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2241 Beilage zur Deutschen Allgemeinen Zeitung Nr. 167» (IL. Junius 1848.) «eb-»bri<k. Madrid, Gerüchte von Mnüsterwcchsel. General O'DonncL. Krankeeich. Nationalversammlung, Interpellationen, die Reichen und Ludwig Napoleon. Gerüchte und Berichtigungen. Ludwig Napoleon. Die Emeute. Die politischen Flüchtlinge. Preßunfug. Die deutschen Demokraten. Reform der Recrutirung. Bcigelegtes Duell, E. Thomaß, d'Alton-Ahee. WroGHritannien. Parlament, die Schisfahrtßgcsehe. F. O'Connor. Dublin, die Conföderirten. Tapferkeit. Angeblicher Aufstand in Lahore, «evtvede« «nv Norwegen. Stockholm. Die Truppen. MnGland ün- Polen. Die Rüstungen. Nen-fte Nachrichten. Handel und Industrie. Der «ampf in Neapel. Spanien. Aus Madrid gehen die Nachrichten bis zum S. Jun. Außer Gerüchten vom nahen Rücktritte der Minister Sotomayor, Beltran de LiS und Bravo Murillo bringen sie nichts der Erwähnung WertheS. Der in Paris verweilende General O'Donnell, früher Gouverneur von Havana, ist eilig nach Madrid berufen worden. Frankreich. Paris, il. Jun. Die Zugänge zurNationalversammlung waren gestern wie der militairisch besetzt. Eine Menge Menschen umlagerten dieselben, um Ludwig Napoleon zu sehen, der jedoch nicht kam. Dafür stellte sich Hr. Thierö ein. Gegen 4 Uhr verliefen sich die Scharen der Neu gierigen. Hr. ThierS wurde in der Nationalversammlung von meh re» seiner ehemaligen Kollegen der Deputirtcnkammer und einzelnen der neuen Abgeordneten sehr zuvorkommend begrüßt. Er nahm seinen Platz rechts bei einigen ehemaligen Dcputirtcn, namentlich bei den HH. Ber ger, Abatucci und Duvcrgier de Hauranne. An die Stelle des zum Justizminister ernannten Hrn. Bcthmont, eines der Biccpräsidenten der Kammer, wurde Georges Lafayette mit 304 unter 546 Stimmen ge wählt. Das Journal des Debats signalisirte gestern früh einen Artikel in der Organisation du travail, der ein Berzeichniß der Bankiers, No tare, Wechselagenten und sogenannter reicher Leute mit Angabe ihres vermeintlichen Vermögens enthielt und dessen Fortsetzung versprach. In diesem ersten Verzeichnisse beträgt die Summe des angeblichen Vermögens 2462 Mill. Fr. Der Abg. Jobcz intcrpellirte wegen dieses Artikels, den «r als eine Denuncirung der Reichen an die Rache der Parteien und als Auffoderung zu Gewalt und Mord bezeichnete, die Minister, ob sic dage gen nicht cinschreitcn wollten. Man wendete vielfach ein, die Verfolgung von Preßvergrhen sei Sache der Gerichte, und die Versammlung habe über straffällige Artikel kein Urtheil. Der Finanzminister Duclerc und der Justizminister Bethmont machten Das entschieden geltend, selbst gegen den HandelSminister Flocon, welcher von gefährlichen Preßvcrgehen sprach, die ungerügt geblieben seien. Man ging dann zur Tagesordnung über. Der Finanzminister legte ein Crcditgesctz von 1'/- Millionen zur Ein lösung und Umprägung der Kupfermünzen vor. Die mit allerlei Vor schlägen und Bittschriften ziemlich zerstreut hingehende Verhandlung erhielt einen sehr pikanten Ausgang durch eine Interpellation des Kriegs ministers durch den Abg.Heeckcrcn: Briefe von Troyes brächten näm lich die Nachricht, daß die Nativnalgarde einem dort anlangendcn Li- nienregimente cntgegcngrzogen sei und cS mit dem Rufe: Es lebe die Republik! empfangen habe. Die Linie habe geantwortet: Es lebe Ludwig Napoleon! Unter allgemeiner Aufregung eilte der Kriegsminister auf die Redncrbühne und erklärte, wie ihm so wenig wie der Regierung etwas von einem solchen Auftritte bekannt geworden sei und er nicht anstche, darin «in« Verleumdung zu sehen. Weit entfernt, Jemand anschuldigen zu wollen, wolle und müsse er glauben, der Genannte sei unschuldig. Allein er glaube der Versammlung aus der Seele zu sprechen, wenn er Jeden der öffentlichen Verwünschung weihe, der seine ruchlose Hand nach den Freiheiten der Republik auszustrccken wagen sollt«. Ein Beifalls sturm erhob sich hier; die ganze Versammlung brach in den Ruf: Es lebe die Republik! aus. Unter Wiederholung desselben wurde die Sitzung aufgehoben. — Seit ein paar Tagen wimmelt cs von Gerüchten über außeror dentliche Polizeimaßregeln, Verhaftsbefehle rc. gegen Mitglieder der drei gestürzten Dynastie». Der AriegeoiS läßt in Foix zwei Perso- «en, die fürstlicher Herkunft sein sollen, auf Befehl der Regierung ver- haften; ein anderes Gerücht will von Verhaftung des Prinzen von Joinwille wissen. Zu dem Allen bemerkt der Messager, daß wahrschein lich nichts Wahres daran fei» werde. Rücksichtlich der von den Zei tungen gemeldeten Anwesenheit Ludwig Bonaparte'S in Paris bringt das Journal des Debats auf Verlangen eines Mitgliedes der Familie Bonaparte als Berichtigung, daß derselbe weder in Paris noch in Auteuil sei und daher auch bei der vollziehenden Commission seine Ver ¬ haftung nicht in Rede gekommen sein könne. Er befinde sich in Lon don, wo er seine Wahl vor ehegestern nicht habe erfahren können. — In CharleviS« im Ardenne Departement sind in der Nacht des 8. Jun. zahlreiche Auffoderungcn an die Mauern geheftet wor den, für Ludwig Napoleon zu den Waffen zu greifen und die Re gierung zu stürzen, welche an die Stelle der gestürzten Tyrannei eines Königs die Vieler gesetzt habe. Ludwig Napoleon sei der einzige Mann, würdig, an der Spitze von Frankreich zu stehen, und Frankreich werde ihn aus ihrer Hand annehmcn. Der Propagateur des Arden ncS meint dazu, die Herren täuschten sich. Ludwig Napoleon sei der Mann nicht zu einem 18. Brumaire, und alle derartige, gar nicht un bekannte Umtriebe würden am Verstände des Volks zu Schanden werden. — Gestern Abend, schreibt das Journal des Debats, bildeten sich wieder Anhäufungen meist Neugieriger in der Umgebung der Porte St.- Denis, wenn auch weniger zahlreich als früher. Von 0—11 Uhr ließ man die in den Haufen auftretenden Redner und Schreier gewäh ren. Dann aber rückten von dem Boulevard St.-Martin starke Ab- thcilungcn Linie und mobile Nativnalgarde heran und die Massen ga ben Fersengeld. Sobald aber die bewaffnete Macht vorübergezogen war, bildete der Auflauf sich wieder, und man hörte Pfeifen und Lärm. Bald erfolgten nun nach Rührung der Trommeln die Auffoderunaen auseinandcrzugehen. Wer sie befolgte, that klug, denn wenige Mi nuten später wurden alle zur Porte St.-Denis führende Straßen und die Boulevards durch Linientruppcn vollständig gesperrt. Man ließ Niemanden, Neugierige so wenig wie Scandalmacher vom Platz, und cs schien, als wolle man sie sammt und sonders dort übernachten lassen. Unter den an frühern Abenden hier Verhafteten soll auch ein Haupt mann von der Linie gewesen sein, wie die Gazette des Tributtaux mittheilt. — Der Minister des Innern hat verfügt, daß ohne von ihm et- theilte schriftliche Bewilligung kein politischer Flüchtling in Paris seinen bleibenden Aufenthalt nehmen dürfe. In einem an die Präfekten erlassenen Rundschreiben fodert er dieselben auf, die Gesetze gegen un moralische und obscöne Schriften und Bilder, deren Verbreitung mit skandalöser Straflosigkeit eingerisscn sei, mit aller Strenge zu handhaben. — Der Commandant der provisorischen Nationalgarde, General Cle ment Thomas, war wegen seiner Aeußerung, die Ehrenlegion sei ein Spielwcrk der Eitelkeit, vom Rittmeister Napoleon Bertrand gefodert worden. Es kam jedoch nicht zum Zweikampf, und die Zeitungen ent halten die von den beiderseitigen Zeugen bewirkte Beilegung der Sache. Der nach Bordeaux entführt gewesene frühere Direktor der National- wcrkstättcn, Emile Thomas, ist wieder in Paris. In einem an die Zeitungen gerichteten Schreiben fodert er eine strenge Untersuchung we gen aller gegen ihn erhobenen Anschuldigungen und hat zu gleichem Zwecke eine Bittschrift an die Nationalversammlung gerichtet. Der ra dicale ehemalige Pair, Graf d'Alton-Shee, Oberst der 14. Legion der Nationalgarde von Paris, hat als solcher seine Entlassung gegeben, weil er eine Truppe nicht länger commandiren zu dürfen glaube, welche neben ihm Hrn. Thiers ihre Stimmen für die Nationalver sammlung gebe. Dieser bekämpfe die Republik, und er solle sie nach Wahl derselben Leute beschützen, was zusammen nicht bestehen könne. — Der Kricgsminister, General Cavaignac, hat dem Ausschüsse der Nationalversammlung für Militairsachen auf dessen Befragen er klärt, daß er alsbald einen Gesetzentwurf über Rekrutirung der Armee vorlegen werde, der die Stellvertretung ganz beseitige. Mit der Revi sion der Militairstrafgesetzc habe er sich noch nicht beschäftigen können. — Ein rother Anschlag fodert in Paris seit einigen Tagen die dorti gen Deutschen auf, sich bei der „deutschen demokratischen Gesellschaft, gebildet für die Befreiung aller Völker, Rue Montmartre Nr. 47," zu melden, um mit nach Italien zu marschircn! Großbritannien. London, io. Jun. Im Oberhause erhielt gestern mit mehren von beiden Häu sern passirtcn Bills auch die Frcmdenbill durch Commissare Vie könig liche Zustimmung. Die Lords vertagte« sich für das Pfingstfest bis zum 15. Jun. Im Unterhause ward nach Erledigung der von uns schon gestern erwähnten Anfrage die so oft vertagte Debatte über den Antrag der Minister, zur Erwägung und Reform der SchiffahrtSgesetze ins Gesammtcomite zu gehen, durch den Führer der Schutzpart«i Lord George Bentinck wieder aufgenommen. Seme Rede füllt fünf engge- drucktc Spalten in der Limes. Hr. Hume sprach für den Antrag, Ad miral BowleS dagegen. Wenn Länge und Mühsames Zufammenstcllcn von Daten entschieden, würde Lord Georgr's Rede di« des Abends gc wesen sein. Allein für verfehlte Beweisführung entschädigt keine an gewandte Mühe. Mit Sophisterei wird nichts gefördert. Hr. Richard Cobden, Sir R. Peel und Lord John Russell nahmen zum Schluffe der bis nach 2 Uhr Morgens sich hinziehendeB Debatte nach einander