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Einführung Friedrich Smetana „Die Moldau“, Sinfonische Dichtung für großes Orchester aus „Mein Vaterland“ — Zwei Quellen entspringen im Schatten des Böhmerwaldes; die eine warm sprudelnd, die andere kühl und ruhig. Die lustig in dem Gestein dahinrauschenden Wellen derselben vereinigen sich und erglänzen in den Strahlen der Morgensonne. Der schnell dahineilende Wald bach wird zum Flusse Vlata, der, immer weiter durch Böhmens Gaue dahinfließend, zu einem gewaltigen Strom anwächst. Er fließt durch dichte Waldungen, in denen das fröhliche Treiben einer Jagd immer näher hörbar wird und das Waldhorn erschallt, er fließt durch wiesenreiche Triften und Niederungen, wo unter lustigen Klängen ein Hochzeitsfest mit Gesang und Tanz gefeiert wird. In der Nacht be lustigen sich die Wald- und Wassernymphen beim Mondenschein auf den glän zenden Wellen desselben, in denen sich die vielen Burgfesten und Schlösser als Zeugen vergangener Zeiten widerspiegeln. In den Johannisstromschnellen braust der Strom, durch die Katarakte sich windend, und bahnt sich gewaltsam mit schäumenden Wellen den Weg durch die Felsenspalte in das breite Flußbett, in dem er mit majestätischer Ruhe gegen Prag weiter dahinfließt, bewillkommnet vom ehrwürdigen Vysehrad, worauf er in weiter Ferne vor den Augen des Ton dichters entschwindet. Ludwig van Beethoven Das Fünfte Klavierkonzert in Es-dur op. 73 aus dem Jahre 1809, kann mit Fug und Recht eine Sinfonie mit Soloklavier genannt werden. Das Orchester begleitet nicht mehr nur das Soloinstrument, wie es bisher Brauch war, sondern beteiligt sich am Aufbau des gesamten Werkes, und an der Verarbeitung des thematischen Materials. In diesem Konzert ist das besonders deutlich. Nach der gleichsam im provisierenden und präludierenden Einleitung segt ein sinfonischer Sag ein, der scheinbar zunächst ohne solistische Mitwirkung auszukommen versucht und auch auskommt. Plündert Takte lang hört man absolutes sinfonisches Geschehen, erlebt man reine sinfonische Formgeseglichkeit mit den beiden Themen in ihrer Durch führung. Das ganze Werk hindurch spürt man Beethovens großen Atem, das tita nische Element seines Wesens, das schwer um die Ausgewogenheit von Geist und Gefühl ringt, um das Gleichgewicht von Form und Inhalt, die ihm seiner Veranlagung nach garnicht liegt. Nach dem Einsegen des Soloklaviers beginnt in dem wahrhaft großen ersten Sag eine schwerwiegende, tiefschürfende Auseinander- segung, die einer Diskussion an weltanschauliche Fragen unter bedeutenden Geistern ähnelt. Es ist kein Wunder, daß man dieses Konzert als den Gipfel der gesamten Konzertliteratur ansieht, weil sich jedem, der es hört, die geistige Größe aufzwingt. Der 2. Sag ist in seiner zarten Tönung und Färbung ein starker Gegensag zu dem vorhergehenden Aufeinanderprall von Thesen und Antithesen, aber auch er hält die geistige Höhe. Nicht einmal im Schlußrondo läßt Beethovens Spannkraft nach. Er hat den Kehrauscharakter früherer Rondos überwunden und stellt, — sein Streben nach klassischem Gleichgewicht führt ihn dahin — dem gedanklich schwer ringenden ersten Sag einen geistvollen, sprühenden, in gelöstere Regionen vor stoßenden Schlußsag gegenüber, der aber durch die Beethovenschcn Errungen schaften in der Kunst der motivischen Behandlung sein Gewicht hat. Beethoven hat dieses Werk selbst nicht mehr gespielt. Es ist eines jener Werke von ihm, die ein damaliger französischer Redakteur (Paris 1810) folgendermaßen beschreibt: „Der erstaunliche Erfolg der Kompositionen Beethovens ist ein gefähr liches Beispiel für die Kunst der Musik. Er glaubt eine Wirkung zu erzeugen, wenn er mit den barbarischen Dissonanzen nicht spart und alle Instrumente großen Lärm vollführen läßt.“ Prof. Laux