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ERLÄUTERUNGEN lm Jahre 1810 hat Beethoven seine Musik zu Goethes Schauspiel »Egmont« vollendet. Die Ouvertüre dieser Musik ist am bekanntesten geworden. Eine langsame, qualvoll wuchtende Einleitung; schwer lastet Gewissens zwang und Heimatnot auf den Niederländern, nur ver stohlen wagen die Bedrückten zum Himmel aufzublicken. Dann aber beginnt es sidi im Allegro zu regen. Noch ist die Grundhaltung ein gedämpftes Moll; doch schon fallt die gepeinigte Seele zuweilen lichte Hoffnung. Das Allegro wächst im Kampf zur offenen Empörung, zum Aufbegehren gegen die immer wieder hart dreinfahrende Faust des äußeren Schicksals. Strahlende Bläserakkorde erhellen den inneren Himmel, bis endlich im Schlußsati jenes Thema aufrauscht, das den Sieg inbrünstigen Glau bens über die Mächte der Finsternis versinnbildlicht, ln leuchtenden Farben schließt diese Heldenouvertüre. 1822 komponierte Franz Schubert als 8. Sinfonie in der Reihe seiner 10 Sinfonien die in h-moll stehende. Selt sam ist, daß er dieses Werk, das er auf der Höhe seiner Meisterschaft, im Vollbesit; seines überragenden Könnens niederschrieb, nicht fertig komponierte, sondern nach dem zweiten Sat; aufhörte. Sie heißt die »Unvollendete« - und wenn irgendwo nur dieses Wort fällt, dann weiß jeder, daß damit dieses Werk Franz Schuberts gemeint ist. Sie ist freilich trotj ihres Unvollendetseins ein vollendetes Meisterwerk. Es gibt kaum einen Menschen, der sich ihrer tiefen Wirkung entziehen könnte. Um so rätselhafter ist, warum Schubert aufhörte, an dieser Sinfonie weiterzu arbeiten. Man kennt die wahren Gründe nicht, vermutet aber, daß Schubert, der Beethoven und dessen titanisches Schaffen über alles verehrte, der in der Beethovenschen Sinfonie unerreichbare Vorbilder sah, eines Tages die Einsicht hatte, daß er die Größe dieses Meisters nie