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standpunkt aufzugeben und fich der neuen Constituirung des Vaterlan- des auf den Grundlagen des allgemeinen Bedürfnisses anzuschließen. Und wäre Dies Alles, was uns bevorsteht von Frankreich? Dann hätten wir doch Zeit und Muße zu unsern neuen Einrichtungen, und — kämen vor gründlicher llebcrlcgung vielleicht wieder nicht zu etwas Gan» zcm. Nein, die Geschichte drängt diesmal, glücklicherweise für unsere Bedenklichkeit, in furchtbar eilendem Schritte. Nicht nur die innere Welt Frankreichs, auch die Kricgswclt Frankreichs steht uns bevor, angrcifcnd, unmittelbar. Kein Kundiger macht sich darüber eine Täu schung. Wie friedlich die Worte auch klingen vom pariser Stadthause, wie ehrlich sic auch gemeint sein mögen von Manchem, die Verhältnisse sind stärker als die Absichten, und die Personen werden wechseln wie die Wolken am Himmel. Zwei Punkte stehen schon unverrückbar fest, und sie sind kriegesschwanger. Die neue Regierung ist gemacht und wird getragen von den Besitzlosen, und will und soll diesen helfen, dauernd helfen. Wie kann sie das! Wie kann sie die neue Aufgabe eines neuen Jahrhunderts in einem Monde lösen! Sie wird riesenhafte Anstalten machen, wird dadurch in manches andere Recht eingreifcn, wird Geniales erfinden, obnc ein Ganzes aus dem Stegreife schaffen zu können, wird dech Widerstand vor sich, das Geschrei nach vorwärts hinter sich haben, wird fallen und stürzen, oder in Verzweiflung Das thun, was ihre Nachfolger doch thun würden: die Dämme öffnen «ach den Grenzen hinaus. Dies ist der eine Punkt. Der zweite Punkt liegt im Nationalcharakter der Franzosen. Es ist der Drang nach glorreicher Unternehmung. Dieser ist am leichtesten befriedigt in stürmischer Waf- fenthat, und zur Waffenthat sind sie Alle geschult und bereit. Die Lösung des socialistischcn Problems wird Wenigen überlassen bleiben, das geht so langsam, das geht so unscheinbar! Man will Thaten sehen, man will Erfolge haben. „Da sind die Lombarden, die unter fremdem Drucke seufzen! Leiden wir das, wir Franzvscn, die eben die Orleans gestürzt, weil sie die Freiheit in Europa verrathen, weil sie sich mit der heiligen Allianz verbündet hatten? Nein! Also Tambour voraus nach jenen Ortschaften und Flüssen, die wir Alle kennen, die uns kennen, nach Lodi, nach Arcole, nach Rivoli,,an die Adda, an die Bormida, an denMincio!" Ist dies wahrscheinlich? Ich fürchte, es ist unvermeidlich. So gegen Süden. Und was harrt im Norden? Das offene Belgien. Es harrt jetzt nicht allem Anscheine nach, es schließt sich eng zusammen um seine mühsam errungene, um seine frei sinnige Regierung, um einen braven König/ der sich als musterhaft be währt hat, cs möchte gern unabhängig und selbständig bleiben. Aber die Verhältnisse sind, wie gesagt, stärker als die Absichten. Em Koh- lcnfuhrmann wird fluchen, daß der große französische Markt für Koh len thöricht geschlossen sei durch eine Douane; eine Stadt wird fin den, daß ihr Fabrikat sich doch viel besser verwerthen lasse nach Sü den als nach Norden; ein Thor wird sich öffnen, was weiß ich wel ches! und der Strom wird einbrechen. Wozu die weitere Ausführung! Meines Erachtens wäre cs ein Wunder, wenn kein Krieg losbräche. Und wenn er losbricht, so reißt er auch uns in seine furchtbaren Kreise. Darum verhehlen wir es uns nicht wie der Vogel Strauß, der nicht gesehen zu werden hofft, wenn er selbst nicht sieht; verhehlen wir es uns keinen Augenblick: das deutsche Vaterland ist in Gefahr! Was ist zu thun? Dresden, 4. März. Die Landtagsabgeordnetcn Joseph und Schaffrath haben folgende Vorstellung an den König gerichtet: Allcrdurchlauchtigstcr König! Wir können Dresden, wohin wir zur Theilnahme an einer außerordentlichen Deputation der II. Kammer beru fen waren, in jetziger inhaltsschwerer Zeit nicht verlassen, ohne vorher Ew. königl. Maj. unsere unerschütterliche Hingebung für die Sache der gesetz mäßigen Ordnung und Freiheit zu versichern, dabei aber eine dringende Gcwisscnßpflicht gegen Ew. königl. Maj., gegen unsere Mitbürger und gegen uns selbst zu erfüllen: die durch den Drang der Zeitereignisse geho bene Pflicht der Wahrhaftigkeit und der Offenheit. Der großartige Sieg des französischen, durch die Verkümmerung und Verdrehung seiner verfassungsmäßigen Rechte, durch die übcrmüthigc Nicht beachtung zeitgemäßer Federungen beleidigten Volkes hat auch in unserm Sachsen wie in ganz Deutschland die freudigste Theilnahmc gefunden. Er hat aber auch schmerzlich daran erinnert, daß die Treue deutscher Völ ker gegen ihre Fürsten noch nicht einmal mit einem kleinen Theile der Rechte belohnt ist, welche fast alle andern gebildeten Völker Europas durch eigne Kraft sich errungen haben; daß alle ihre geistigen Anstren gungen zur Erlangung der volksthümlichcn, freien Einrichtungen, in deren Genüsse sie fremde Völker an Achtung und Kraft wachsen sehen, vergebli ches Werk waren. Haben doch die deutschen Völker die ihnen vor nun bald 40 Jahren gegebenen Zusagen bis heute, noch nicht erfüllt erhalten, sie sehen ihre Rechte in einen dauernden Ausnahmezustand verkehrt; und cs fällt zwar dem Herzen nicht, wohl aber dem nüchternen Verstände der selben schwer, auf ihre Nationalität stolz zu sein. Das jetzt auch in Sach sen zu negier erfreulicher Starke gelangte Streben nach Beseitigung der Hindernisse der bundcs- und verfassungsmäßigen Rechte des Volkes und nach Erlangung einer Freiheit, zu welcher der Bildungszustand und die Treue desselben berechtigt, verdient cs nicht, durch Bedenklichkeiten ver argt zu werden. Denn die Freiheit ist es, welche den gebildeten Völkern Kraft gibt; die Freiheit ist die Ehre der Rationalität. DaS Gefühl der in ihr wurzelnden Stärke, die Zufriedenheit des Volks mit seinen politi schen Zuständen ist eine stärkere und sichrere Schutzwchr gegen Angriffe als alles äußere Machtaufgebot. Königl. Majestät! wir dürfen es nicht verschweigen:. in unserm theu- ren Sachsen herrscht, bei aller und der wärmsten Liebe zu Ew. königl. Maj., von deren geheiligter Person der konstitutionelle Sinn des Volks die Maßregeln der Staatsverwaltung streng zu scheiden weiß, unter denjenigen unserer Mitbürger, deren Bildung, Zeit und Nahrungszustand cs zuläßt, unsere Rechts- und politischen Zustände zu prüfen und zu begreifen, Unzu friedenheit über diese, Unzufriedenheit über die Verwaltung und Mistrauen gegen dieselbe. Es ist dies eine Thatsache geworden, welche kaum noch von den eifrigen Vcrthcidigcrn der Regierung selbst geläugnct wird. Sie wird leicht erklärlich aus der Art und Weise, wie die wichtigsten Bestim mungen der Gesetze, nicht nur der Städteordnung, des Wahlgesetzes, son-' dern insbesondere auch der WerfassungSurkundc selbst, z. B. der Z. 27. 28. 31. 32. 48. 51. 53. 86. 87. 115. 135 und 80 in Verbindung mit 109 bis mit 111 gegen die klaren Worte und den klaren Sinn derselben zu einem der Freiheit stets zum Nachtheil berechneten Ergebnisse gedeutet werden; durch die Art und Weise, wie die freie Aeußerung von Wahrheiten und Thatfachen in der Presse unterdrückt und die Censur gegen die ver schiedenen Zeitschriften gehandhabt wird; durch die Art und Weise, wie politische, religiöse und wissenschaftliche Ansichten verfolgt werden; durch die Erweiterung der bpreaukratischcn Willkür gegen die freie Entfaltung des Gemeindewesens, durch die vieljährige ministerielle Hartnäckigkeit, mit welcher die nothwendigsten, von der Wissenschaft und der Erfahrung fast des ganzen gebildeten Europas empfohlenen Verbesserungen unserer NcchtS- zustände bestritten und verzögert worden sind. Königl. Majestät! So wahr uns das Glück und der Frieden unse res SachscnvolkeS am Herzen liegt, so dringend bitten wir, das in §. 88 der Verfassungsurkunde enthaltene Regicrungsbefugniß segnend über Ihr Volk zu breiten: Geben Sie Ihrem Volke das geistige Lcbensclement ei nes jeden gebildeten Volks: Preßfreiheit. Zeder Tag dcß Verzugs ist ein unersetzlicher Verlust für Ew. königl. Maj., denn er hält die Stimme der Wahrheit und öffentlichen Meinung zurück! Geben Ew. königl. Maj. Preßfreiheit; sic ist nichts als ein bundcs- und verfassungsmäßiges Recht Ihres Volkes, dessen redlicher schlichter Sinn nie cs verstehen lernen wird, zu glauben, daß cS dieses Recht schon habe. Kein kleineres Gut und ein durch Bundesrecht und Verfassung ver bürgtes Recht ist die Gewissensfreiheit. Dieser Bürgschaft bedarf eS kaum für Ihr Volk, denn jene Freiheit ist eine Pflicht der christlichen Religion. Stellen Ew. königl. Maj. das Recht, sich zu vereinen und zu versammeln, wieder hcr, denn es ist das natürlichste, das cs gibt. Diese Wünsche des Volkes sind rechtlich und sittlich zu tief und längst begründet, als daß cs jetzt noch seine einzigen sein könnten; sie habcN nur den glücklichen Vor zug vor andern, daß sic schnell und unerwartet ständischer Zustimmung ge währt werben können. Das Volk hat noch andere Wünsche! DaS Volk wünscht Ucbertra- gung des Wahlrechts und der Wählbarkeit auf so viele unserer Mitbürger, welche, obschon gleich fähig, gleich würdig, doch davon ausgeschlossen sind; dann wird die Ständcvcrsammlung eine wahrere Volksvertretung werden, als sic cs jetzt sein kann, dann werden die Bitten, Beschwerden und Kla gen des Volks unverkürzter und. zuverlässiger an das Ohr des Königs drin gen! Das Volk wünscht Einführung der Schwurgerichte in die Rechts pflege; dann wird cs wieder Vertrauen gewinnen zu den Gerichten, dann wird sein Zweifel schwinden, daß der Spruch der Richter auch eine reine Mür^e der Gerechtigkeit enthalte. Das Volk wünscht Befreiung von der jetzigen weltlichen und ganz besonders priesterlichen Bevormundung dcrKir- chengcmcindcn; nur die Selbständigkeit kann dem kirchlichen Leben die Weihe der Liebe geben. Das Volk wünscht Umgestaltung 1>es Heerwesens in eine volksthümlichc Wchrvcrfassung; die freie Liebe zum Vatcrlandc schützt alle zeit seine Ruhe und seinen Frieden besser, als der mit einem ganzen Drit- thcilc der schweren Staatsabgaben nutzlos gelöhnte Mcnschcnzwang. Das Volk will das Recht und die Geltung der Arbeit, und dadurch die dauer hafte Sicherheit des Eigcnthums. Die Arbeit ist verdienstvoller als die Muße des Capitals. Das Volk aber will besonders seine Vertretung am deutschen Bundestage, auf daß seine Rechte ihm gewährt werden und ge sichert bleiben, auf daß cs sich seiner Nationalität zu erfreuen anfangen könne. Unsere Liebe zum Vatcrlandc hat uns geheißen, unsere Ansichten über die Wünsche des Volks, in denen zu irren wir nicht fürchten, rück sichtslos unserm Könige vorzulcgcn. Dem Volke fehlt jetzt die Bahn, seine Wünsche zur gesetzmäßigen Bcrathung und Erfüllung zu bringen, und noch nie hat cs wol einen Zeitpunkt in der Geschichte des cünstitutionellcN Sach sens gegeben, in welchem eine Vereinigung der Vertreter des Volks um den Thron dringender erschienen ist, als jetzt. Wir bitten daher ehrfurchts voll: daß Ew. königl. Maj. allcrgnädigst geruhen wollen, nach Beendigung der Ergänzungswahlcn die Stände des Königreichs schleunigst cinbcrufen zu lassen. Dresden, den 3. März 1848. Dresden, 8. März. Die Versammlung hiesiger Bürger und Einwohner (Nr. 69) fand heute Nachmittag im Saale des Hotel de Polognc in Gegenwart von 600—700 Männern aller gebil deten Stände statt. Zum Vorsitzenden ward Advocat Blöde durch Ac- clamation erwählt. Der Referent Dr. Köchly bemerkte sodann, daß er nach einer mit dem Staatsministcr v. Wietersheim gestern gepflo genen Privatbesprcchung ermächtigt sei, zu erklären, daß der Inhalt des halbossiciellcn Artikels in der Leipziger Zeitung (Nr. 69) in Richtig keit beruhe, und daß nur das konstitutionelle Gewissen der Negierung dieselbe bedenklich mache, ein Gesetz wegen der Presse ohne Einstim mung der Stände zu erlassen, daß man ferner für die Rechtspflege eine