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ZUR EINFÜHRUNG Ludwig van Beethovens Ballett „Die GesrJjöpfe des Prometheus“ op. 43, ein Auftrags werk, dessen Inhalt seinen humanistischen Ideen zutiefst entsprach, wurde am 21. März 1801 im Wiener Kärntnerthortheater unter dem Titel „Gli uomini di Prometheus“ („Die Menschen des Prometheus“) uraufgeführt. Der italienische Ballettmeister Salvatore Vigano, der auch selbst komponierte, hatte die Handlung verfaßt. Heute sind jedoch die Originalpartitur des Werkes und das Textbuch verschollen. Nur zeitgenössische Be richte über die Aufführung sowie verschiedene Eintragungen des Komponisten in einer Kopie geben Hinweise auf den Handlungsverlauf. Auf einem erhalten gebliebenen Theaterzettel wurde der Inhalt des „mythologischen, allegorischen Balletts“ folgender maßen erläutert: „Die Grundlage dieses allegorischen Balletts ist die Fabel des Prometheus. Die Philo sophen Griechenlands, denen er bekannt war, erklären die Bespielung der Fabel dahin, daß sie denselben als einen erhabenen Geist schildern, der die Menschen zu seiner Zeit in einem Zustande von Unwissenheit antraf, sie durch Wissenschaften und Kunst ver feinerte und ihnen Sitten beibrachte. Von diesem Grundsatz ausgegangen, stellen sich im gegenwärtigen Ballett zwei belebt werdende Statuen dar, welche durch die Macht der Harmonie zu allen Leidenschaften des menschlichen Lebens empfänglich gemacht werden.“ Die Ballettmusik entstand zeitlich zwischen der 1. und der 2. Sinfonie. Wie in der 1. Sinfonie ist auch in der „Prometheus“-Musik noch „Mozarts Geist aus Haydns Händen“ zu spüren. Zeitgenössische Kritiker fanden sie „für ein Ballett zu gelehrt“. Uns erscheint sie heute in ihrer klassischen Haltung als „würdig, edel und anmutig“. Vor allem wird der humanistische Inhalt des Balletts musikalisch zwingend dargestellt: Um die Menschen aus den Fesseln der Unwissenheit zu erlösen, sie mit dem Drange nach Wissen, Glück und Freude zu erfüllen, raubt Prometheus den egoistischen Göttern die lebensspendende Kraft des Feuers. Die C-Dur-Ouvertüre ist wohl das bekannteste Stück der „Prometheus“- Musik geworden. Die langsame Einleitung, der Adagio-Teil, mit einem dissonanten Sekundakkord und mehreren kraftvollen Akkorden eröffnet, weist ein kantables C-Dur- Thema auf, das dem Larghetto-Thema der 2. Sinfonie verwandt ist und die edle Gestalt des Kulturbringers Prometheus symbolisiert. Im Gegensatz dazu ist das Thema des an schließenden lebhaften Hauptteiles, Allegro molto con brio, tanzhaft-heiter, im Staccato vorübereilend. Ein weiteres graziles Flötenthema gesellt sich hinzu. Nach einer kurzen Durchführung des thematischen Materials, nach der Reprise bringt die Coda den glanz voll-festlichen Höhepunkt und Abschluß des Stückes. Die 4. Sinfonie B-Dur op. 60 komponierte Beethoven im Jahre 1806 und brachte sie im März 1807 neben anderen eigenen Schöpfungen in Wien zur Uraufführung. Der Meister war zu jener Zeit — trotz der Enttäuschungen, die er mit seiner einzigen Oper, „Fidelio“, eben erlebt hatte —, „heiter, zu jedem Scherz aufgelegt, frohsinnig, munter, lebenslustig, witzig, nicht selten satirisch“, wie uns sein Zeitgenosse Seyfried überlieferte. Seine auch nach Mißerfolgen ungebrochene Schaffenskraft und jene geschilderte Stimmung haben sich in der „Vierten“, die in relativ gedrängter Zeit entstand, niedergeschlagen. Die Sinfonie weist durchweg eine inhaltliche Helle, eine heitere Atmosphäre auf, die von Haydn und Mozart gewiß nicht unbeeinflußt ist, obwohl Beethoven auch in diesem Werk - nach der „Eroica“ — eine ganz neue Stufe seiner Entwicklung erreicht hat, die sich etwa in der diffi zilen Harmonik und in der inhaltlichen Klarheit offenbart. Der Aufbau der 4. Sinfonie ist locker, fast improvisiert; sie strotzt vor musikalischen Einfällen die den Eindruck opti mistischer Lebenshaltung erzeugen. Nur selten einmal werden Schatten beschworen, Hintergründe gesucht. Geheimnisvoll wirkt zunächst die Adagio-Einleitung des ersten Satzes, aus deren ver- schwebend-erregenden Klängen sich plötzlich in frischem Allegro-vivace-Tempo das heiter-bewegte Hauptthema mit seinem Trioienauftakt herauslöst, das für den Satzablauf bestimmend wird. Dem reizvoll-beschwingten Spiel mit diesem Thema werden noch zwei Seitenthemen in F-Dur, durch Holzbläser vorgeführt, beigegeben, die im Gefolge mit dem Hauptgedanken die urmusikantische Stimmung der Durchführung vorantreiben. Keine Konfliktsituation kommt auf. Doch allmählich weicht die Turbulenz der Entwick lung einer Episode inniger Ruhe und Schönheit. Auf schwebenden H-Dur-Harmonien scheint die Bewegung zu Ende zu sein. Doch über einem sich steigernden Paukenwirbel fängt das Spiel mit dem Hauptthema noch einmal an und wird zu einem glanzvollen Schluß geführt. Der melodisch-empfindungsvolle langsame Satz, ein Adagio in Es-Dur, wird von zwei Themen getragen. Dem Hauptthema, in den Violinen erklingend, schließt sich ein schwär merischer Seitengedanke in den Klarinetten an. Unbeschreiblich friedvoll, traumhaft, sphärisch rein mutet dieses Adagio mit seiner differenzierten Dynamik und der eigen artigen Instrumentation an. Der Einbruch des Leides in diese glückhafte Welt wird überwunden. Typischen Scherzocharakter besitzt der dritte Satz, Allegro vivace, mit seiner rhythmischen Ursprünglichkeit, der Derbheit seines Ausdrucks. Das Trio verarbeitet eine verspielt heitere Ländlerweise, die in den Holzbläsern angestimmt wird. Lebenssprühend, wirblig gibt sich das Finale, Allegro ma non troppo, das zwar in Mozartschem und Haydnschem Geiste entworfen, doch in vielen Schroffheiten den typi schen Beethoven erkennen läßt. Ruhelose Sechzehntelbewegungen charakterisieren das markante erste Thema, volksliedhafte Melodik das zweite. Welch ein Spiel mit Motiven, Stimmungen und Steigerungen! Welch meisterlicher Humor durchpulst diese Partitur! Man achte auch auf die Überraschungen des Schlußteils mit seinen Orchesterschlägen und Generalpausen. Mitreißend im wahrsten Wortsinn ist dieses Sinfonie-Finale. Für eines seiner „vorzüglichsten“ Werke hielt Beethoven seine 7. Sinfonie A-Dur op. 92, die tatsächlich auch von ihrer triumphalen Uraufführung an bis heute stets ein Lieblings werk des Publikums wie der Dirigenten gewesen ist und schnell eine außerordentliche Popularität errungen hatte, wenn es auch anfangs, durch die Kühnheit und Neuartigkeit dieser faszinierenden, aber höchst eigenwillig gestalteten Komposition bedingt, nicht an kritisch ablehnenden Stimmen fehlte. Die von Beethoven 1811 begonnene (einzelne Skizzen reichen schon in frühere Jahre zurück) und 1812 vollendete Sinfonie wurde zu sammen mit der naturalistischen Programm-Sinfonie „Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria“ in einem Wohltätigkeitskonzert zugunsten verwundeter bayrisch-österreichi scher Soldaten, die Napoleon 1813 in der Schlacht bei Hanau geschlagen hatte, am 8. Dezember 1813 in Wien urauf geführt und versetzte dabei, ebenso wie in den bald darauf folgenden Wiederholungen, die Zuhörer in unglaubliche Begeisterung. So schrieb die „Wiener Zeitung“ zu diesem Ereignis: „Der Beifall, den Beethovens kraftvolle Kom positionen, von ihm selbst dirigiert, und die aus Eifer für die Kunst und die Sache des Vaterlandes zu diesem Feste der Kunst und der patriotischen Wohltätigkeit vereinigten ersten Künstler der Kaiserstadt bei allen Zuhörern fanden, stieg bis zur Entzückung.“ Als hochbedeutender künstlerischer Beitrag des vom „reinen Gefühl der Vaterlandsliebe“ durchdrungenen Meisters zum Befreiungskampf gegen die napoleonische Herrschaft steht das auf rüttelnde, Elan und aktivierende Kraft ausstrahlende Werk gewiß mit der Zeit seiner Entstehung in ideellem Zusammenhang, wenn es sich hier wohl auch weniger um direkte programmatische Bezüge handelt. Da Beethoven zu der „Siebenten“ im Gegensatz zu der vorangehenden 6. Sinfonie (Pastorale) keinen Schlüssel für eine bestimmte pro grammatische Deutung gegeben hat, hat das Werk immer wieder zu mancherlei, zum Teil sogar recht seltsam phantastischen Erklärungs- und Deutungsversuchen gereizt, die aller dings meist nur gewisse Wesenszüge, nicht aber seine Gesamtheit erfaßten. Besonders berühmt wurde Richard Wagners von der ungemein starken Betonung des rhythmischen Elements in dieser Schöpfung ausgehende Deutung als „Apotheose des Tanzes“; Robert Schumann wiederum faßte die Sinfonie als Schilderung einer Bauernhochzeit auf, und der Musikwissenschaftler Arnold Schering legte sie gar nach Szenen aus Goethes „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ aus. Indessen kann man mit derartigen, doch schließlich am Äußer lichen haftenden Erklärungen kaum der Eigengesetzlichkeit dieser Musik, ihren besonde-