Volltext Seite (XML)
Lieber M u s i kfr e und! Wenn Ihnen die Dresdner Philharmonie heute ein solch heiteres Programm dar bietet, wie es dem Monat des Frohsinns, dem Faschingsmonat, entspricht — sollte es da wirklich notwendig sein, dazu noch die sonst übliche Einführung zu schreiben? Man kann doch an Mozarts „Kleiner Nachtmusik“ seine Freude haben, ohne darauf hingewiesen zu werden, daß sich der damals 31 jährige Meister mit diesem kostbaren Werk noch einmal der Gattung der mehrsätzigen Serenaden zuwandte, die er in jungen Jahren um so viele Beispiele bereichert hatte. Dabei ahnen wir vielleicht gar nicht, daß Mozart, als er die „Kleine Nachtmusik“ schrieb, noch unter dem Eindruck des Todes seines Vaters stand und sein Leben auch sonst nicht frei von dunklen Schatten war. Seine Oper „Don Giovanni“ aus dem gleichen Jahre 1787 zeugt davon. Oder wer denkt bei Carl Maria vonWebers „Aufforderung zum Tanz“ daran, daß der Freischütz-Komponist damit eigentlich ein Vorbild für den späteren Wiener Walzer in seiner typischen mehrteiligen Form — sogar mit langsamer Einleitung — geschaffen hat? Das war 1819. Damals hielt der Walzer auch in der tanzenden „guten Gesellschaft“ seinen siegreichen Einzug. Im selben Jahre gründete der blutjunge Joseph Lanner in Wien seine kleine Tanzkapelle, in welche er als vierten Mann den fünfzehnjährigen Johann Strauß (Vater) auf nahm. Der berühmte Johann Strauß (Sohn) lebte zu der Zeit noch gar nicht. Man muß sagen, Carl Maria von Weber war also ein durchaus „Moderner“! Zu einem Werke, das im gleichen Jahre wie die „Kleine Nachtmusik“ entstand, sei aber doch ein Wort mehr gesagt: Mozarts „Musikalischer Scherz“ mit den symphonieartigen Sätzen Allegro — Menuetto — Adagio cantabile - Presto. (Übrigens weist die Bezeichnung KV 522 darauf hin, daß dieses Werk im Ver zeichnis der Werke Mozarts, zusammengetragen durch den Mozarl forscher Kochel — kurz Köchelverzeichnis genannt ,—, das 522. Werk ist.) Damit malt Mozart irgendeinen „Auch-Komponisten“ seiner Zeit ab, der es zwar übernimmt, eine regelrechte Symphonie zu komponieren, dem es aber an der nötigen Erfindungs gabe und auch am handwerklichen Können fehlt, um damit fertig zu werden. So kommt es, daß ihm des öfteren die Luft ausgeht, daß er sich in den künstlerischen Mitteln vergreift und daß auf diese Weise ein lächerliches Gebilde entsteht, das ihm von seinen Musikern auch noch gründlich verpatzt wird! (Wenn’s also falsch klingt, ist es richtig, d. h. nach Noten gespielt!) Es gehörte wohl Mo/artsche Meisterschaft dazu, um einen solchen „musikalischen Scherz“ zu Papier zu bringen. Aber ich denke, mehr brauche ich Ihnen nicht zu schreiben, denn sowohl die Ungarischen Tänze von Brahms, ferner des sonst so schweren Max Regers Liebes- walzer, das voller Laune steckende Rondo („Rondo capriccioso“) des Franzosen Saint-Saens, endlich die beiden Walzer von Richard Strauss und Johann Strauß, die von Haus aus nicht miteinander verwandt waren, hier aber doch ähnliche Saiten aufziehen — das alles spielt sich ja von selber in Ihre Herzen und Sinne! Und gerade das wünscht Ihnen, lieber Musikfreund Albert Kremser Deutsche Konzert- und Gastspieldirektion — Bezirksstelle Dresden — rrr-9-19 it-G 001-55 1,7 155 164 31-1—101