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ERLÄUTERUNGEN Arnold Schönberg, vielgenannter moderner Tonsetzer, geb. 1874 in Wien, bekannt geworden durch Werke, die einen ganz eigenartigen Aus druckswillen künden, der die Elemente des musikalischen Geschehens: Melodie, Rhythmus, Harmonie zu verneinen scheint. Schönbergs Kunst macht den Eindruck, als wäre sie mehr vom Verstand als vom Gefühl beeinflußt. Die beiden Choralvorspiele von Bach, die Schönberg einer Bearbeitung für großes Orchester unterzogen hat, finden sich unter den „15 Chorälen von verschiedener Art auf einer Orgel mit zwei Klavieren und Pedal Vorzuspielen“. Die Bearbeitung zeigt das Festhalten Schönbergs am Bach-Stil. Er beabsichtigte, Gruppen von selbständig geführten Stimmen zu „Klangreizeinheiten“ zu vereinen. Eine Folge solcher „Klangreizeinheiten“ soll eine „Klangfarbenmelodie“ er geben, aber außerdem das gleichzeitige Zusammentreffen von „Klang reizeinheiten“ eine Klangwirkung, die homophon empfunden wird; d. h. so, als herrsche nur eine einzige selbständige Stimme und die anderen wären als stützende nur untergeordnet. Das erste Choralvorspiel: „Komm, Gott, Schöpfer, Heiliger Geist“ enthält in seinen beiden Teilen die vollständige Choralmelodie, das erste mal in den oberen Stimmen (Hoboen, Klarinetten), das zweitemal in den tiefen Stimmen (Fagotte, Posaunen, Tuben), wo es sich, ein Bild des die Welt überwindenden urchristlichen Glaubens, sieghaft als breiter hinfluten der Hymnus über den brausenden Orchesterwogen erhebt und dem trium phalen Schlüsse zueilt. Das zweite Vorspiel: „Schmücke dich, o Hebe Seele“ zu dem Abendmahlschoral ist eigentlich mehr eine ganz kleine sinfo nische Dichtung; Schilderung bestimmter Vorgänge durch Töne. Ein Solo- Violoncello singt eine Bachsche Umänderung der Crügerschen Choral melodie, im Wechselspiel mit anderen Stimmen, die Motive aus der Choralmelodie bringen und in Gegenbewegung und Imitation Vorarbeiten (engl. Horn, Klarinetten, Streicher) —, als wollte Bach schildern, wie Christus seine Jünger zum Abendmahle um sich sammelt und Zwiesprache mit ihnen hält.