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Vaterland Bulgarien lange Zeit der Türkei untertan war — wie bei Korsakoff klingt es mitunter orientalisch. Ihm ist das Kom ponieren offenbar notwendige Lebensäuße- rung. Er singt, wie’s ihm ums Herze ist, was ihm einfällt. Und da das fast immer der Fall äst, schreibt er auch tonal als Me- lodiker. Schon das erste Klavierkonzert Wla- digeroffs zeigte, daß man einer Kom ponisten-Hoffnung gegenüberstand. Die anderen Werke bis zu seinem letzten Opus 22, seinem 2. Klavierkonzert, das als Uraufführung auf dem Programm steht, sind so starke Talentproben, daß diese Hoffnung heute als erfüllt angesehen wer den kann. Das Werk ist im Jahre 1930/31 entstanden. Die „Tinte ist also fast noch naß“. Das Konzert ist wie üblich drei teilig, die Begleitung verlangt große Or chesterbesetzung. Pantscho Wladigeroff — wie schon erwähnt, ein Schüler Kreutzers — wird den Klavierpart in der Uraufführung selbst spielen. Als Begleiter Weißgerbers hat er —in der Pianistenwelt einen klangvollen Namen geschaffen. Peter Tschaikorosky und seine fünfte Sinfonie in E-Moll „Von Beethoven, diesem .musi kalischen Zebaoth*, liebe ich vor allem die mittlere Periode (die Zeit der großen Sinfonien). Von Mozart, dem .musikalischen Christus*, liebe ich alles, denn in einem Menschen, den wir wirklidi lieben, lieben wir eben alles.“ (Tschaikowskys Glaubens bekenntnis.) Trotz dieser „Liebe“ für deutsche Kom ponisten hat Tsdiaikowsky im ganzen ver hältnismäßig wenig Berührungspunkte mit deutsdier Musikart. An Mozart hatte er eigentlich nur in der Stimmführung seinen polyphonreichen Stil geschult. Neben dem zuweilen Stockrnssischen huldigte er viel fach einem französisch-orientierten Inter nationalismus bei auffallender Vorliebe italienischer Stilbesonderheiten. Durdi sie sudite er den meist düsteren, oft geradezu wilden Grundzug seiner Werke zu mil dern, zu „europäisieren“. Der russisdie Bauer, in halbem Dämmerzustand lebend, neben der eleganten Weltdame von Pa ris — krassester Gegensatz, der sich kaum überbrücken läßt. Wenn es trotzdem Tsdiaikowsky fertig brachte, so erklärt sich auch ein gewisser Widerstand sei nen Werken gegenüber, der sich gerade auf dieser Vermengung zweier völlig ent gegengesetzter Welten gründete. Aber es muß dem russischen Komponisten zu gegeben werden, daß es ihm gelang, den Westen in Bewegung zu bringen und Ruß land in die Interessensphäre des maß gebenden musikalischen Europa einzube ziehen. Seine in den siebziger und acht ziger Jahren entstandenen Tonschöpfungen stellten ihn in die Reihe der ersten Kom ponisten Europas. Tschaikomsky, in einem Dörfchen des Ural geboren, war ursprünglidi Staats beamter des russischen Finanzdienstes und nodi als solcher Lehrer am Petersburger Konservatorium. In der Harmonielehre besaß er ein ganz überragendes Wissen. Seine kontrapunktisdie Fertigkeit war meisterhaft. Sie zeigt sich auch evident in allen seinen Werken. Von seinen Opern erraneen „Eugen Onegin“, „Jolanthe“ und „Pique Dame“ Welterfolge. Daneben hatte er Ballette nach deutschen Märchen (die bekannte „Nußknacker-Suite“), Messen, mehrere Sinfonien, von denen die 5. und die 6. Allgemeingut der Konzertsäle wur den, Ouvertüren und Orchesterwerke ge schrieben. Tsdiaikowsky starb als 53- jährdger im Jahre 1893 in Petersburg als ein Opfer der Cholera. Mit ihm ging der bedeutendste russisdie Komponist der Neu zeit, ein überragendes musikalisches Genie, dahin, dessen Werke seinen Namen un sterblich machten. * Neben der 6. Sinfonie Tsdmikowskys in H-Moll — der „Pathetischen“ — ist es vor allem die 5. in E-Moll, die ihm die Anerkennung der Welt brachte. Für uns Deutsche ist dieses Werk am interessante sten, weil es das „deutscheste“ des „russi- sdien Beethoven“ (so nennen ihn ja mit Stolz seine Landsleute) ist, weil er — der sonst mehr französisdi-italienisdien Stilen huldigte — hier sich stark deutsdier Be einflussung erinnerte. So ist die Kunst der tlieinatisdien Steigerung in dieser Sinfonie ganz von Beethoven erlernt. Aber audi andere Vorzüge des in diesem Werke be liebten Stiles weisen auf genaue Bekannt schaften mit unseren modernen Musikern hin: so die Orchestrierung auf Wagner, gewisse rhythmische Eigentümlichkeiten auf Brahms usw. Als speziell russisch oder dem Komponisten persönlich eigen tümlich erscheint dagegen das „reine Moll“ in der Melodik, die dadurch einen Hauch voii Schwermut erhält. Man könnte — im Gegensatz zu der folgenden Pathetique — diese Sinfonie, trotz des fröhlichen Walzer treibens des dritten Satzes, fast die „Tra gische“ nennen. Das Werk wurde vor drei Jahren unter Mörikes Stab schon gegeben und damals einer ausführlichen Einführung gewürdigt. Constantin Krebs.