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und Zerrissenheit seines Wesens und damit seiner Musik, die in der Diskrepanz zwischen schlichter, liedhafter Melodik und Übersteigerung der äußeren Mittel, in jähen Kon trasten, krassen Stimmungsumschlägen und eigentümlich zwielichtigen Episoden zum Ausdruck kommt. Der erste Satz des Werkes beginnt mit einer poetisch-stimmungsvollen Einleitung, die den erwachenden Morgen, den Sonnenaufgang mit vielfältigen Naturlauten schildert. Das danach erklingende frische Hauptthema, das einer Melodie aus Mahlers „Liedern eines fahrenden Gesellen“ entspricht („Ging heut morgen übers Feld“), bestimmt in seiner phantasievollen Verarbeitung, von Seitenthemen begleitet, den weiteren Verlauf des von fröhlicher, naturhafter Diesseitigkeit und kraftvoller Musizierfreude erfüllten Satzes. Nach einer jubelnden Steigerung in vorwärtsdrängendem Tempo erfolgt unvermittelt der Schluß. - Das folgende, echt österreichische Scherzo im Ländlerrhythmus nach Bruck- n erseh em Vorbild läßt eine ausgelassen-bewegte dörfliche Tanzszene an uns vorüber ziehen. Den Mittelteil bildet ein anmutiges, etwas zarteres Trio. — In eine ganz neue Klangwelt führt uns der dritte Satz, mit dem der zweite Teil der Sinfonie - ursprünglich „Commedia umana“ überschrieben - einsetzt (je zwei der Sätze gehören innerlich zusam men). Eine für den Komponisten sehr charakteristische, seltsame Kombination von Me lancholie und Skurrilität herrscht in diesem merkwürdigen Satz, der verständlicherweise bei den ersten Aufführungen des Werkes Erstaunen und auch Befremden hervorrief. Mahler wurde durch ein altes Kinderbild, „Des Jägers Leichenbegängnis“, zu dieser Komposition inspiriert. Zu einem schauerlich grotesken Trauermarsch geben die Tiere des Waldes dem toten Jäger das Geleit. Das thematische Material des gespenstischen Treibens, dessen Eindruck durch ein parodistisch-triviales Zwischenspiel noch verstärkt wird, stellt der bekannnte Volksliedkanon „Bruder Martin, Bruder Martin“ dar. Für kurze Zeit spendet eine weitere Melodie aus den „Liedern eines fahrenden Gesellen“ ein wenig Trost und Beruhigung; doch sie kann sich nicht durchsetzen, bald ertönt wieder unheimlich-düster, hohnvoll und unerbittlich das Kanonthema des Anfangs. — Unmittel bar schließt sich der stürmische, titanische Finalsatz an, den Mahler einst den „Aufschrei eines zutiefst verwundeten Herzens“ nannte. Heftige Kämpfe werden in diesem leiden schaftlichen Musikstück ausgefochten, dessen Bogen sich von „großer Wildheit“ und über schwenglichen Ausbrüchen bis zum zartesten Pianissimo spannt, und der von starken Klangkontrasten und ungeheuer gesteigerten Entwicklungen getragen wird. Auffallende thematische Reminiszenzen an den ersten Satz treten hier auf. Der sieghafte Schluß mit dem marschähnlichen Hauptthema in vollem Orchester glanz kündet endlich den errungenen Triumph. VORANKÜNDIGUNG: 25. und 26. Dezember 1965,19.30 Uhr 6. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Horst Förster Solist: Heinz Schunk, Berlin, Violine Werke von Brahms, Tschaikowski und Wagner Freier Kartenverkauf 14., 15. und 16. Januar 1966, 19.30 Uhr (Einführungsvorträge jeweils 18.30 Uhr, Dr. Dieter Hartwig) 5. PHILHARMONISCHES KONZERT Dirigent: Horst Förster Solist: Stefan Kamasa, VR Polen Werke von Thilman, Walton und Beethoven Kein freier Kartenverkauf Programmblätter der Dresdner Philharmonie - Künstlerischer Leiter: Prof. Horst Förster - Spielzeit 1965/66 Redaktion: Dr. Dieter Härtwig Druck: Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden, Zentrale Lehrwerkstatt 6325 It G 009 76 65