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NS8 asttr Eile ein großes russisches Lager für 100,000 Mann errichtet wird. Die Truppen rücken aus Lithauen und Volhynien in Eilmär schen heran. Man fragt sich hier mit Bangigkeit und Besorgniß, was diese außerordentliche Anhäufung russischer Streitkräfte ins Königreich Pdlen, und noch dazu längs unserer Grenze, zu bedeuten haben könne; ohne sich das Räthsel erklären zu können, ist ein großer Theil unserer Bevölkerung schon geneigt, sich durch das Phantom einer russischen In vasion in Schrecken setzen zu lassen. Man glaubt, Rußland werde plötzlich Partei für Dänemark nehmen und dadurch einen genügenden Vorwand gewinnen, um mit großer Uebermacht einzurücken und sich des GroßherzogthumS zu bemächtigen. Kaiser Nikolaus soll nämlich die Ueberzeugung nähren, daß er sich nicht eher mit Sicherheit den Herrn von Polen nennen könne, als bis in der Provinz Posen eine streng absolutistische Regierung eingeführt sei. UebrigcnS fürchten sich die Po len vor den Russen beiweitem nicht in dem Grade wie unsere deut schen Einwohner, die ganz unverhohlen eingestehcn, daß sic flüchten wür den, selbst wenn die Russen als Freunde kommen sollten. Jedenfalls ist das einzig Wahre an der ganzen Sache die nicht zu bestreitende große Concentrirung russischer Truppen im Königreiche; doch werden diese schwerlich unsere Grenze überschreiten, sondern sich damit begnügen, an den äußersten westlichen Marken Wache zu halten, damit das böse Contagium, das jetzt mehr als die Hälfte von Europa «»gesteckt hat, nicht in das Ländergebiet des Zars vordringe, dessen Regierungsweise einer sogenannten zeitgemäßen Modifikation durchaus unfähig ist. Die Behandlung der polnischen Frage scheint bei uns aber mals in eine neue Phase treten zu wollen; wenigstens scheint man in Berlin jetzt keineswegs die Absicht zu haben, einmal mit deutscher Voll kraft in dieser Angelegenheit vorzugehen, damit die Jnsurrectionsgelüste für längere Zeit gedämpft werden. Wie verlautet, wird noch heute der General v. Pfuel sich nach Berlin begeben, wo die Willisen'schen An sichten noch immer viele Verfechter in den höhern Kreisen haben sollen- Rechnet man dazu die schnelle Abberufung des Chefs des hiesigen Ge- ncralstabs, Hrn. v. Ölberg, sowie die heute unerwartet verkündigte Aufhebung des Martialgesetzes und die stündlich erwartete allgemeine Amnestie, von der nur wenige Kategorien ausgeschlossen sein dürften, so hat man allerdings Stoff genug zum Nachdenken. Inzwischen lau ten doch die Nachrichten aus Frankfurt a. M. für unsere deutsche Be völkerung beruhigend, und es ist kaum mehr zu besorgen, daß die dor tigen Anstrengungen der Polen die Aufnahme unserer Stadt in den Deutschen Bund rückgängig machen werden. Nach Privatbriefen soll höchstens ein Drittel der Constituirenden Versammlung den polnischen Strebungen günstig sein. — Unsere Reorganisation: scheint völlig zu ruhen. * Vom UhklN, IV. Jun. Es ist eine merkwürdige Erscheinung der Gegenwart, daß, während man endlich einmal ernstlich an der politi schen Einheit arbeitet, die altrömische Partei Alles anwendet, um nicht blos die bisherige kirchliche Zerrissenheit des Vaterlandes in 8tatu quo zu erhalten, sondern sogar die Kluft noch zu erweitern, welche der Fa natismus längst vergangener Jahrhunderte zwischen den Protestanten und Katholiken in Deutschland befestigt hat. Und zwar ist es der preußische Rhein mit seinen Dependenzen, wo die altrömische Fahne jetzt, nachdem sie selbst in Rom verschwunden ist, und während sie sich in Oesterreich und Baiern immer mehr zurückzieht, mit der größten Energie aufgepflanzt wird. Wunderbare Erscheinung! In denselben Tagen, wo ganz Deutschland von dem Geschrei nach Freiheit und Gleich heit widerhallt, proclamirt der Erzbischof von Köln daß älteste römische Gesetz über die gemischten Ehen, wonach die Gültigkeit derselben nun nicht mehr, wie nach der bisherigen Praxis, von den betreffenden Pfarrern abhängt, sondern nach welchem die Erlaubniß dazu jedesmal beim Bi schof cingeholt werden muß, selbst wenn der Pfarrer alle von den letzter» Päpsten vorgeschriebencn Cautionen, namentlich die der katho lischen Kindererziehung, berücksichtigt und erlangt hat. Während man also in Braunschweig jetzt die gemischten Ehen zwischen Christen und Juden gestattet, strengt der Erzbischof von Köln die hierarchischen Kräfte an, um Ehen zwischen Protestanten und Katholiken nicht bloS zu erschweren, sondern wo möglich zu verhindern. Wahrlich, wenn wir Deutschen so immer einen Schritt rückwärts thun, sobald wir einen vorwärts gethan haben, so werden wir voraussichtlich nicht vom Flecke kommen. Man begreift nicht, wie ein Mann wie der Erzbischof von Köln in unsern Tagen einen solchen Anachronismus hat begehen kön nen. Hat ihn vielleicht die in Folge der berliner Barricaden in Preu ßen cingerissene theilweise Anarchie ermuthigt, diesen Zustand zum Nutzen des römischen Kirchenregiments auszubeuten? Wird er jetzt in Berlin bei der Constituirenden Nationalversammlung es versuchen, die römische Restauration und Reaktion in die neue preußische Verfassung einzufüh ren? Wie Dem auch sein mag, sein Suffragan, der Bischof des rö mischen Münster, hat nun die neue altrömische Praxis auch in Westfa len eingeführt. Sollte er sie der Constituirenden Versammlung in Frankfurt a. M-, wo er bekanntlich als Abgeordneter fungirt, etwa als eine zweckmäßige Maßregel fürs neue Deutschland empfehlen wollen, so dürfte er mit dieser römischen Eintheilung der Deutschen in Reine und Unreine, die sich nicht ehelich verbinden dürfen, eben so durchfallen, wie dies mit seinem Antrag auf einen getrennten Gottesdienst zur Weihe der Constituirenden Versammlung der Fall war. — Das Staatsministerium hat zur Herbeiführung von Ersparnisse» im Staatshaushalte beim Könige die Verringerung der Pensionen sowie der Diäten und Reisekosten beantragt und der König hat den betreffenden Vorschlägen seine Genehmigung ertheilt. Vorläufig bezieht sich die Verminderung blos auf die fortan zu bewilligenden Pen sionen für die Civil- und nicht zum stehenden Heere gehörigen Mili- tairbeamten und wird dabei das Maximum einer Pension mit 4000 Thlr. angenommen. Einen Vorschlag wegen der Pensionen für das stehende Heer wird der Kriegsminister unycrweilt vorlegen. zvefte»*eich. Aus Tirol, 5. Jun. Ein Nachtrag zur Geschichte unserer con stitutionellcn Entwickelung. Wie man an der Etsch die Bauern gegen die gesetzlich festgesetzte Glaubensfreiheit petitioniren läßt, wissen Sie bereits; nun auch etwas von dem geistlich-politischen Manoeuvrir- system im Jnnthale. Zu Kufstein lag am 28. Mai in der Sakristei auf einem feierlich dazu drapirten Tischlein eine gedruckte Petition, die für daS Land Tirol diesen Paragraphen der Constitution zurückweist und Juden und Protestanten für immer als bürgerlich unberechtigt be trachtet wissen will. Ein Geistlicher stand neben diesem „Altar des Vaterlandes" und überreichte mit Zuvorkommenheit Jedermann die Feder zur Unterzeichnung dieses Aktenstücks. An der Spitze der Pflicht beflissenen las man den Namen des k. k. Landrichters. Um Vieles bün diger treibt man diese Angelegenheit auf dem Lande. Die runde Frage, ob er lutherisch werden wolle, genügt, den Bauer zur Unterschrift des Dokuments zu bestimmen, der wie erklärlich von seinem Glauben nicht lassen will, „weil es die gottvergessenen wiener Freigeister so haben wollen." So lautet die landesübliche Version über Vie Verfassung, und noch hat Niemand dem Volke gesagt, daß der Kaiser sie gegeben habe, derselbe Kaiser, der jetzt in Innsbruck seine Freigeisterei dadurch beweist, daß er Hochamt und Predigt beiwohnt zur Erbauung desselben betrogenen Volks. Durch dieses summarische Verfahren wird dieVolks- foderung zweifelsohne unwiderleglich beurkundet, indessen man durch die Presse diese tirolischen Ueberzeugungen zum klarsten Ausdruck bringt. Man erinnert unter Anderm den Minister Pillersdorf, der von je „ge gen die Studenten schwach, für die Juden eifrig und gegen katholische OrdenSmänner schonungslos verfahren," ob er nicht wisse, „daß die tiroler Bauern nur auf die Versicherung des Erzherzogs Johann, eS werde an ihren kirchlichen Einrichtungen nichts geändert werden, ihre Schützencompagnien ins Feld stellten." Pillersdorf mag das in der That nicht gewußt haben, und der Erzherzog konnte es versprechen, wie so Manches, was trotz seiner Zusage unS nicht gehalten wurde. Wo aber bleibt da unsere Vaterlandsliebe, unsere Treue, die derselbe Erz herzog als den Grund unserer mannhaften Erhebung demselben Mini ster amtlich anrühmt? Wer soll da crröthcn? wir, der Erzherzog oder jene Verräther des Letzten, was wir besaßen: des Glaubens der Welt an tirolische Treue? Und solcher Schmach gegenüber setzen zu Inns bruck etliche halbofficiellc Aufrufmacher sich hin, um aus den Thaten von I7SS und 180S nebst unsern derzeitigen Verdiensten um das HauS Oesterreich die Berechtigung zu deduciren, mit den Wienern in einem Tone zu sprechen, der nicht gut macht, was sie verdarben, und verdirbt, was noch Gutes an uns ist. Es war Landesbrauch in Tirol, nirgend und niemals auszukramcn mit Dem, was irgendwie Rechtes und Ge rechtes gethan worden ist. Allzeit hat man cS anerkannt, daß wir nicht viel Worte über Dinge machen, die sich, weiß Gott, im Moment des Geschehens besser darstellen als im nachträglichen Ueberblick. Man that unS selbst keinen Gefallen, wenn sich Fremde des HeroldamteS annahmcn, und jetzt müssen wir männiglich eS gedruckt zu lesen geben, und ein paar Leute, deren Vollmacht kurz gemessen sein dürfte, stellen unser schlichtes Völklein vor den Spiegel einer ihm fremden Selbstbe wunderung und lassen cs eine Sprache reden, die nicht tirolisch ist. Dies zum Vcrständniß unserer Adresse an die Wiener. (D. Z.) s- pesth, S. Jun. Der „Közlöny", Moniteur theilt die Antwort mit, welche der König der «gramer Deputation in Innsbruck ge geben. Da« Verlangen der Deputation bezüglich einer von Ungarn unabhängigen Verfassung wurde abgewiesen, und erklärte der König seinen entschiedenen Willen dahin, den gesetzmäßigen Verband Kroa tiens ». mit Ungarn in voller Kraft zu erhalten. Schließlich bemerkte er der Deputation, daß er den Ban vor sich geladen und bereits die gemessenen Weisungen gegeben, die „Wirrungen in Kroatien" aufzu heben. Die jüngste Nummer der «gramer Zeitung berichtet die Rück kehr der Deputation aus Innsbruck, nichts aber von der ihr geworde nen Antwort. Man steht hier mit höchster Spannung den Nach richten aus Agram vom 5. Jun. entgegen, als an welchem Tage die Eröffnung der vom König verbotenen LandeScongregation und die Jnstallirung des nach Innsbruck citirten BanS festgesetzt war. Agra- mer Briefe vom 3. d. M-, an welchem der Ban bereits die königl.