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' 73S in das Universitätsgebäude zurück, und Leo erhielt, als er um 4 Uhr heraustrat, ein Pereat von der. rings um die Galerie aufgestellten Ver- -sammlung, indem er vor deren Augen die Treppe Hinabstieg. Desglei chen wurden feige frommen Zuhörer unter Pfeifen und Lachen mit dem Rufe: Märtyrer! Consistorialräthe! begrüßt. Ich würde Ihnen diese Nachricht und manches Andere, was ich unter meinem Namen der Postexpedition anzuvertrauen mich scheue, selbst nach Leipzig überbracht haben, wenn nicht auf dem Bahnhöfe zwei Universitätspedellc postirt wären, die jeden Studenten verhindern Ihre aufgeregte Stadt zu besuchen. Oesterreich. 5. März. Bei uns werden die Militairrüstungen in'ausgebreitetem Maße, wie es die Vorsicht erheischt, fortgesetzt, alle Beurlaubten einberufen und durch neue Pferdeeinkäufe für den Bedarf derCavalerie und derArtiüeriebespannung gesorgt. Im klebrigen scheint das hiesige Cabinet die pariser Ereignisse mit vieler Ruhe und Fas sung aufzunehmen. Die Stimme von Frankreich, an dessen Willen die jetzigen Machthaber appelliren wollen, hat sich noch nicht ausgespro chen, und man hält den Kern der Bevölkerung desselben für zu auf geklärt durch Intelligenz und Erfahrung, um dem jetzigen politischen Zustande der Dinge irgend eine Dauer oder dem Lande Heil unter ei ner republikanischen Rcgierungsform zu versprechen. — Rußland, so vernehmen wir, ist mehr als jemals entschlossen, seinerseits durch Ent faltung von Militairkräften diesen revolutionaircn Wirkungen vorzu beugen, und zwar vor der Hand durch Aufstellung eines ansehnlichen Armeecorps an der polnisch-galizischen Grenze, das nöthigenfalls als Reserve von Oesterreich verwendet werden könnte. — Seit einigen Ta gen bereitet man sich im Münzamte zur Umprägung von russischen Silberrubeln in hiesiges Geld vor, die, wie es heißt, im Betrage von 45 Mill. Fl. von Petersburg unterwegs sind, wofür der Monarch mit dem kaiserl. Familicnfonds Bürgschaft geleistet hat. Die erzhcrzogliche Familie Este soll dem Aerar eine Aushülfe von 3V Mill. Fl. geboten haben, sodaß die außerordentlichen Staatsbedürfnisse für eine geraume Zeit gedeckt sind, ohne zu dem Mittel einer Steuererhöhung schreiten zu müssen. — Ein paar bei der Staatsanleihe betheiligte Bankiers haben, nachdem die Obligationen schon so tief herabgedrückt worden, der Finanzverwaltung das Anerbieten einer Baaraushülfe gemacht, das jedoch abgelehnt wurde. — Die hiesige Sparkasse ist durch falschen Lärm ebenfalls mit Rückzahlungen gedrängt worden, welchen sie aber Genüge leistete, ohne auch von einem gleichen Darlehensanerbieten Ge brauch zu machen; die herausgenommencn Capitalien wandern bereits wieder in die Kaffen derselben zurück. — Die Leipziger Zeitung sagt: Die neuesten eben «»gekommene» Briefe aus Wien melden die Abdankung des Fürsten ». Met ternich und schildern die allgemeine Bewegung, welche dieses Ereig- niß hervorgerufcn, als ganz außerordentlich. (Dagegen wird uns aus einem aps Wien vom 6. März, hier eingegangenen Schreiben mitgetheilt, daß sich damals der Fürst sehr wohl befunden habe und in vollster Ac- tivität sei.) — Unter der Rubrik Mailand berichtet die Karlsruher Zeitung: Französische Blätter (auch einige deutsche) bringen Nachrichten, wonach Mailand im Aufstande wäre. Hier in Karlsruhe sind Privatbriefe aus Mailand vom 2. März eingetroffen, wonach daselbst Alles ruhig war. Schweiz. * Lujern, 2. März. Nachdem England die Initiative ergriffen und die Zulassung eines päpstlichen Nuntius an die Bedingung ge knüpft hat, daß derselbe ein Laie sei, werden vcrmuthlich auch von Sei ten der Schweiz Schritte geschehen, um vom römischen Hof ein ähn liches Zugeständniß zu erlangen. Die Gründe, welche im Oberhause geltend gemacht wurden, finden auf die Schweiz in noch höherm Grade Anwendung, da die Nuntiatur hier von je her der Mittelpunkt geistli cher Umtriehe und die Quelle zahlreicher Zerwürfnisse war. Freilich mußte eine solche Maßregel dem Anschluß an ein Erzbisthum voran gehen, da dir Nuntius, den Kircheggesetzen ganz zuwider, in der Schweiz bisher auch erzbischöfliche Jurisdiction übte. Sern, 3. März. Hr. Lamartine hat folgendes Schreiben an den schweizerischen Geschäftsträger erlassen: Paris, 27. Februar. Mein Herr! Ich habe die Ehre, Sie zu benach richtigen, daß die provisorische Regierung der französischen Republik mir das Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten anvertraut hat. Die re- publikanifche Form der neuen Regierung hat weder die Stellung Frank reichs in Europa noch die loyalen und aufrichtigen Gesinnungen zur Auf rechthaltung der Verhältnisse guter Eintracht mit den Mächten verändert, welche, wie Frankreich, die Unabhängigkeit der Nationen und den Welt frieden wollen. Es wird ein Glück für mich sein, mein Herr, mit allen mir zu Gebote stehenden Mitteln zu demjenigen Einverständniß der Völker beizutragen, welches in ihrer wechselseitigen Würde liegt, und Europa daran zu erinnern, daß die Grundsätze des Friedens und der Freiheit in Frank reich am gleichen Tage geboren wurden. Empfangen Sie, mein Herr, die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung. Antwort des schweizerischen Geschäftsträgers. Mein Herr! Sie haben mir die Ehre erwiesen, ünterm gestrigen Tage, den 27. dieses, zu schreiben, um mir mitzutheilen, daß die provisorische Regierung der fran zösischen Republik Ihnen da« Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten anvertraut hat. Indem es mich freut, diese angenehme Nachricht dem schweizerischen Vororte mittheilen zu können, werde ich mir eine Pflicht dar aus machen, ihm zugleich von den edeln und erhabenen Grundsätzen Kennt- niß zu geben, welche Sie zu befolgen gedenken, und die er mit um so größerm Vergnügen vernehmen wird, als sie in vollkommener Harmonie mit denjenigen stehen, welche gegenwärtig auch die ganze schweizerische Eid genossenschaft beseelen. Genehmigen Sie rc. .Sern, 3. März. Am 28. Febr. wurden von der Revisionscom mission die Grundzüge über das Militairwesen berathen. Vorab wurde derGrundsatz der allgemeinen Militairpflicht aufgestellt. Der Bund würde nach dem neuen Project in Zukunft neben der allgemeinen Organisation des Bundesheers auch die Instruction des Generalstabß, des Genie, der Artillerie und Cavalcrie übernehmen, sowie den Unter richt der vereinten Waffen und der höher» Militairtaktik. Da jeder Schweizer militairpflichtig ist, so wurde festgesetzt, daß der Auszug ge bildet werde aus je 3 M. von 100 Seelen Bevölkerung und die Land wehr aus je 3 M. auf 200 Seelen, was eine Streitmacht von bei nahe 100,000 M. ausmachen wird. — Die provisorische Regierung in Neuenburg hat ein Schreiben des Staatsrat Hs von Waadt erhalten, worin dieser ihr anzeigt, daß zu Ehren der französischen Republik 101 Kanonenschuß am 27. Febr. in Lausanne abgefeuert werden sollten. — Die Nachrichten aus Neuenburg lauten im höchsten Grade be unruhigend; man fürchtete, daß die Stadt im Laufe der Nacht vom 2. auf den 3. März eingeäschert werden würde. Die Erbitterung der siegenden Partei gegen die gefallene Regierung wird als außerordentlich geschildert. Alles muß die eidgenössische Farbe tragen, wer nicht großer Gefahr sich aussctzcn will. Mehre Staatsräthe sind verhaftet, es finden Haussuchungen statt, die Stadtgarde ist aufgelöst rc. Berichte vom 3. März Morgen fehlen noch und mit ängstlicher Gespanntheit sehen wir ihnen entgegen. (K. Z.) Italien. Wie aus turiner Blättern vom 28. Febr. hervorgeht, war zwar an demselben Tage Nachmittags um 4 Uhr die Nachricht von der Ab dankung Ludwig Philipp's am 24. Febr. und selbst die zweite telegra phische Nachricht von der Proclamirung der Republik noch spät Abends von Chambery nach Turin gelangt, aber erst am folgenden Tage öffent lich bekannt geworden. Genua, 1. März. Hier haben die großen Nachrichten aus Frankreich ungeheure Sensation erregt und läßt sich nun gar nicht mehr absehen, wie die Dinge noch'gehen werden, obschon ich über zeugt bin, daß republikanische Ideen bei der Mehrzahl keinen Anklang finden. Schon gestern Abend war hier großer Lärm vor dem Jesuifen- collegium. Truppen rückten aus, furchtbares Geschrei ertönte von allen Seiten, darunter deutlich zu vernehmen: Lvviva la llopudlica sosnoesk! Der Anlaß war, daß es hieß, e? seien 35 weitere Jesuiten hier ange kommen und in das Kolleg eingezogen. Eine Menge Volks versam ¬ melte sich in Strada nuova, man warf gegen die Fenster mit Steinen und versuchte einzudringen. Das Militair rückte aus und umherzie hende Patrouillen verscheuchten die drohende Menge, ohne Anwendung der Waffen, im Gegentheil, das Volk klatschte jeder neuen Abtheilung Soldaten heiter zu. Diesen Morgen aber zogen sie wieder vor den Palast. Das Andringen der Menge war so drohend geworden, daß die Väter durch ihre Hinterpförtchen sich geflüchtet haben. Der Eingang in das Colleg wurde erstürmt. Das Militair schritt nicht gegen die Plünderung ein, sondern ließ das Volk machen. (S. M.) 26. Febr. Wenn wir nach den Aussagen einiger Blät ter, welche oft Inspirationen von oben haben, urtheilcn sollen, so wird >ie römische Constitution weit hinter den andern italienischen zurück- kehen. Zur Pairskammer werden aber doch wenigstens die römischen Prinzen, alle Abkömmlinge päpstlicher Familien, so hofft man, zugezo gen werden. Oeffentlichkeit und freie Presse wären ein Haupterfoder- niß in einem Staate, wo die Misbräuche von Jahrhunderten sich auf- zehäuft haben und wo Gesetze nicht zureichend sind, so lange dieselben Beamten noch immer in der alten Routine verharren. Dieser Wirr varr in der Verwaltung und Justiz ist neulich sehr gewissenhaft und klar geschildert worden von Neigebaur in seinem Werke: «Der Papst undseinReich.» —Heute beginnt hier derCarneval, erwirb nicht so glänzend sein wie früher, denn die Bewaffnung der Bürgergarde und die patriotischen Ausgaben nehmen alle Ersparnisse in Anspruch. Viele )er ersten Familien sind in Trauer, wie Torlonia, Colonna, Maffimi, und statt der Bälle haben einige Clubs, z. B. der der Kaufleute, ihr Geld zum Ankauf von Kanonen bestimmt. ^Nessina, 26. Febr. Das Volk hat eine an der Stadt gele gene Citadellc mit Sturm genommen. Die große Citadelle, der Stadt gegenüber, hielt sich noch. Es herrschte die größte Aufregung, und die Stadt wurde 42 Stunden mit ziemlichem Schaden bombardirt. (S.M.)