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732 München, 5. März. (Nachmittags.) Auf dem Rathhaussaal ist eine höchst stürmische Volksversammlung. Man verlangt au genblicklichen Abzug der von andern Orten herangezogenen Soldaten und schickt, um dieses zu verlangen, eine Deputation an den Feldmarschall Prinzen Kart. Eine andere soll sogleich vom König die bestimmte Zu sicherung erholen, daß dem bevorstehenden Landtage Vorlagen im Sinne der sämmtlichen Petitionspunkte gemacht werden und die Beeidigung des Militairs sowie völlige Freigebung der Presse sogleich erfolge. Nach langem Toben gelingt eö einigen Rednern, die sich in diesen Tagen bereits durch Kraft und Besonnenheit das Volksvertrauen erworben haben, die allgemeine Zustimmung zu Folgendem zu erzielen: 1) Jede Thätlichkeit wird vermieden und jeder Exceß nach Kräften verhindert; 2) die Entschließung des Königs auf die Petitionspunkte, welche in ei nem eben stattfindenden Ministerrath erzielt werden soll, wird in einer morgen Mittag stattfindenden neuen Versammlung entgegcngenommcn, und bis dahin ruhig erwartet; 3) als Ergänzung der Petition wird nachgetragen, daß alle confessioncllcn Schranken beseitigt (Judeneman- cipation) und volle Religionsfreiheit gewährt werde; 4) eine Ent schließung wegen der nicht hiesigen Militairs wird nicht weiter verlangt, sondern dem Prinzen Karl bekannt gegeben, daß man dieselben zu scheuen keinen Grund habe, und in ihnen wie in den hiesigen dieselben wackern Baiern und Deutschen zu finden versichert sei; 5) jede De monstration gegen Fürst Wrede unterbleibt, und er wird lediglich dem Urtheil der öffentlichen Meinung anheimgegeben. (Der Wortlaut war rin noch stärkerer.) Hiermit wurde die Versammlung geschloffen und Mes verließ ruhig den Saal. (A. Z.) München, 6. März. Hier ist heute nachstehende königliche Proclamation erschienen, welche außersofortiger gänzlicher Auf hebung der Censur und unverzüglicher Beeidigung des Militairs auf die Verfassung eine Reihe von Zusagen der wich tigsten Garantien für die bürgerliche Freiheit gewährt. Königliche Proclamation. Ich habe mich entschlossen, die Stände meines Reichs um mich zu versammeln; dieselben sind aus den 16. d. M. in die Hauptstadt berufen. Die Wünsche meines Volks haben in meinem Herzen jederzeit vollen Widerhall gefunden. An die Stände des Reichs werden ungesäumt Gesetzesvorlagen gelangen, unter Andcrm: über die verfassungsmäßige Verantwortlichkeit der Minister; über vollständige Preßfreiheit; über Verbesserung der Stände-Wahl-Ordnung; über Einfüh rung der Oeffcntlichkeit und Mündlichkeit in die Rechtspflege mit Schwur gerichten; über die in der IX. Verfassungsbcilagc angcdeutete umfassendere Fürsorge für die Staatßdiener und deren Relictcn; dann deren Ausdehnung auf die übrigen Angestellten des StaatS; über Verbesserung der Verhält nisse der Israeliten. Ferner ordne ich in diesem Augenblicke die schleunige Abfassung eines PolizeigcsctzbucheS an; ebenso befehle ich die unverzügliche Beeidigung meines Heeres auf die Verfassung, und lasse ich von heute an die Censur über äußere wie innere Angelegenheiten außer Anwendung tre ten. Baiern erkennt in diesem Entschlusse die angestammte Gesinnung der Wittelsbachcr. Ein großer Augenblick ist in der Entwickelung der Staaten eingetreten. Ernst ist die Lage Deutschlands. Wie ich für deutsche Sache denke und fühle, davon zeugt mein ganzes Leben. Deutschlands Einheit durch wirksame Maßregeln zu stärken, dem Mittelpunkte des vereinten Va terlandes neue Kraft und nationale Bedeutsamkeit mit einer Vertretung der deutschen Nation am Bunde zu sichern und zu dem Ende die schleunige Revision der Bundesverfassung in Gemäßheit der gerechten Erwartungen Deutschlands hcrbeizuführen wird mir ein theurer Gedanke, wird Ziel mei nes Strebens bleiben. Baierns König ist stolz darauf, ein deutscher Mann zu sein. Baiern! Euer Vertrauen wird erwidert, cS wird gerechtfertigt werden ! Scharet euch um den Thron! Mit euerm Herrscher vereint, ver treten durch eure verfassungsmäßigen Organe, laßt uns erwägen, was uns, was dem gemeinsamen Vatcrlande Roth thut. Alles für mein Volk! Alles für Deutschland! München, am 6. März 1818. Ludwig. Maximilian, Kronprinz. Luitpold, Prinz von Baiern. Adalbert, Prinz von Baiern. Karl, Prinz von Baiern. Fürst v. Dettingen - Wallerstein, v. Beisler. v. Hcreß. v. der Mark. v. Voltz. München, 6. März (Vormittags). Gestern Abend ist der Kron prinz hier eingctroffcn. Heute findet, wie wir hören, in der königl. Residenz ein Familienrath statt. — Es heißt, Frhr. v. Thon-Ditt mer sei zum Minister des Innern ernannt. Man vertheilt eben weiß- blaue Cocarden und Bänder, die die Leute sofort anstccken. Folgen der Aufruf wurde vertheilt: Mitbürger! Jetzt, wo sich eine ehrcnwcrthe Bürgerschaft und eine treuc Bevölkerung vereinigte, um stark nach innen zu werden, befestigt in den verfassungsmäßigen Rechten, jetzt, wo sich diese Treuen um den ver fassungsmäßigen Thron scharen, um ihn und sich zu schirmen gegen die Gelüste des von außen drohenden Feindes, ist cs im höchsten Grade be trübend und muh gerechten Unwillen erwecken, daß sich neben diesem ber- fassungsmähig erwachten frischeren Leben, welches unzertrennbar ist von Fürstentreue und bürgerlicher Ordnung, leider Reden, Ausrufe und Ein flüsterungen vernehmen lassen, die nicht aus bairischer Brust kommen, die offenbar das Merk fremder Bestrebungen sind. Viele solcher Ucbelgesinn- ten mischen sich unter die Versammlungen von Bürgern und biedern Baiern, erhitzen unbefangene Gemüther, verbreiten verkehrte Begriffe, misdeutcn die wohlgemeintesten Anordnungen; sic suchen Mißtrauen zu erregen gegen jene Verkehrungen, die nothwcndig gegen eigenthumsgefährliche Exccsse und gegen staatsgefährliche fremde Einwirkungen ergriffen werden müssen, wenn nicht dar kostbare Gut einer wohlbefestigten konstitutionellen Regie rung, der bürgerlichen Ordnung und öffentlichen Wohlfahrt gefährdet sein soll. Baiern! blickt zurück auf eure ruhmvolle Vergangenheit, auf euren uralten Ruf echter Treue, auf eure VaterlandSgeschichte, welche nicht von dem Flecken thronfeindlicher Bestrebungen beschmuzt ist, haltet fest zusam men unter euch selbst, und Alle zusammen an eurem Regentenhause, an Wittelsbach, am treubewährten Vatcrlande, und weiset jede fremde Ein flüsterung, jeden Lockruf zum Verrath an eurer unbefleckten Treuc mit echt bairischer Festigkeit und Derbheit zurück! Wir wollen Ordnung, Gesetz lichkeit und Wohlfahrt de« Vaterlandes, aber nicht FrcjheitStaumel, wel cher zu einem kurzen Rausch hinreißt, aus dem daö Erwachen wahrlich nur ein höchst trauriges sein könnte. — Am 1. März fand zu Neustadt eine Zusammenkunft der Mehr zahl der pfälzischen Abgeordneten zur Ständeversammlung statt. Nachdem die Abgeordneten eine Adresse entworfen hatten, theilte ik deren Namen Hr. Willich dieselbe den gleichfalls versammelten Bürgern, mehre Hundert an der Zahl, mit. Wen einzelnen Punkte» wurde laute Zustimmung zu Theil. Sodann erklärte Hr. Willich, daß die Ab geordneten übereingekommen seien, diese Adresse persönlich nach Mün chen zu überbringen, und daß sie zu diesem Behufe möglichst bald (im Laufe der nächsten Woche) gemeinsam dahin abreisen würden. Ma» kam ferner überein: die Gemeinden des Kreises möchten, wenn sie mit dem Inhalt jener Adresse einverstanden seien, dies in besondern Bei trittserklärungen außsprcchen. Zu diesem Behufe soll jenes Actenstück in lithographirttn Abdrücken allen Bürgermeistern behufs Auflegung der selben in den Rathhäusern übersendet werden, ohne daß jedoch die Ab reise der Abgeordneten darum verzögert werde. Die ganze Verhandlung fand mit vollkommener Ordnung statt. (Speyr.Z.) Hannover, 7. März. Der Magistrat und das Bürgervorsteher- Collegium der Residenzstadt Hannover haben am gestrigen Abend an den König folgende Adresse gerichtet: Allcrdurchlauchtigstcr, großmächtigster König, allergnädigster König und Herr! Das große und unerwartete Ereigniß in einem Nachbarstaate und die möglichen Folgen dieses Ereignisses haben die gespannteste Auf merksamkeit des gesammten deutschen Vaterlandes erregt, haben lebhafter . als je zuvor die Ucberzeugung hervorgerufen, daß nur die innigste Verbin dung der Regierungen mit ihren Völkern und aller deutschen Stämme unter einander im Stande sei, das Vaterland nach außen zu kräftigen, ihm im Innern die Ruhe zu sichern, deren es bedarf, um nicht in seiner Entwickelung gestört zu werden. Aber selbst die Vorbereitung zur Siche rung der Ruhe und deS Friedens wird Opfer erfodern, Opfer an Mitteln des Wohlseins und Opfer an Wünschen, geduldige Erwartung der ruhigen gesetzmäßigen Entwickelung. Um aber an dieser nicht zu verzweifeln, be darf es Lhatsachen, welche den ernstlichen Willen, jene gesetzmäßige Ent wickelung zu befördern, beweisen und die Abstellung von Mängeln, welche hier und da tief empfunden sind, verbürgen. Der Aufruf der durchlauch tigsten deutschen Bundesversammlung, deren mit allgemeinem Jubel be grüßter Beschluß wegen Aufhebung der Censur, die schon jetzt bekannt ge wordenen energischen Maßregeln mehrer hohen Regierungen geben uns er- treuliche Kunde von der Bereitwilligkeit deutscher Fürsten, ihren Untcrtha- nen Vertrauen zu gewähren. Auch in unserm engcrn Vaterlande und in der Stadt selbst, die wir vertreten, haben sich die Gesinnungen lebhaft ausgesprochen, welche allgemein das deutsche Volk beseelen; namentlich wird auch bei uns das unabweiöliche Bedürfniß gefühlt, daß zur Herstellung deS Vertrauens die Presse in Gemäßheit des Bundesbeschlusses 'unverzüglich von ihren bisherigen Fesseln befreit, vor Allein aber zur Wahrung der na tionalen Interessen von der durchlauchtigsten Deutschen Bundesversamm lung eine Deputation sämmtlicher deutscher Stände berufen werden möge, um derselben die ohne Zweifel zu treffenden Maßregeln zur Bewahrung der innern und äußern Sicherheit des deutschen Vaterlandes zur Bcrathung vor- zulcgcn. Ew. königl. Maj. sind der Beherrscher eines Landes, welches von allen norddeutschen Staaten am frühesten die Schmach und das Elend der Un terwerfung unter fremde Willkür kennen gelernt hat; Allerhöchstdiescl- ben sind uns im Jahre 1813 der erste Bote einer glücklichen Zukunft ge wesen! Vertrauensvoll hoffen wir, daß Ew. königl. Maj. an den Gesin nungen der Treue Allcrhöchstihrer Hannoveraner, die sich in der Zeit feind licher Unterdrückung ebensowol als im Partcikampfe der Meinungen be währt hat, auch jetzt nicht zweifeln, und die gute Absicht nicht verkennen werden, wenn wir unsere Wünsche mit Frcimüthigkcit allerunterthssnigst vor Ew. königl. Maj. Thron aussprechcn. Näheres mögen wir hier nicht berühren, indem wir solches den Ständen deS Königreichs, welche von Ew. königl. Maj. ohne Zweifel bald berufen werden, überlassen dürfen und müs sen. Wir wagen daher die allcrunterthänigstc Bitte, Ew. königl. Maj. wollen allcrgnädigst geruhen: nicht nur die Preßfreiheit in Gemäßheit des Beschlusses der durchlauchtigsten Deutschen Bundesversammlung baldmög lichst im Königreiche Hannover anzuordnen, sondern auch mit Allerhöchst- dcro deutschen Verbündeten Communicationen zu Erreichung einer Vertre tung des deutschen Volkes bei der durchlauchtigsten Deutschen Bundes versammlung zuzulcgen und jedenfalls die allgemeinen Stände des König- reichs schleunigst zu berufen. In zuversichtlicher Hoffnung auf huldreiche Berücksichtigung dieser Bitten verharren wir Ew. königl. Maj. unser« Al lergnädigsten Königs und Herrn treu gehorsamst. Der König empfing heute Nachmittag um 4 Uhr eine Deputation des Magistrats und des Bürgervorsteher-CoUegiumS und gab auf diese , Adresse folgende Erwiderung: