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Kontrastierung folgend - verarbeitet. Auf nachdenkliche, langsame und ausdrucksvolle Abschnitte folgen lebhafte, erregte, marschartige Teile. Die teils rhapsodisch-freie, teils streng gebundene Satztechnik zeigt den Komponisten auf der Höhe seines Könnens. William Walton, 1902 in Oldham (Lancashire) geboren, gehört zu den markantesten zeit genössischen Komponistenpersönlichkeiten Englands. Seine musikalische Ausbildung er hielt er an der Universität Oxford, Kontakte mit Busoni und Ansermet waren seiner künstlerischen Entwicklung förderlich. Stilistisch schloß er sich keiner Schule an, am ehesten ist die Ausdruckstiefe, Aufrichtigkeit und Intensität seiner Tonsprache Edgar Elgar vergleichbar. An äußerem Umfang gering, beeindruckt sein Schaffen, das einen aus geprägt englischen Charakter besitzt, durch Konsequenz und Reife, durch rhythmische Vitalität, sinnliche Klangpracht und romantische Gefühlsbetontheit. Zu den bedeutendsten Werken des 1951 geadelten englischen Tonsetzers gehört die Ouvertüre „Portsmouth Point“ (1925), die die Dresdner Philharmonie vor Jahren zur deutschen Erstaufführung brachte, die Kantate „Belsazars Fest“, eine Sinfonie (1933/34), die Sinfonia concertante für Klavier und Orchester (1927), das heute erklingende Bratschenkonzert (1929), das kein Geringerer als Paul Hindemith zur Uraufführung brachte, das Violinkonzert (1939) und die Oper „Troilus und Cressida“ (1954). Sir Waltons Konzert für Bratsche und Orchester darf als ein Meisterwerk bezeichnet werden. Es ist eine echte Bereicherung der nicht eben umfangreichen Solokonzertliteratur für Bratsche. Die Gefühlsbetontheit und die glänzende technische Seite dieses Werkes verdienen hervorgehoben zu werden. Lyrisch und zugleich leidenschaftlich ist der lang same erste Satz (Andante comodo), dessen etwas melancholische Grundhaltung vor allem in der tonlich-mclodischen Entfaltung des Soloparts zum Ausdruck kommt. Sehr ein drucksvoll ist das chromatisch-fluktuierendc Klangbild sowie das dramatische Pathos des Satzes. An zweiter Stelle steht ein munteres, rhythmisch geschärftes Scherzo-Rondo (Vivo, von molto preciso), das an englische Seemannstänze erinnert. Den Höhepunkt bringt nach grotesker Einleitung (Fagotte, Klarinette) das majestätisch-pathetische Finale (Allegro moderato). Nach einer Fugato-Episode und der dramatischen Schlußsteigerung kehrt der Epilog zur Stimmung und zum lyrisch-elegischen Hauptthema des ersten Satzes zurück. „So oft gehört im öffentlichen Saal wie im Innern, übt sie unverändert ihre Macht auf alle Lebensalter aus, gleich wie manche großen Erscheinungen in der Natur, die, so oft sie auch wiederkehren, uns mit Furcht und Bewunderung erfüllen. Auch diese Sinfonie wird nach Jahrhunderten noch wiederklingen, ja gewiß, so lange es noch eine Welt und Musik gibt“, schrieb Robert Schumann in einer Rezension über das Neujahrskonzert des Leip ziger Gewandhauses von 1841 über Ludwig van Beethovens 5. Sinfonie c-Moll op. 6j, eine der kühnsten und zugleich populärsten Schöpfungen des Meisters. Die ersten Ideen zu dem zwischen 1804 und 1808 entstandenen und am 22. Dezember 1808 (zusammen mit der 6. Sinfonie und der Chorfantasie) in Wien uraufgeführten Werk beschäftigten Beethoven bereits im Jahre 1800, aus dem schon einige Skizzen vorliegen. Das langsam gereifte, im gesamten sinfonischen Schaffen des Komponisten eine zentrale Stellung einnehmende Werk (seine erste Sinfonie in einer Molltonart übrigens) ist gleich großartig in Inhalt und Form, in seiner geistigen Thematik und in seiner musikalischen Verarbeitung. Aus einer Keimzelle, dem so berühmt gewordenen pochenden Kopfthema des ersten Satzes („So klopft das Schicksal an die Pforte!“, soll Beethoven dieses Motiv nach einer Überlieferung durch seinen Sekretär Anton Schindler charakterisiert haben), entstand der gewaltige Bau des elementaren, mit größter geistiger Überlegenheit entworfenen Werkes. In der häufig als „Schicksals-Sinfonie“ bezeichneten „Fünften“ gestaltete der Komponist - obgleich der aufrüttelnden c-Moll-Sinfonie kein eigentliches Programm zugrunde liegt - in einer ganz persönlichen Weise das kämpferische Ringen, die Auseinandersetzung mit den dunklen Mächten des Schicksals und ihre schließliche Überwindung. Der Begriff „Schicksal“ kann hierbei in zweifachem Sinne ganz konkret verstanden werden, wenn wir einmal an das tragische persönliche Schicksal Beethovens, seine beginnende und ihn immer stärker quälende Taubheit denken, zum anderen aber auch an die allgemeine gesellschaftliche Situation. Bezeugen doch viele Äußerungen des Komponisten aus dieser Periode der Er niedrigung Deutschlands und Österreichs durch den Eroberer Napoleon seine leiden schaftlich patriotische Gesinnung und lassen uns durchaus annehmen, daß seine glühen den Gefühle gegen den Verräter an der französischen Revolution auch auf die Gestaltung der 5. Sinfonie starken Einfluß hatten. - Im formalen Aufbau des Werkes ist ganz besonders die gewaltige innere Entwicklung bemerkenswert, die alle vier Sätze über spannt und im Finalsatz eine letzte Steigerung erfährt; erstmalig in der Geschichte der Sinfonie wird hier der Schwerpunkt des sinfonischen Geschehens bewußt vom Anfangs satz auf den Schlußsatz verlagert. Im gewaltigen Fortissimo der Streicher und Klarinetten beginnt mit dem pochenden, zweimal hintereinander in absteigender Tonlage erklingenden Grundmotiv der erste Satz, dessen einheitliche Wirkung und atemberaubende Spannung einzigartig sind. Dieses düster drohende Motiv, Motto und Leitgedanke des Satzes, wird zum Träger einer großen Entwicklung und gibt dem gesamten stürmischen Allegro sein Gepräge. Auch in dem von den Hörnern vorgetragenen, aus zwei Perioden bestehenden zweiten Thema in Es-Dur ist das „Schicksalsmotiv“ als Kopfmotiv enthalten, während sein melodisch gesanglicher Nachsatz in dem relativ knappen und gedrängten Durchführungstcil des Satzes ohne Bedeutung bleibt. Die leidenschaftlichen Auseinandersetzungen und Kämpfe sind aber auch in der Coda noch nicht beendet - hart und starr behauptet sich auch noch am Satzende das drohende Pochen des Grundmotivs. Ein inniger, wunderbar tröstlicher Gedanke der Celli und Bratschen über gezupften Kontrabässen leitet den zweiten Satz (Andante) ein. Holzbläser und Geigen setzen die Weise fort. In Klarinetten und Fagotten bahnt sich ein zweites, marschähnliches Thema an, das dann durch schmetternde Trompeten hell erklingt. Doch auch in diesem Thema tönt, wenngleich im Ausdruck gewandelt, der Rhythmus des Schicksalsthemas aus dem Anfangssatz wieder auf. Vier Varianten der beiden einander ergänzenden, sich gegen seitig abwechselnden Hauptthemen bringt das Andante. Einige kraftvolle Akkorde beenden den Satz, der bereits als Verheißung des kommenden Sieges zu deuten ist. Celli und Kontrabässe beginnen mit einem unheimlich schleichenden, an das Finalthema von Mozarts großer g-Moll-Sinfonie erinnernden Thema den dritten Satz (Allegro), der an die Stelle eines ausgelassenen Scherzos ein dunkles Charakterstück setzt. Hier be weisen die finsteren Gegenkräfte noch einmal ihre ganze Macht, es herrscht eine düstere, beklemmende Stimmung. Das aggressiv-drohende zweite Thema ist wieder aus dem - in der Metrik veränderten - Kopfmotiv des ersten Satzes gestaltet. Ein ungestümes, grimmiges Fugato, dessen polterndes Thema die Kontrabässe anstimmen und das kaum Aufhellung bringt, wurde als Trioteil eingefügt. An die etwas variierte Wiederholung des ersten Teiles schließt sich unmittelbar das Finale der Sinfonie an - unglaublich spannungsvoll die große Steigerung beim Übergang zwischen beiden Sätzen! Der Final satz, in dem Beethoven zur Klangsteigerung noch zusätzlich drei Posaunen, Kontrafagott und Pikkoloflöte einsetzte, fegt endlich mit Macht alle Düsternis hinweg und verbreitet Licht und Freude. Auf einem jubelnden C-Dur-Dreiklang ist das sieghafte erste Thema auf gebaut, in dem sich noch mehrere andere kraftvoll-einfache Themen zur Verherr lichung des Sieges anschließen. Noch einmal steigen für kurze Zeit die Schatten des dunklen „Schicksals“ herauf, doch sic haben ihre Macht verloren. Erneut brandet der Jubel empor, unaufhaltsam stürmt der Triumphgesang, immer mehr in Zeitmaß und Kraft gesteigert, dem strahlenden Ende zu. Dr. Dieter Härtwig VORANKÜNDIGUNG : 4., 5. und 6. Februar 1966, 19.30 Uhr Einführungsvorträge jeweils 18.30 Uhr, Dr. Dieter Härtwig 6. PHILHARMONISCHES KONZERT Dirigent: Kurt Masur, Berlin Solist: Denes Kovacs, VR Ungarn Werke von Schubert, Mendelssohn Bartholdy, Rcspighi und Ravel Kein freier Kartenverkauf Programmblätter der Dresdner Philharmonie - Künstlerischer Leiter: Prof. Horst Förster - Spielzeit 1965/66 Redaktion: Dr. Dieter Härtwig Druck: Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden, Zentrale Ausbildungsstätte 30012 III 9 5 ZA 2 166 It G 009/2/66 5. Philharmonisches Konzert 1965/66