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sowohl melodisch wie harmonisch ebenfalls eine konstruktive Rolle spielt. Der das Thema einführende Hornruf, die Motivarbeit und ihre vertikale Spiegelung in der Harmonik erinnern an Arnold Schönbergs 1. Kammersinfonie. Nach einer Überleitung erklingt - wie in der klassischen Sonatenform - ein zweites Thema. Den ruhigsten Teil des Satzes bildet die Durchführung. Ein Ostinato bereitet die Reprise vor, die nach dem Hornruf eintritt und als Abrundung des Satzes empfunden wird. Haupt- und Neben thema erscheinen gleichzeitig, das letztere rhythmisch verbreitert in den Streichern. Der zweite, langsame Satz (Andante lento) bringt Variationen über thematisches Material des ersten Satzes. Aus dem Hornruf ist eine aufsteigende Arpeggiofigur geworden, aus der sich das Thema erhebt. Die Variationen beginnen zunächst frei, führen dann zu einem Höhepunkt, und schließlich wird das Thema wieder aufgenommen. Ebenfalls aus vorangegangenen Motiven baut sich das unmittelbar anschließende Finale (Presto vivace) auf: eine brillante Tarantella (ursprünglich ein lebhafter neapolitani scher Volkstanz), die die Sinfonietta wirkungsvoll beschließt. Wolfgang Amadeus Mozart hat mit seinen 21 Klavierkonzerten, die zunächst für den eigenen Gebrauch komponiert wurden, einen außerordentlich bedeutenden Beitrag zur virtuosen Klavierliteratur geleistet. Meist sind diese Werke dem Unterhaltungsideal der aristokratischen Gesellschaft der Mozartzeit verpflichtet. Die Reihe der heiter strahlen den, überwiegend in Dur-Tonalität stehenden Werke hat der Salzburger Meister jedoch zweimal mit Konzerten in einer Moll-Tonart unterbrochen, mit dem heute gespielten Konzert d-Moll KV 466 aus dem Jahre 1785, das übrigens Beethoven sehr schätzte, und später mit dem c-Moll-Konzert KV 491. In beiden Schöpfungen erscheint uns Mozart als Künder einer neuen Epoche. Die Konvention der feudal-aristokratischen Gesellschaftskunst wird durchbrochen, ja zurückgewiesen. Ein neues Ideal - der Mensch als Individuum - spricht aus dieser Musik. Neue Empfindungen, die auf Beethoven und auf die Zeit der Romantik hinweisen, werden ausgedrückt. Das d-Moll-Konzert KV 466, das der Komponist in einem Subskriptionskonzert am 11. Februar 1785 urauf führte, versetzt uns im ersten Satz (Allegro) in eine tragisch schwermütige Stimmung. Mit drohend aufsteigenden Bässen und unruhigen Synkopen reckt sich das Hauptthema auf, das im Tutti schmerzlich aufbegehrt. Im Kontrast hierzu bringt das kantable zweite Thema eine gewisse Aufhellung. Das Soloinstrument setzt sodann mit einem dritten Thema ein, das namentlich in der Bläserfortsetzung zu einer Entspannung führt. Doch bald gewinnt die tragische Stimmung des Beginns wieder Oberhand und bleibt auch in der Durchführung vorherrschend. Die Auseinandersetzung zwischen dem Solisten und dem Orchester verläuft sehr dramatisch. Der innige zweite Satz, eine Romanze, wird durch einen düsteren Mittelteil unter brochen. Tragisch, hintergründig wie der erste Satz beginnt das Rondo-Finale (Allegro assai), dessen erregte Stimmung schließlich einen hellen, versöhnlichen Ausklang findet, dem das zweite Thema des Satzes (in F-, dann in D-Dur) zugrunde liegt. Ein zu Unrecht verhältnismäßig selten zu hörendes Werk ist die Sinfonie Nr. 102 B-Dur von Joseph Haydn. Sie gehört zu der berühmten Reihe seiner zwölf sogenannten „Lon doner Sinfonien“, die er für seine englischen Konzertverpflichtungen in den Jahren 1791/92 und 1794/95 komponierte. Diese Sinfonien bilden den Abschluß von Haydns sinfonischem Schaffen und stellen in jeder Beziehung auch die Krönung dieses Schaffens dar, mit ihnen errang er höchste Vollendung und Meisterschaft. Sowohl in der geistigen und seelischen Vertiefung, in der Differenzierung der musikalischen Ausdrucksmittel als auch in der reifen souveränen Könnerschaft, mit der die klassische Form hier gemeistert wird, müssen sie als das Höchste gelten, was Haydn auf diesem Gebiet hinterlassen hat. In den „Londoner Sinfonien“ hat er, obwohl gerade hier eine tiefe innere Durch dringung mit Einflüssen der Sinfonik Mozarts zu spüren ist, doch seine eigene, endgültige Lösung des klassischen Stils erreicht. Die 1794/95 komponierte Sinfonie Nr. 102 B-Dur beginnt mit einer bedeutungsvollen Largo-Einleitung voller dramatischer Unruhe und Erregung. Die Spannungen setzen sich auch im kontrast- und energiereichen Hauptsatz (Allegro vivace) fort, der in manchem Beethovensche Züge vorwegnimmt. Das lebensvolle, kräftige Hauptthema setzt unmittelbar mit dem vollen Orchester ein. Auch das dramatisch pulsierende Nebenthema hat großen Anteil an der problem- und auseinandersetzungsreichen Durchführung. Eine Klärung der Gegensätze erfolgt jedoch noch nicht in der Reprise, erst in der Coda setzt sich die Stimmung des ersten Themas durch. Der zweite Satz, ein Adagio in F-Dur, bringt eine schwermütig-elegische Melodie, deren Charakter durch die Instrumentation unterstrichen wird. Dieser Satz findet sich auch, nach Fis-Dur transponiert, als Mittelsatz des Haydnschen Klaviertrios op. 75. Frohsinn herrscht weitgehend im Volkstanzhaften Menuett, der nur gelegentlich durch ein Unisonomotiv etwas beeinträchtigt wird. Wiener Herzlichkeit atmet das träumerisch innige Trio. Das Finale der Sinfonie bildet ein Presto in Rondoform von urgesunder, lebens sprühender Grundhaltung. Volkslicdhafte Züge trägt das frische Hauptthema, auch sonst begegnen freudige und kräftige Zwischensätze. Dr. Dieter Härtwig VORANKÜNDIGUNG: Pfingstsonntag, den 29. Mai 1966, 18 Uhr, Dresdner Zwinger Pfingstmontag, den 30. Mai 1966, 18 Uhr, Dresdner Zwinger 1. SERENADE Dirigent: Horst Förster Solisten: Gerhard Hauptmann, Oboe Helmut Radatz, Fagott Werke von G. F. Händel, J. Myslivecek, J. Chr. Vogel und L. Boccherini Programmblätter der Dresdner Philharmonie - Spielzeit 1965/66 - Künstlerischer Leiter: Prof. Horst Förster Redaktion: Dr. Dieter Härtwig Druck: Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden, Zentrale Ausbildungsstätte III 9 5 39/42 566 2,6 It G 009/35/66 10. Philharmonisches Konzert 1965/66