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sie fähig sind. Wir wollen gern glauben, daß Mittheilungen von solcher Wichtigkeit anders als in so leichtfertiger Gestalt auftreten würden, und wollen also für jetzt in diesem Artikel nichts Anderes als «ine jener mürrischen Äußerungen sehen, die von Zeit zu Zeit die englische Presse vernehmen läßt, denen aber eine allzu häufige Wiederholung zuletzt allen Werth und alles Verdienst nimmt." — Das Lager von Fontainebleau ist gestern nach abgehaltener Eh renrevue aufgehoben worden. Der Herzog von Nemours hat die Offiziere mit einer Anrede entlassen, in welcher man die in solchen Fällen wol üblichen kriegerisch lautenden Formeln vermißt. — Die heutigen Journale berichtigen ihre gestrigen Angaben in Bezug auf die Reise des Hrn. Horace Vernet dahin, daß er keine Einladung des Vicekönigs erhalten habe, sondern aus eigner Bewe gung, zu seiner Erholung von anstrengenden Arbeiten, nach Ägypten gehen wolle, dort die Schauplätze bonapartischen Ruhmes aufzusuchen. — Zu der Stelle, die in der Academie sran^aise durch den kürz lich erfolgten Tod Michaud's vacant geworden, sollen sich folgende Candidaten gemeldet haben: Victor Hugo, Vatout, Ancelot, Bal- lanche, Empis, Casimir Bonjour, de Norvins, de Balzac. 6. Oct. Die Errichtung des radicalen Reformcomite unter dem Vorsitze von Laffitte und Dupont de l'Eure wird der repulikanischen Partei unfehlbar neuen Muth und neue Lebenskraft geben. Die beiden genannten Männer haben sich ihr durch die Un terzeichnung des radicalen Reformprogramms thatsächlich angeschlos sen, und es ist kein kleiner Triumph für sie, zwei der einflußreichsten Gründer des Juliusthrones dem herrschenden Systeme vollständig und unwiderruflich abwendig gemacht zu haben. Die von einigen Blättern aufgestellte Behauptung, daß die bisherigen anerkannten Repräsentanten der rein demokratischen Meinung, Garnier-Pages, Cormenin, General Thiars und Larabit, ein noch radicaleres Re- formproject entworfen haben und, zu einem Comite vereinigt, dem Comite Laffitte-Dupont gegenüber treten werden, ist völlig ungegründet. Von den angeblichen Mitgliedern dieses sogenannten dritten Comitö ist kein einziges in diesem Augenblick in Paris anwesend, und überdies sind die genannten Männer den Interessen der demokratischen Mei nung zu aufrichtig ergeben, als daß sie dieselben durch eine zwecklose Trennung von den Vertretern einer, wenn nicht ganz identischen, doch sehr nahe verwandten Tendenz muthwillig compromittiren soll ten. Die Idee der Reform ist übrigens schon durch die einfache Spaltung der Reformisten schwer bloßgestellt, und wenn man sieht, wie geschickt die Anhänger der bestehenden Ordnung der Dinge die Uneinigkeit ihrer Gegner zu benutzen wissen, um das Misverhältniß unter denselben zu vergrößern, ihre Bestrebungen bei der öffentlichen Meinung zu discreditiren, den gemäßigten oder lauen Theil derselben zu sich herüberzuziehen ; wenn man Zeuge dieser Bemühungen ist, sage ich, so kann man nicht hoffen, daß aus der jetzt beginnenden Re form-Agitation ein befriedigendes parlamentarisches Resultat hervor gehen werde. — Die Commission, welche man eingesetzt glaubt, um über die Abschaffung der Käuflichkeit der Stellen zu berathen, hat, authentischen Versicherungen zufolge, nur die Aufgabe, die Mittel zur Verhütung einzelner Misbräuche bei Übung oder Übertragung dieser Ämter aufzusuchen, und ferner sich über die Frage auszuspre chen, ob es.zweckmäßig sei, bei Creirung neuer Stellen der frag lichen Art die Übertragbarkeit nicht zu verleihen. — Die heute Mor gen über Marseille eingetroffenen Nachrichten aus dem Oriente stimmen mit den hiesigen Angaben dahin überein, daß das Mini sterium sich entschlossen habe, Mohammed-Ali aufzugeben oder doch nur seine Ansprüche aus den erblichen Besitz Ägyptens und Syriens mit ihren Grenzen, wie sie vor dem Ausbruche des letzten Krieges waren, zu unterstützen. Der herbe Artikel des Morning Chronicle, in welchem Frankreich mit dürren Worten gesagt wird, daß man im Nothfall ohne seine Zustimmung die orientalische Frage schlichten und die Integrität des türkischen Reichs aufrecht erhalten werde, hat hier bedeutende Sensation gemacht. Man dürste sich nicht wundern, wenn es England gelänge, dem französischen Cabinet durch eine solche Sprache neue Concessionen abzuängstigen. — Der Marschall Soult hat einen Agenten nach London geschickt, welcher die endliche Anerkennung und Zahlung einer Schuld von viertehalb Millionen betreiben soll, welche die englischen Kriegsgefangenen in Verdun zu rückgelassen haben. Die Federung der Regierung scheint um so bil liger, als Frankreich die Schulden der französischen Kriegsgefangenen in England schon vor einigen zwanzig Jahren bis auf den letzten Heller bezahlt hat. — Don Carlos wiederholt beinahe täglich seine Bitte um Pässe nach Dstreich, ohne daß ihm bisher «ine Antwort ertheilt wäre. Die Regierung scheut sich, dem Prätendenten dieEr- laubniß zur Abreise zu versagen und ihn also zum Gefangenen zu erklären, und auf der andern Seite fürchtet sie, daß er seine Frei heit benutzen könne, um sofort nach Spanien zurückzukehren und das dort noch immer angehäuste Material des Bürgerkrieges zum neuen Brande zu entflammen. Sobald Cabrera und der Graf d'Espana nicht mehr das Feld behaupten, wird dem Don Carlos ohne Zweifel die Abreise gestaltet werden. Inzwischen pilgern die Legiti misten in großer Zahl nach Bourges, von wo sie' jedoch fast alle, freilich ohne es zu gestehen, sehr wenig befriedigt durch die Persön lichkeit des Prätendenten zurückkehren. Die von der „Mode" eröff nete Subscription für die nach Frankreich geflüchteten Karlisten hat übrigens ziemlich guten Fortgang. Die Listen der „Mode" allein weisen bereits einen Ertrag von beinahe 7000 Fr. aus. Belgien. ^Brüssel, 6. Oct. Kaum hatten wir die, diesmal brillanter als gewöhnlich gefeierten und wegen der zugleich statt habenden Kunstausstellung von Fremden stark besuchten Septemberfeiertage hinter dem Rücken, so wurde unsere Ruhe auf eine gaüz andere Art gestört und unsere Aufmerksamkeit in Anspruch genommen. Unsere Politiker sahen sich genöthigt, ihre Blicke von der Haupt stadt von Osteuropa ab- und der von Ostflandern zuzuwenden. Gent, das belgische Lyon und Manchester, dessen Einwohner bisher noch allen Regierungen durch ihren unruhigen und zur Empörung geneigten Charakter viel zu schaffen gegeben, konnte nur als eine niederländische Stadt beim Genuß aller Vortheile zahlreicher Colo nien einiger Ruhe theilhaft werden, weil das materielle Interesse sei ner Industrie die Politik nicht zur Sprache kommen ließ. Nach der Revolution von 1830 hörte die Wirkung mit der Ursache auf, der compromittirte Volkscharakter machte sich wieder Lust und ließ es bis jetzt nie dahin kommen, daß die netzen Principien Wurzel fassen und die Regierung, welche aus den Septemberbarricaden hervorging, dort einheimisch werden konnte. Gent war gewissermaßen nie orangisti- scher, als seitdem die oranische Farbe proscribirt wurde; man konnte ihm nie einen Gouverneur und Bürgermeister nach seinem Sinne geben, und außer der geistlichen Autorität — deren Terrain doch eigentlich mehr das Weichbild als die Stadt selbst ist — konnte keine andere sich dort populair machen. Kein Wunder also, daß die Un zufriedenheit immer mehr überhand nahm und der größte Theil der Bevölkerung, welcher sich theils ehedem durch die Industrie bereicherte, theils sich ausschließend durch sie ernährte, in letzter Zeit, wo fast ganz Europa gewissermaßen an einer industriellen Indigestion daniederliegt, wie Flandern überhaupt und seine vornehmste Hauptstadt insbesondere, seine misliche Lage fühlen mußte; und da der theuer erkaufte Friede, anstatt zu einer schleunigen Erfüllung der vorgespie gelten Hoffnungen zu führen, einer neuen Furcht vor dem Prohibitiv systeme benachbarter Staaten den Zutritt verlieh, mußte natürlich die Aufregung bald aufs äußerste steigen, zumal da die Voraussicht auf Theuerung bei Gewerblosigkeit den Horizont immer mehr trübte. Bei solchen Bewandtnissen bedurfte es also nicht einmal der Auf wiegelung einer zur Verzweiflung getriebenen Partei, um die Mas sen der Fabrikarbeiter zu aufrührischen Thaten zu bewegen und den Pöbel zur Insubordination und Empörung zu verleiten. Die drei bis vier ersten Tage dieses Monats wurden zu Gent durch Gräuel- thaten bezeichnet und dürfen den ärgsten in früher» Zeiten an die Seite gesetzt werden, obschon die Zahl der Schlachtopfer und die Summe der Zerstörungen nichts weniger als beträchtlich ist und we der eigentliche Plündereien, Raub, Brand und Mord noch positive Meuterei statt gefunden, wie dies sowie überhaupt die nähern Details sich aus den Tagesberichten herausstellt. Die Regierung ist, wenn nicht sehr schleunig, aber doch kräftig eingeschritten, und man muß es dem Militair zum Lobe nachrühmen, daß es sich scho nend, gleichmüthig und doch energisch gezeigt hat. Auch an Pro klamationen hat es nicht gefehlt; diese haben aber keine Wirkung hervorgebracht, da weder der Bürgermeister noch der Gouverneur zu Gent sich einer bedeutenden Popularität zu erfreuen Hal. Jetzt ist die Ruhe gewissermaßen wiederhergestellt, einige Fabriken sind wieder in Ärbeit, die empörten Arbeiter verhalten sich still, halten aber noch immer Zusammenkünfte, wo es nicht an Aufwieglern fehlt. Alle öffentlichen Plätze sind mit Militair und Geschütz besetzt, und es hieß sogar, daß Gent in Belagerungszustand erklärt werden sollte. Aber so ruhig der Schein auch sein mag, so ist doch Niemand beruhigt, und man befürchtet nicht nur eine Wiederholung zu Gent, sondern auch eine Nachahmung in Lüttich, Verviers, wo nicht gar