Dieb und Verräthcr lieben könnte. Baron Thüngen konnte den erdrückenden Beweisen gegenüber nicht mehr lange leugnen, und so gestand er seine sämmtlichen Verbrechen ein. Er hatte Herrn von Bnchau als vorzüglicher Pistolenschüße aus kurzer Distanz durch das offene Fenster erschossen, war dann eiligst eingeklettert und hatte die Kleider wie auch den Schreibtisch Buchaus mit aller Gier nach den Beweisen seiner Verrätherei durch wühlt. Da er aber die von dem Gutsherrn bereits in dem Geheimfach niedergelegten Dokumente nicht fand, so entfernte er sich eiligst und zog die Fenster hinter sich zu. Nun ereilte ihn das Verhängniß in der letzten Stunde! — Lilli von Buchau war in ein hitziges Ncrvcn- sieber verfallen. Lange zwischen Leben und Sterben schwebend, genas sie endlich so weit, daß sie mit Frau von Exter eine Erholungsreise antreten konnte. Nach Buchau kehrte sie nicht mehr zurück, und niemals durfte der Name des Baron Thüngen ihr gegenüber genannt werden Das Gut wurde verkauft lind heute wird es von dem neuen Herrn, einem Baron von M bewirth- schastct. -i- * * In einem mit großer Behaglichkeit, aber nicht etwa luxuriös ausgestattetein Zimmer eines Hauses in der Schellingsiraße zu München finden wir den Lehensherrn von Fuchsberg wieder. Er sitzt einer alten kränklichen Dame gegenüber und sein Gesicht zeigt nur zu gut, daß die Ereignisse der letzten Zeit nicht spurlos an ihm vorübcrgingen. Herr von Hartstein hat der alten Dame, die Wittwe seines Vorgängers, soeben Alles bekannt, was in der letzten Zeit geschah, was er selbst an sich erfahren. Ohne etwas zu erwidern, hatte ihn die alte Dame angehört. „Helfen Sie mir, Marei zu versöhnen, sie für mich zu gewinnen!" schloß er. „Ich fühle es, das sie das Licht dieser trüben Tage mir würde, und wenn die Zeit dazu gekommen ist, werde ich Sie als mein Kind öffent lich anerkennen." Frau von Hartstein erhob sich langsam. „Sprechen Sie selbst mit Marei, Herr Voit Hart stein, ich kann hier nichts für Sie thun," sagte sie ab weisend. „Das Mädchen ist alt genug, um Alles zu verstehen und zu begreifen. Ich darf Ihr Urtheil nicht beeinträchtigen." „Gut, so mag Marei mein Urtheil sprechen!" ent gegnete entschlossen der Lehensherr. „Wo finde ich das Mädchen?" „Treten Sie einstweilen in das Nebenzimmer. Marei muß sogleich von ihrem Ausgange zurückkehren und ich sende Sie Ihnen." Damit öffnete Frau von Hartstein die bis zum Boden reichenden Portieren, welche die schließende Thür ersetzten. Mit einem leisen Ruf des Erschreckens fuhr die alte Dame zurück. Sie hatte Marei erblickt, welche, die Hände vor das Gesicht geschlagen, auf einem Stuhle saß. Wahr scheinlich war das Mädchen früher znrückgekehrt und in Nebenstube getreten. Von hier aus mußte sie Alles gehört haben, was Herr von Hartstein sprach. Die Portieren waren hinter dem Lehensherrn nicdcrgcfallen. Er befand sich nun allein mit seinem Kinde Marei. „Herr, mein Gott!" flüsterte er. „Gieb mir die rechten Worte!" (Schluß folgt.)