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SVLS d» s«h«n wolle. Di« Gouvernante kam mit der Antwort zurück, die Gräfin müsse auSgehen und habe mit ihren Geschäftsleuten zu thun, sie könne die Binder nicht vor 3 Uhr sehen. Als nun Graf Mortier er fuhr, daß seine Frau mit ihren Geschäftsleuten, d. i. mit ihrem Advoca te» und Avoue, wegen der Trennung von Tisch und Bett sich bespreche, ward seine Entrüstung um so größer; er machte jedoch noch einen Versuch, schickte abermals die Gouvernante zur Gräfin, die mit derselben Antwort zurückkam; darauf entschloß er sich endlich, den angeführten Brief ab- zusendcn. Man sollte glauben, die Gräfin habe seit Empfang dieses Briefs für das Leben ihrer Binder gezittert und sich beeilt, ihnen zu Hülfe zu kom men. Doch nein! Sie fuhr zuvörderst zum Polizeicommissar. Als diesem und einem Bekannten des Grafen, der in demselben Hause wohnt, die Thür versagt ward, läßt Gräfin Mortier nicht etwa einen Freund, einen Verwandten holen, nein, sie schickt nach dem Polizeipräfecten und dem Kanzler. Dieser fragt den Grafen durch die Thür, ob er seine Frau sehen wolle; Jener antwortet, daß seine Frau nicht zu ihm kommen wolle. Als man endlich einen Schlosser geholt hatte und Graf Mortier merkte, man wolle ihm Gewalt anthun, zog er ein Rasirmesser und drohte sich umzubringen. Graf Mortier hat ohne Widerstand nach längerm Ver handeln die Thür geöffnet und ist in dcN Wagen gestiegen; er hat sich bei der Ankunft im Jrrenhause wie während seines ganzen Aufenthalts daselbst wie jeder andere vernünftige Mensch benommen. Man will einen Beweis für seinen Wahnsinn in der Weigerung finden, am ersten Tage seines Aufenthalts in Ivry schon Speise und Trank zu sich zu neh men und zu Bette zu gehen. Diese Weigerung erklärt sich jedoch na türlich, da der Unglückliche nach einem solchen Vorfälle eben keine Lust zu essen und zu trinken haben konnte, und wenn er nicht zu Belte gehen wollte, so geschah es, weil er vor zwei Wächtern, die ihn keinen Au genblick verließen, sich nicht entkleiden wollte. In der That, sobald diese sich Abends nach seinem Wunsch in ein anstoßendes Zimmer zurückgezo gen hatten, entkleidete sich der Graf und ging zu Bette. In dem Familienrathe, den die Gräfin berufen, sprach man sich ein stimmig gegen die Jnterdiction des Grasen aus, der Friedensrichter al lein, der gesetzliche Präsident des Familienraths, glaubte auf den Grund des Vorfalls vom 7. Nov. eine entgegengesetzte Ansicht geltend machen und die Entscheidung dem Gericht anheimstellen zu müssen. Graf Mor tier verlangte hierauf am Tribunale selbst zu erscheinen, was ihm auch bewilligt ward, indem er in Begleitung von zwei Krankenwärtern er schien, und ohne daß er es wußte, noch zwei Municipalgardisten als Bedeckung hatte. Das Verhör dauerte fünf Stunden, und der Graf hatte fortwährend die untrüglichsten Beweise gegeben, daß er im vol len Besitze seines Verstandes ist und selbst am 7. Nov. das volle Be wußtsein seiner Handlungen hatte. Er erklärte sein Vcrhältniß zu seiner Frau, ihren ungeregelten Lebenswandel und die Absicht des an sie am 7. Nov. gerichteten Briefs, der durch eine angcdrohte Gefahr, worin ihre Kinder warm, sie zu ihm zurückführen sollte. Dieses Verhör machte einen tiefen Eindruck auf die Richter, und die Gräfin begriff, daß sie ih ren Zweck nicht erreichen werde; sie trat daher sofort mit dem Verlangen der Trennung auf. Nach dieser neuen Wendung des PrccesscS lag es im Interesse des Grafen, daß das Gericht öffentlich entscheide, ob er wirklich geisteskrank gewesen; er verlangte daher, daß der in diesem Sinn anhängig gemachte Proceß fortgesetzt und zur Entscheidung geführt werde. Auf diese Hart näckigkeit des Grafen schien seine Frau nicht gefaßt, da es ihr vor zugsweise um die Trennung von ihrem Manne zu thun war. Nichts destoweniger trug sie gestern darauf an, das Tribunal möge erklären, daß die von ihr gethanen gerichtlichen Schritte zur Jnterdiction des Grafen Mortier regelmäßig und rechtlich geschehen seien, und der Gräfin beschei nigen, daß sie sich hinsichtlich aller Maßregeln, die gegen den Grafen zu fassen sind, auf die Entscheidung des Gerichts verlasse. Das Gericht hat die Fortsetzung des Processes auf den 13. Dec. verschoben. L Maris, II. Dec. Die Dinge verwickeln sich hier in Paris auf eine Weise, die nachgerade bedenklich zu werden anfängt. Das will nicht hei ßen, daß eine Revolution vor der Thür ist; aber cs will heißen, daß kein Mensch mehr weiß, was vor der Thür ist. Man fängt an, wieder Manches in Frage zu stellen, was noch vor Jahr und Tag über jeden Zweifel erhaben schien; man hält nach und nach gerade dort, wo sonst das unbedingteste Vertrauen herrschte, wieder die tiefgreifendsten Um schwünge für möglich. Genug, man zweifelt an den Grundvestcn des Be stehenden, und dieser Zweifel ist natürlich für die Gegner der Regierung ein« Hoffnung, eine Aufmunterung. Der Schrecken, der seit ein paar Tagen an der Börse herrscht, scheint keine andere direkte Ursache als diese allgemeine Stimmung zu haben. Bis jetzt verlautet nichts Bestimm tes über eine Ministerkrisis, und die Gerüchte über die Krankheit des Königs sind ohne Halt. Die Lage der Regierung und Frankreichs ist es, die den Leuten an der Börse Angst macht. Schon eine gute Weile herrscht in den Kreisen, wo sonst der officiclle Sonnenschein oder Regen gemacht wird, «in« neb«lhaft« Atmosphäre. Man sprach sein MiSbeha- gcn selten aus, wril ein solches AuSsprechen eben bei Vielen sich in reelle Verluste an der Börse oder auch bei der Regierung verwandeln kann; aber in vertrauten Kreisen schüttelte man bedächtig di« Köpfe und machte ganz trostlos lange Gesichter. Wenn aber eine solche Stimmung ein mal herrscht, so bricht sic meist auf einmal los, ohne daß irgend Je- mand recht weiß, warum sie bi« zu der Stunde aushielt oder warum sie nicht über dieselbe hinaus konnte. Die letzten Tage brachten übrigens Botschaften aller Art, die ganz geeignet waren, das volle Glas über- flicßen zu machen. Die Wahl des zweiten Arrondissements ist ein sehe harter Schlag; sie bekundet, daß cs auch mit den Banketen ernster ge meint ist; sie beweist, daß das reichste und belebteste Quartier von Paris zu entschlossener Opposition hinaufgestimmt ist. Bedenkt man, daß das selbe Arrondissement zehn Jahre lang Hrn. Lefcvre, den Grundpfeiler der Conscrvativen, in die Kammer schickte, und daß vorgestern unter den zwölf Candidatcn sogar Hr. Goudchaut, der Bankier des National, war, so wird noch klarer, welcher Abstand hier zwischen Sonst uyd Jetzt stattfindet. , Die Antwort der Tagsatzung auf die Note des Hrn. Bois-le-Cvmte ist für die auswärtigen Verhältnisse eben so beunruhigend. Bleibt die französische Regierung im Bunde mit den nordischen Mächten auf dem Grundsätze stehen, die inncrn Verhältnisse der Schweiz durch Proto kolle ordnen zu wollen, und bleibt die Schweiz dabei, diese Fede rung zurückzuweiscn, so ist Frankreich entweder gezwungen, Krieg ge gen die Schweiz zu erklären oder die drei nordischen Mächte im Au genblicke der Entscheidung im Stiche zu lassen. Letzteres würde wahr scheinlicher sein; denn darüber täuscht sich hier nur selten Jemand, daß Ludwig Philipp weder einen solchen Krieg will oder auch je unternehmen könnte. Er würde Frankreich sicher ganz anders erschüttern als di« Schweiz, und die Parteien warten nur auf eine derartige Gelegenheit um in Massen zu handeln. Also würde am Ende die französische Re gierung doch gezwungen sein, die nordischen Mächte im Stiche zu lassen, was jedenfalls daS „Lonaert ouropesri" wieder in mancher Beziehung stören würde. Genug, man glaubt, daß Hr. Guizot bereits viel zu weit gegangen, und fürchtet, daß, je weiter er gehe, es desto schlimmer für Frankreich werden könne. Endlich kommt das Benehmen Lord Palmer- ston's hinzu. Man liebt England nicht in Frankreich, selbst nicht in de» Kreisen, in denen man die Freundschaft Englands sucht; aber man fürch tet England, man möchte mit ihm auf gutem Fuße stehen, weil man glaubt, daß hierin die festeste Gewähr des Friedens liege. Seit den spa nischen Hcirathen ist aber diese Freundschaft sehr gefährdet; man that Vieles, um sie wiederzugcwinnen; man schloß sich Oesterreich näher an, aber man koketürte stets nach England hinüber In den letzten Tagen schien es, als ob England und Frankreich in der Schweiz wieder zusam- mcngehcn könnten; man freute sich zum voraus auf die mögliche Wieder herstellung der 6ov6ists sntsnt«, und siche da, als man sich ganz sicher glaubt, stellt Lord Palmerston Hrn. Guizot ein Bein, daß er zum Ge lächter der ganzen Welt Hals über Kopf hinfällt. Und das unter dem einstimmigen Beifallsrufe des englischen Parlaments! Es war wie ein Blitz, der die dunkle Nacht erleuchtet und ganz Frankreich lehrt, daß England nicht verziehen und zu verzeihen keine Lust habe. Und nun die Lage Frankreichs in materieller Beziehung. Die Eisenbahnen müssen in den nächsten Wochen hundert und mehr Mill. Fr. Einzahlungen fodern. Man sicht hier einer Art Geldklemme, wenn nicht einer Krisis entgegen. Der Winter ist zwar nicht strenge, aber die Noth ist groß; die politische Agitation steigt nachgerade wieder in die untern Klassen herab. Ich hörte vor ein paar Tagen den Namen PraSlin in dem Munde von Stra ßenfegern; horchte auf, und der Andere antwortete: „Man hat ihn lau fen lassen wie auch den Marlin du Nord." DaS Alles sind böse Zei chen, und wir wünschen den Franzosen, daß sie ihnen keine schlimmem Früchte tragen mögen als ein paar Procent Baisse an der Börse. Wir fürchten, es werde dabei nicht bleiben. Ak i e - e <r l a « - e. Wie verlautet, ist die Rede davon, daß die Niederlande ihren An theil an der kleinen Insel St.-Martin bei Guadeloupe an Frankreich abtreten wollen. Schweiz. Nach der Berner Zeitung hat der englische Gesandte Sir Stratford Canning am II. Dec. dem Bundespräsidenten Ochsenbein einen Be such abgestattet und sich in einer mehr als zwei Stunden dauernden Audienz mit ihm über die gegenwärtigen politischen Verhältnisse bespro chen. Zugleich soll er ihm die Zusicherung ertheilt haben, daß er im Namen seiner Königin die vielbesprochene, von Frankreich und Oesterreich bereits eingcreichte Collectivnote nicht abgeben werde, indem die Verhältnisse sich so gestaltet hätten, daß eine solche von selbst dahinfallc. — Nach der Basler Zeitung hat Preußen nun auch eine der fran zösischen und österreichischen gleichlautende Note eingegebcn. — In Neuenburg hat sich zum Schuhe der Regierung ein Frei- corps gebildet, das in der Kaserne untergebracht ist. — Die Regierung von Schwyz hat am 9. Dec. dem außerordentlich einberufencn großen Rath die Entlassung eingereicht. Dieselbe wurde einstimmig angenommen. Einc Commission ist beauftragt, in der Sitzung