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1714 rung zu bringen. Während dort nun ausdrücklich die Ueberzeugung ausgesprochen wurde, der Krieg würde sich in die Länge ziehen, cursirt hier ein Brief vom jungen Brunetti, dem Sohne Ciccruacchio's, der als Freiwilliger mitgezogen ist. Er sagt ganz naiv, die Oesterreicher Hütten noch zu viel Kanonen, als daß sich etwas gegen sie auf die Dauer ausrichten ließe. Man würde sich nur unnütz tödtcn lassen. Die Römer, die noch zu Hause wären, thäten daher besser, zu Hause zu bleiben. Sie würden auch bald Alle zurückkommen. Sollte das viel leicht eine vorläufige Auffoderung zur Ruhe sein, vielleicht hervorgeru- fen durch den Papa, den Volksleiter für den Fall, daß der Papst den Krieg nicht erklären wollte? Oder sind die neuen römischen Krieger wirklich schon so weit? Hier freilich gehen Mann und Frau, Priester und Laie, Alt und Jung noch mit dreifarbigem Kreuz auf dem Kleide, als das Sinnbild des Kreuzzuges, junge und alte Leute tragen die lombardische Tracht, Barett mit schwarzer Feder, faltigen Rock mit Gurt und Beinkleider, Alles von schwarzem Sammet; auch Knaben ge hen in Civica-Uniform und ein Vater geht nebst seinem vielleicht 11jäh- »igen Sohne gar mit Sack und Pack herum, Beide in neapolitanischer Uniform. Es wird mit diesen Dingen wirklich hier gespielt! — Vor gestern Abend waren wieder Unordnungen am Ghetto. Man will nicht leiden, daß sich die Israeliten nach Ave Maria auf den Straßen sehen lassen, was ihnen doch jetzt erlaubt ist. Ein armer Teufel von Israelit wurde daher gestern Abend überfallen und gemiShandelt, und als er sich zur Wehre setzte, gar ermordet. Die Behörde forscht den ThätedN mit Ernst nach und will mit aller ihrer Macht die neuen Rechte der Juden aufrecht erhalten. Wenn sie eß nur nicht selbst ver- detben! Heute spie ein Jude auf der Straße einem Priester ins Ge sicht. Das Volk fiel sogleich über ihn her, und kaum rettete man ihn vor der Wuth der Menge, indem man ihn ins Gefängniß schleppte. Die Ehester haben hier wieder begonnen. Die Theaterpolizei Min ist es, die noch nicht gemildert ist. Oie Regierung, das geist liche Regiment und die Commune, alle üben die Censur über die zu gebenden Stücke aus; die geistliche Censur sicht darauf, daß sie nicht unmoralisch, die städtische, daß sie nicht zu schlecht sind. Eine vor kurzem ergangene Ministerialverordnung verbietet bei Strafe jedes Lär men und jedes Zischen im Theater; wenn die Schauspieler ihre Pflicht Nicht erfüllen, so hat man bei der Behörde zu klagen, ebenso wenn sie sich etwas Ungebührliches herausnehmen sollten. Die Behörde werde streng darauf halten, daß die Directoren und Schauspieler ge nau die Bedingungen einhaltcn, auf die hin ihnen die Eklaubniß zu spielen gegeben ist. Eine Oper ist übrigens in Rom jetzt gar nicht. U lleflpkl, 28. April. Gestern war der Golf belebt, wie ich ihn Nit gesehen, die Molen, Sta. Lucia, die ganze lange Chiaja war von Menschen bedeckt. Es galt der Einschiffung von 1VÜV Mann Li- rii'rNttuppcn nach der Lombardei. Sie sind diesmal nach VcNedig be stimmt, um von dort aus gegen die österreichische Armee zu operiren. Wenn sie noch in Venedig landen können, wenn die deutschen Waffen nicht dort bereits den Verrüth gestraft und Vie so schmählich überge ben« Jnselstadt wieder genommen haben! Wir sind hier ohne alle zu verlässige Nachrichten, und aus dem Lügengewebe der italienischen Zei tungen die Wahrheit herauszuziehen wird immer schwieriger. Konnte man cs anders erwarten? sagen Einige; eS ist die italienische Natur, zu dichten, sich selbst zu belügen; Andere: Es ist Rothwehr, den Muth der kaum Erwachten aufrecht zu erhalten. Aber in unsern Augen lhat es einer guten Sache Eintrag, daß sie mit Lügen operirt, wo sie ein gutes Recht für sich hat, ein Recht, welches durch einen schlimmen Ausgang im Einzelnen nicht an der Aussicht auf einen entscheidenden Ausgang im Ganzen, der nothwendig ist, verliert. Deutschland, sagen unsere Landsleute, kämpfte 1813 anders für sein Wiedetaufstehrn; die einzelnen Schlappen wurden nicht verschwiegen, bemäntelt, man betrach tete sie als Sühnung, als Bluttaufe zur gesammten Volkserhebung, Md durch di« Wahrheit siegten endlich die Deutschen gegen die französischen Siegcsbulletins. Der Ton der sardinischen Bulletins wird scharf kri- tisitt. Deutsche Berichte sprachen vorgestern von der Einnahme Udines und Palmanuovas durch General Nugent, italienische lassen den öster reichischen General zurückgeschlagen werden und aus Wuth darüber 6 Häuser in Brand flecken. Ich zweifle, daß die hiesigen Zeitungen je mals das wahre Vrrhältniß angebcn werden. Der Abschied des Mi- litairs und der Freiwilligcn konnte hier ein sehr ernster sein. Sie ge hen nicht mehr zu einem Spiel, zu einem Handstreich nach der Lom bardei, wie die hiesigen Patrioten sich Md ihnen cinbildeten, cs wird nach allen Anzeichen jetzt, wo auch Oesterreich aus seinem ersten Schrecken erwacht ist, ein furchtbarer, blutiger Krieg. Die Hunderte von Booten, welche den Dampfbooten und den Kriegs- und Transportschiffen, die jene ins Schlepptau genommen, nachruderten, trugen die Verwandten, FreMde, welche den Freunden ein letztes Lebewohl mit den Tüchern Mwehtcn. Die Stimmung der Bevölkerung auf den Molen schien ein« fdhr gereizte gegen die Fremden. Was hat Neapel denn von den Frem den zu leiden, und doch rüstet sich einer der Ansässigen nach dem an- Mch den untermnnrtcn Boden zu verlassen. Der Verkehr stockt, was sollen wir noch hier? den Ausbruch des Vesuvs abwartcn? Daran scheint man allgemein nach der langen Ruhe zu glauben. Man stellt höchstens bis Ende Mai die Frist, wo ein neuer Ausbruch das kaum Bestehende Umstürzen werde. Die Verdächtigung sagt: Ferdinand's calabresische Minister und Generale können ihre calabresische Natur nicht verwinden, die Kcttcn, welche sie an den Füßen getragen, schmer zen sie noch, die Rache dafür haben sie nicht vergessen. Sie ziehen alles Militair fort, nach Sicilien, nach der Lombardei, bis der König ohne Schuh ihnen oder der Volkswillkü» prei-gcgebcn ist. Wer ent scheidet, was an solchen Anschuldigungen wahr ist? Ferdinand selbst wird geschildert als von tiefster Melancholie betroffen, er sähe sein Schicksal voraus, bald drohe er, bald gebe er nach; im Stillen, ja oft in Gegenwart seiner Offiziere stürzten Thränen aus feinen Augen. Die Schweizer auch zu entfernen, weigert er sich standhaft und droht, wenn man noch weiter in ihn dringe, ein Schiff zu besteigen und Nea pel seinem Schicksal zu überlassen. Was würde Neapel als Provinz eines einigen Italiens? Gewiß nicht seine Hauptstadt, gewiß nicht der geachtetste, integrircnde Theil desselben. Eine hellere Aussicht für den Kampf, der sich bereitet, ist in unsern deutschen Augen, daß in Oester reich die Stimmung sich entschieden geltend zu machen scheint: die Lom bardei ist nicht zu halten und man hat nur dafür zu kämpfen, daß man sie mit. Ehren los wird. Aber wie viel Blut, wie viel Menschen leben wird diese Erledigung des Ehrenpunktss kosten! Neapel, 27. April. G. A. Romeo ist aus Messina zurückge kehrt, nachdem er es durch seinen Einfluß auf die Sicilrer Lahinge- bracht, daß ein Waffenstillstand bis zum 15. Mai bewilligt worden. — Nachdem vor einiger Zeit die Baumwollenspinner von la Cav«, Sa lerno rc. eine Bewegung gegen die fremden reichen Fabrikanten gemacht, welche nach der letzten Zollhcrabsehung die Herabsetzung des ohnedies schon sehr geringen Arbeitslohns als Repressalien gebraucht hatten, fand vor gestern eine große Versammlung von S etzern und Druckern und andern Leuten auf dem Campo statt. Sie sehen, Alles bemüht sich, Paris nachzu- eifcrn, um allerhand Concessionen mit Gewalt durchzusehen. Die National garde kam ihnen zuvor, und leider kam cs zu Flintenschüssen, wobei es mehre Verwundete gab. Man ist der Ansicht, daß die Nationalgarde etwas zu voreilig gefeuert habe. Der chrenwerthe Advocat Ruggiero, jetzt Minister der kirchlichen Angelegenheiten, tadelt in einem offenen Brief die intoleranten Befürchtungen und Ansichten des hiesigen Erz bischofs Riario Sforza und verweist diesem die schriftlich gebrauchte Zusammenstellung Luther's mit der „Hölle." Die verschiedenen Mi nisterien organisiren sich neu, und ihre Chefs veröffentlichen die neue Geschäftseinthcilung. So z. B. ist das Ministerium des Innern in sechs Ripartimenti eingetheilt worden: Secretariat, Civiladministration, Wohlthätigkeit, innere und äußere Sicherheit, Gerichts - und Verwal tungspolizei, Rechnungswesen. Die Errichtung einer großen Menge von Instituten, Schulen, telegraphischen, diplomatischen Anstalten »c. letzt auf dem Papier. (A. Z.) Frankreich. Paris, 7. Mai. Die Sitzung der Nationalversammlung wurde gestern nach 1 Uhr vom Präsidenten Buchez eröffnet. Rach'erfolgter Gutheißung des Protokolls und während beständig von den entfernter» Plätzen die Klage laut wurde, daß man nichts höre, theilte derselbe ein Schreiben des als Sccretair gewählten Bürgers Pyat mit, der diese Stelle ab- lchnte. Man fuhr sodann mit Berichterstattung über die Wahlen fort. Nach einer sehr tumultuarischen Verhandlung über die für das Loire departement gewählten Abgeordneten, den Abbe Bischof Fayet von Or leans und Bürger Desmoller, bei denen eS sich um Einfluß der Geist lichkeit und angeblich gekaufte Stimmen handelte, wutde eine Unter suchung darüber von der Versammlung beschlossen. Bei den Wahlen für Paris und das Seincdepartement wurde die des Bürger Schmit, Verfasser eines Arbeiterkatcchismüs, weil eS zweifelhaft sei, ob ihm oder einem Schuhmacher Schmit von 12-1,383, die ohne alle Bezeich nung eingegangenen 11,39k und mit der Bezeichnung als Arbeiter abgegebenen 12,937 Stimmen galten, casfirt. Nach einer ungeregelten Debatte ward mit 114 gegen 298 Stimmen beschlossen, daß nicht wer nach Schmit im Scinedcpartemcnt die meisten Stimmen hatte, cinberufen, sondern eine neue Wahl veranstaltet werden solle. Eine Mitteilung der provisorischen Regierung war sodann auf der Tagesordnung. Der Präsident derselben, Dupont de l'Eure, erklärte jedoch, daß seine Stimme ür den Vortrag des Rechenschaftsberichts zu schwach sei und Bürger kamartme denselben übernehmen werde. Dieser trug sodann die fol gende Einleitung zu den verschiedenen Berichten der Minister vvr: Bürger, Repräsentanten! In dem Augenblicke, wo Sie die Ausübung Ihrer Souverametät antreten, in dem Augenblicke, wo wir in Ihre Hände die Gewalt abgcbcn, welche die Revolution uns provisorisch anvertraut hatte, sind wir Ihnen vor Allem Rechenschaft von der Lage schuldig, in der wir das Vaterland gefunden haben, in der Sie es finden. Eine Re volution ist am 21. Kebr. auSgevrochen. Dar Volk hat den Thron um gestürzt; eS hat auf den Trümmern desselben geschworen, fortan allein und