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Rabemlw Anzeiger und Zeitung für Seifersdorf» Groß- und Klemölsa, Obernaundorf, Hainsberg, Eckersdorf, Coßmannsdorf, Lüban, Borlas, Spechtritz etc. Nummer 136. Sonnabend, den 16. November 1895. 8. Jahrgang. Die elterliche Gewalt im bürger lichen Gesetzbuche. Der Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuches behandelt die elterliche Gewalt ihrer wesentlichen Grundlage nach als eine vormundschaftliche im modernen Sinne der Vor mundschaft, das heißt, als ein dem Interesse des Kindes dienendes Schutzinstitnt. Entgegen dem geltenden Rechte hat der Entwurf auch die Mutter, wenn nach Lage der Verhältnisse die natürliche elterliche Schutzpflicht an sie herantritt, rechtlich dem Vater gleichgestellt. So lange beide Eltern leben, und der Vater im Stande ist, die Ge walt auszuüben, tritt das Recht der Mutter zurück. Bei bestehender Ehe ist das Uebergewicht des Vaters in der Natur der Dinge begründet, muß ihm die elterliche Ge walt bcigelegt werden. Die elterliche Gewalt der Mutter tritt aber ein, wenn der Vater gestorben oder für todt erklärt ist, oder wenn er die elterliche Gewalt verwirkt hat und die Ehe aufgelöst ist. Mit dem Austritt aus dem Alter der Minderjährigkeit erreicht die elterliche Gewalt ihr Ende. Die elterliche Gewalt begründet für die Inhaber der selben 1) die Pflicht und das Recht, sowohl für die Per son als auch das Vermögen des Kindes z» sorgen, 2) das Recht der Nutznießung an dem Vermögen des Kindes. Die Sorge sür die Person des Kindes umfaßt vornehmlich das Recht und die Pflicht, das Kind z» erziehen, zu beauf sichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen. Der Inhalt der Ecziehungsgewalt ist im Entwurf nicht erläutert. Das Recht der Nutznießung an dein Vermögen des Kindes erstreckt sich nicht auf das sogenannte freie Ver mögen des Kindes. Als solches sind anzusehen, die aus schließlich zum persönlichen Gebrauch des Kindes bestimmten Sachen, insbesondere Kleider und Schmucksachen, ferner was das Kind selbstständig erwirbt, daß es der Nutznießung nicht unterliegen soll. Die elterliche Nutznießung endigt mit dem Aufhören der elterlichen Gewalt, also mit dem Eintritt in die Volljährigkeit; sie endigt weiter, wenn sich das Kind verheirathet- Das Kind ist »ach dem Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuches vollkommen vermögensfähig. Mit dem Satze des altrömischen Rechts, daß das Hauskind, was es er wirbt, dein Hausvater erwirbt, ist vollständig gebrochen. Damit ist auch jede Bestimmung über die Haftpflicht des Vaters für die Geschäftsschulden des Kindes gefallen. Eine solche Haftpflicht tritt nach dem Entwürfe nur ein nach den allgemeinen Grundsätzen über Auftrag und Geschäfts führung ohne Auftrag. Ebensowenig wie für die Ge- schästsschulden des Hauskindes haftet nach dem Entwurf der Inhaber der elterlichen Gewalt für die Deliktschulden des Hauskindes. Damit stimmt das bestehende Recht durch weg überein. Der Inhaber der elterlichen Gewalt verwirkt sie, wenn er wegen eines an dem Kinde begangenen Verbrechens oder vorsätzlich verübten Verbrechens zu einer Zuchthausstrafe oder einer Gefängnißstrafe von mindestens 6 Monaten ver- urtheilt wird. Die Mutter verliert die elterliche Gewalt, wenn sie sich wieder verheirathet. Trotzdem behält die Mutter, auch nach Verlust der elterlichen Gewalt das Recht und die Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen. Ebenso hat der Inhaber der elterlichen Gewalt auch nach Beendigung derselben die mit der Sorge für die Person und das Vermögen des Kindes verbnndene» Geschäfte fortzuführen, bis er von der die Beendigung bewirkenden Thatsache Kenntniß erlangt hat. Beim Tode des Kindes hat der Inhaber der elterlichen Gewalt die dringlichen Geschäfte bis auf weiteres zu erledigen. Aus unserer Gegend. — Wir machen darauf aufmerksam, daß an dem in diesem Jahre ans den 20. November fallenden zweiten sächsischen Bußtage, sowie an dem auf den darauffolgen den Sonntag fallenden Todtenfeste Concerte und geräusch volle Vergnügungen an öffentlichen Orten, desgleichen theatralische Vorstellungen und sonstige Schaustellum en, öffentliche Auf- und Umzüge, Vogel- und Scheibenschießen, ingleichen Schießübungen überhanpt, am Todtenfeste jedoch, mit Ausnahme theatralischer Vorstellungen in geschlossenen Räumen, nicht gestattet sind. Ferner sind an diesen beiden Tagen öffentliche Versammlungen aller Art, ingleichen Ver- sammlnngen der Gemeindevertreter, sowie Versammlungen der Innungen und anderer Genossenschaften gänzlich ver boten. — Der am Sonnabend, den 9. November, von hier ans beobachtete Feuerschein rührte von dein in Hellen Flammen stehenden Gute des Herrn Müller in Gombsen her. Der starke Wind fachte das Fener zu einer wabren Wuth an. 3 Gebäude des Gehöftes brannten völlig nieder. Um Mitternacht wurden infolge des Sturms noch 3 Scheunen eingeäschert. — Wie aus dem Jnseralentheil ersichtlich, ist zum Sonnabend Abend in dem Saale der „König Albert höhe" von Seiten des Männergesangvereins „Sänger lust" aus Eos mannsdorf ein Gesangs-Concert zum Besten der Arinen Rabenau's in Aussicht genommen. Dem gut gewählten Programm nach zu urtheilen, verspricht der Abend für alle Gesangsfrennde ein genußreicher zu werden. Wir können den Besuch des Concertes Jedem empfehlen. Reinhardtsgrimma. Vier Arbeiterfamilien vom hiesigen Rittergut spielten zusammen ein Zehntel in der sächs. Lotterie und kam dieser Tage die frohe Botschaft, daß die Nummer mit 50000 Mk. gezogen worden sei. Ein anderes Zehntel derselben Nr. spielte ein Arbeiter in Hirschbach. Glashütte. Am vergangenen Donnerstag starb hier der ungefähr 80 Jahre alte Tagearbeiter Nitzsche, der letzte der noch in den 60er Jahren hier anfahrenden Bergleute. (Nachdruck verboten.) Glück auf! Roman ans dem Harze von O. Elster. (ForMtzung.) Rasch ergriff Frederigo die Schlittschuhe Fredda's und ließ sich auf ein Knie nieder, nm ihr die Stahlschnhe fest zu schrauben. Ella schaute etwas ungeduldig zu und eine kleine Falte des Mißmuths zeigte sich zwischen ihren Augeubraune». Sie ärgerte sich stets, wenn sie hinter einer ihrer Freundinnen zurückstehen mußte. „Einen Augenblick Geduld, mein gnädiges Fräulein, ich bin sogleich fertig." „O bitte, bemühen Sie sich nicht — da kommt ja Mister Lee — darf ich Sie bitten, Herr Lee . . -" Mit allerliebstem Lächeln hielt Ella dem langen Schotten ihr Füßchen entgegen und dieser zögerte keinen Augenblick, um dem reizenden jungen Mäochen den Ritter dienst des Anschnallens der Schlittschuhe zu erweisen. „Ich bin glücklich mein gnädiges Fräulein, zu Ihren kleinen Füßen knieen zn dürfen," sprach er galant. „Schon gut, schon gut, Mister Lee! Aber jetzt ist keine Zeit, um Complimente zu machen. Wir sind wohl schon zu spät gekommen? Wie ich sehe, hat das Fest bereits begonnen." „Das Fest beginnt erst dann, wenn die Königin erscheint," erwiderte der lange Engländer, indem er die letzte Schraube des Schlittschuhs anzog, rasch einen Kuß auf den Fnß drückte nnd behende aussprang. Ella erröthete vor freudigem Stolz nnd drohte dem galanten Ritter schalkhaft mit dem Finger. Fertig standen jetzt die beiden Paare da! Die Jugend, das Glück lachte ihnen ans den Augen. Fort flogen sie, plaudernd, lachend über die spiegelglatte Eis fläche, während die Hörner der Kapelle laut aufjubelten. Die Polonaise begann. Die Paare ordneten sich und in eleganten gleichmäßigen Bogen schwebte die fröh liche Schaar dahin, an deren Spitze John Lee mit Clla und Frederigo Prado mit Fredda sich befanden. Bewundernd folgten die Blicke der Zuschauer den beiden Paaren, bewundernd und oft voller Neid, denn Jvl n Lee und Frederigo Prado waren die Löwen der diesjährigen Saison, obgleich man wohl selten zwei Menschen sand, welche sich im Aeußeren und im Innern so wenig glichen, wie der flachsblonde, lange, stets heiter und spöttisch lächelnde Engländer und der schwarzlockige, dunkeläugige, schweigsame und ernste Peruaner. Beide aber galten sür unermeßlich reich und waren deshalb schon die Günstlinge der Mütter und Väter heirathsfähiger Töchter. Die Polonaise war zu Ende. Die Paare trennten sich; hier hin und dort hin huschten die flinken Gestalt-m unter Lachen und Kichern. Auch Frederigo Prado und Fredda seichten eine weniger lebhafte Stelle des Teiches auf, um ungestört plaudern zu können. „Sie >ind heute Abend so still, Fräulein Fredda," sprach Frederigo mit seiner weichen, tiefen Stimme. „O nicht doch, Herr Prado- Es ist so fchön heule Abend hier. Allerdings stimmt mich der Gedanke traurig, vielleicht zum letzten Male hier gewesen zu sein." „Zum letzten Male? Sie wollen fort und ich hatte mich so sehr darauf gefreut, Sie auf der demnächst statt findenden Schlittenparthie zn sehen?" Seine Stimme zitterte leise und ängstlich, fragend blickten seine Angen in das ecröthende Antlitz Fredda's. „Meine Eltern wünschen meine baldige Rückkehr," flüsterte sie, „ich möchte gern hier bleiben; in diesen Bergen ist es weit schöner, als bei uns in der großen Stadt, indessen kamt jeden Tag der Brief eintreffen, der mich nach Hause ruft." „Ich hoffte, Sie würden den Winter hier bleiben," erwiderte er traurig. „Mit Ablauf desselben ist mein Studium beendet und dann . . . ." „Und dann gehen Sie fort um niemals wieder hierher zurück zu kehreu." „O uein, Früuleiu Fredda! Ich werde zurück kehren " Frederigo suchte nach Worten — er wollte ihr sagen, daß er sie liebe — liebe über Alles — mehr noch als sein Leben — aber er fand die richtigen Worte nicht, und da, als er eben ihre Hand ergreifen wollte, sanfte es heran wie ein Wirbelwind, und zwischen ihnen stand fröhlich auflachcnd Ella, während der lange John Lee die Gruppe in eleganten Bogen umkreiste. „Hier findet inan Dich also," rief Ella, ihre Cousine in die Arme schließend, „und noch dazu mit einem Gesicht, als wäre Dir das Todesnot heil gesprochen. Was ist denn geschehen? Lnstig Fredda, Lustig! Fangt mich einmal! Siehst Du, jetzt kann ich schon Bogen laufen! O Mister- Ler ist ein vortrefflicher Lehrmeister! — Mache es mir einmal nach. Fredda. Ich überlasse Dir gern Herrn Lee Herr Prado darf ich bitten!" Sie reichte dem jungen Peruaner die Hand und ohne unhöflich zu sein, konnte Frederigo Prado die Aufforderung des ttbermnthigen Mädchens nicht znrückweisen. Er ergriff ihre Hand mit einer stummen Verbeugung und dahin flogen sie, im nächsten Augenblicke in dem Schatten der Nacht verschwindend. — Ein unangenehme Empfindung quoll in FreddaS Herz empor. Sie hatte wohl das spöttische Aufleuchten der Augen ihrer Cousine bemerkt und das höhnische Lachen John Lees klang häßlich und schrill in ihr Ohr. Erst auf dem Heimwege fand sie die stille Freudigkeit ihres Herzens wieder, welche über ihr Wesen einen solch ge winnenden Hauch warf, daß sich niemand dem sanften Zauber ihrer Persönlichkeit zu entziehen vermochte. Die flüchtige Mißstimmung war vergessen; heimlich schlich sich in ihr Herz das Glück der ersten, scheuen Liebe. Frederigo ging an ihrer Seite. Mit leiser, leicht vibrirendender Stimme erzählte er von seiner Heimath, dem schöne», sonnigen Peru! Von dem blauglänzeuden Meer, das sich endlos vor den Küsten Perus ansdehnt! Von dem Reichthum der alten Hauptstadt Lima, in deren Nähe seiit väterliches Haus lag. Er erzählte von den finsteren Klöstern, den gewaltigen Kathedralen, die einst die spanischen Eroberer erbaut, und von den geheimniß- vollen Ruinen nnd Grabdenkmälern des untergegangenen Jnkareiches- Von den weiten, wogenden Savannen erzählte er, welche das scheue Volk der Indianer bevölkert- und von schneegekröuten Kordilleren, auf deren felsige Spitzelt der Kondor forstet. „Aber so sehr ich mein Vaterland liebe," fuhr er leise fort, „ich liebe auch Deutschland, denn meine theuere Mutter, Fräulein Fredda, war eine Deutsche. Deßhalb sandte mich mein Vater auch hierher, daß ich mir deutsche Sitte und deutsche Bildung aneigne, die er bei meiner Mutter so hoch hatte schätzen lernen. Sie, Fräulein Fredda, erinnern mich stets an meine Mutter, die starb, als ich ein kleiner Knabe tvar. So gut, so sanft......" Wieder war es Ella, welche die Unterhaltung unter brach. Man war am Thore der Stadt angelangt. Ella schlang ihren Arm in den ihrer Cousine, zu einem ver traulichen Wort zwischen Frederigo und Fredda bot sich keine Gelegenheit mehr. Mit einem herzlichen „Auf Wiedersehen" verabschiedete sich F ederigo von den jungen Damen, während John Lee die Hand Ellas in übertrieben galanter Weise an die Lippen zog. Aber wenn auch Frederigos Lippen das Wort der Liebe noch nicht ge sprochen hatten, Fredda fühlte tief in ihrem Herzen, daß er sie liebe; sie hatte es im Beben seiner Stimme ver nommen und in dem Aufleuchten seiner dunklenAugen gelesen. Stumm schritt sie an der Scite ihrer Cousine dem väterlichen Hause derselben zu, in dem sie seit einigen Wochen als Gast weilte. (Fortsetzung folgt)