Volltext Seite (XML)
SW — Der spanische Ministcrwrchsel hat in der englischen Presse keine so günstige Beurtheilung erfahren, als vielleicht'erwartet werden dürste. Nur die Times begrüßt denselben als daß hoffnungsvollste Er- eigniß, was seit Jahren aus Spanien zu berichten gewesen sei. Zur gro ßen Ehre der Königin Isabella werde cs gereichen und ihr einen für ihre Jahre unerwarteten Ruf politischer Einsicht erwerben, wenn es sich, was wahrscheinlich sei, auSwcisen sollte, daß in der verlassenen und beunruhi genden Lage, in der man sic jüngst noch gesehen, ihr eigner Verstand und ihre eigne Entschlossenheit einen Ausweg zur Vermeidung der ihre Per son und die Sicherheit des Thrones bedrohenden Gefahren gefunden habe. „Wir wünschen gar nicht, sagt die Times ausdrücklich, für Hrn. Bulwer irgend einen verwaltenden Antheil bei diesen jüngsten Vorgängen anzu- sprcchcn, denn wir sind überzeugt, wenn dieselben den britischen Minister und jeden in Spanien anwesenden Engländer befriedigt haben, so ist das nur der Fall, weil sic Spanien sich selbst wicdcrgegeben und das Joch einer Fremdherrschaft gebrochen haben, welches demüthigend für den Geist und verderblich für die Interessen des Landes war. Scnor Mendizabal bemerkte sehr wahr neulich im Congressc, daß Frankreichs System bei seinen Allianzen mit fremden und zumal mit minbermächtigen Staaten ein System der Herrschaft sei. Es ist allzeit bereit, den erworbenen Einfluß für seine eignen Zwecke zu nutzen und diesen die Interessen und nationale Unab hängigkeit seiner Verbündeten aufzuopfern." Daily News erhebt sich ge gen daß Geschrei der französischen Oppositionspresse, das Cabinet Pacheco sei ein Bulwer'schcs Cabinet. Freilich könne ein französischer Journalist Lieser Farbe der Versuchung nicht widerstehen, Hrn. Guizot den Verlust Les. französischen Einflusses in Madrid vorzuwcrfcn. Allein wozu könne Einfluß dort jetzt noch einer europäischen Macht viel helfen, fragt Daily News, nachdem die Succession auf den spanischen Thron gestohlen wor- Lcn sei? Aus dem CabinetSwechscl schließt dieses Blatt ebenfalls auf die prciswürdigen Absichten der jungen Königin und wünscht,'daß die Mo- Lerados in der Armee dem Ministerium Pacheco erlauben mögen, sich mit Len Liberalen aufrichtig zu versöhnen. Auffallend ist des Morning Chro- nicle wenig vortheilhafte Aeußerung über dieses neue Ministerium, von Lem es erst bessere Beweise seiner liberalen Gesinnungen und Absichten erwarten will, bevor es an dieselben glauben könne. Vorläufig dürfe man nicht übersehen, daß es eben so Moderado wie das abgetretene und Lem französischen Interesse ebenso zugethan wie das Ministerium Jsturiz And aus den Parteien zusammengesetzt sei, welche an der Spitze der Kon spiration standen, die Espartcro's Vertreibung bewirkte, daß es ferner Lurch geheimen, unbekannten Einfluß ans Ruder gelangte, von welchem man zur Zeit nichts weiter als die Wirkung kenne. — Die Times widerspricht heute unter der Bemerkung, dazu autori» sirt zu sein, dem Gerücht, welches gestern Abend im Sun ausgenommen worden war, daß nämlich der Secretair für Irland, Hr. Lab suche re, adzutrctcn vorhabe, und nennt dasselbe völlig ungegründct. '— In der Grafschaft Cork sollen nach dem Southern Reporter täg lich 1000 Individuen durch Mangel und Fieber umgekommen sein, And auch andere Berichte stimmen darin überein, daß die einigermaßen günstigere Gestaltung der Dinge, welche sich seit kurzem in Irland zeigt, Lie Grafschaft Cork noch nicht berührt hat. Die Zeitungen der Grafschaft Mayo haben dagegen die Mittheilung ihrer wöchentlichen Todtenlistcn ein gestellt, und in den Berichten aus Clare, Galway und andern schwer be troffenen Gegenden herrscht jetzt wieder ein viel ruhigerer, zuversichtSvol- lerer Ton. — Bei dem Drawing Room der Königin am 27. März stellte der türkische Gesandte seine Gemahlin in völlig europäischer Kleidung und unverschleicrt vor. Frankreich. Paris, 8. April. In der Dcputirtenkammer erhob gestern Hr. Lherbette Klage über die seit einiger Zeit schon die Kammer nicht hinreichend beschäfti gende Rcgulirung der Tagesordnung, wodurch die Session in die Länge gezogen und die Geschäfte zuletzt übereilt werden würden. Ein Gesetz entwurf zur Verlängerung der durch das Gesetz vom 20.. Mai 1836 der Regierung ertheilten Vollmacht, unrechtmäßig in Besitz genommene Theile von Grund und Boden der Domaincn nach erfolgter Abschätzung abzu- trcten, kam zur Berathung, die aber bald auf heute vertagt wurde. — Das Journal des DcbatS theilt etwas ausführlich die Burcaux- verhandlung der Dcputirtenkammer über den von Hrn. Guizot und Hrn. Duchatcl, den Ministern des Auswärtigen und des Innern, dabei als „schlecht und unzeilig" charaktcrisirtcn Vorschlag des Hrn. de Re- musat über die Jncompatibclitätcn mit, dessen Verlesung glcichwol heute in der Kammer stattfindet und dessen Berathung wegen der Jnbetracht- nahmc vermuthlich zum 15. April anbcraumt werden wird. Mehre Blät ter beschäftigen sich mit Betrachtung über die vom National gestern ge brachte Nachricht vom angeblichen Abgänge des Ministeriums Kolettis in Athen. Der Minister des Innern hat indessen im Conferenzsaale der Kammer bestimmt versichert, daß die Regierung noch keine derartige Mel dung erhalten habe. Das hält die Oppofitionsblättcr aber nicht ab, heute dieses Ereigniß wenn noch nicht erfolgt, doch für höchst wahrschein lich zu erklären und diese neue Schlappe der französischen RegierungS- politik einstweilen pränumerando für ihren Zweck auszubeuten. Die Union monarchique hat sogar Gründe, mitzuthcilen, daß nach Toulon Befehl erlassen worden sei, unverwcilt eine französische Schiffsdivision nach den griechischen Gewässern zu senden, und meint dann, daß dem Ministerium der Rücktritt von Kolettis so unwahr also nicht erschienen wäre. Die «Presse» hat einen langen und ärgerlichen Artikel über den spanischen Ministerwcchsel, tröstet sich jedoch damit, daß der englische Einfluß, der dabei in Madrid triumphirt habe, schwerlich von langer Dauer sein werde, da er dort allen Interessen und Sympathien widerstrebe. Die Aeußerungen der Times, Laß für Hrn. Bulwer kein Anspruch auf Mit wirkung bei diesem CabinetSwechscl gemacht werde, sowie die mistrauische Auffassung desselben im Morning Chronicle (s. Großbritannien) nennt die «Presse» eine Komödie, und fragt, wen man glaube damit anzuführen. Der Constitutionnel parallelisirt die Verhältnisse in Madrid vor sechs Mo naten und jetzt, und meint, daß kein verständiger Mensch jetzt die Rück kehr des Herzogs von Montpensier und seiner Gemahlin nach Madrid für möglich halten könne. — Der Prinz von Joinville ist am 2. April in Marseille ange kommen, um angeblich einige Tage dort zu verweilen. — O'Connell ist am 4. April in SteverS angckommcn; die ungün stige Witterung erlaubte ihm nur kleine Tagereisen. Der Bischof machte ihm in Begleitung seiner Geistlichkeit einen Besuch und crthcilte die Er- laubniß, da der Reisende sich zum Wege nach der Kirche nicht wohl genug fühlte, daß in seinem Zimmer Messe gelesen werden durfte. Nach derselben brachte der Kaplan des Bischofs die dringende Einladung, eine Wohnung im bischöflichen Palast anzunehmcn, wo barmherzige Schwe stern zu seiner Pflege bereit sein würden. O'Connell lehnte das Anerbie ten jedoch ab. Der Prüftet des Nievredcpartcmcnts, Oberst Berryer, ein Bruder des Deputirten gleiches Namens, sowie viele angesehene Personen der Stadt und Umgegend ließen sich nach dem Befinden des irischen Agi tators erkundigen, der Tags darauf nach Moulins weiter zu reisen gedachte. — Von der Akademie der Wissenschaften und Künste in Lyon ist eine goldene Medaille von 600 Fr. Werth als Preis für die beste Arbeit über das Leben und die Schriften des in Paris kürzlich verstorbenen Ben jamin Delessert ausgesetzt worden, der aus Lyon gebürtig war. — Durch den mit einer Specialscndung nach den Sandwichinseln ge gangenen Hrn. Perrin ist für Frankreich ein dem vom Könige dieser Inseln mit England geschlossenen völlig gleichlautender Freundschafts- und Han delsvertrag zu Stande gebracht worden. Der Zoll für französische Waa- ren kann ebenfalls nicht mehr als 5 Proc. vomWerthe betragen, und im Allgemeinen sollen französische Schiffe auf dem günstigsten Fuße in den Häfen und beim Verkehr der Sandwichinseln behandelt werden. " Paris, 7. April. Hr. Thiers ist mit den jungen Conservativcn nicht zufrieden; sie haben ihn im entscheidenden Augenblicke stecken lassen und sind in ihrem Lager geblieben, als er hoffte und erwartete, sic wür den sich unter die Fahne seines Flügcladjutantcn begeben. Täuschungen der Art, wie sehr er auch daran gewöhnt ist, kann der ehemalige Mini sterpräsident vom 1. Mai nicht leicht vertragen, daher er oder sein Organ sich nach dem Mittel umsah, im Schoose der ganzen Partei eine Ver wirrung hervorzurufen. Zu diesem Behuf erinnerte sich das genannte Blatt einer nicht zu Ende, wie er absichtlich sich irrte, sondern zu Anfang des vorigen Jahres erschienenen Flugschrift von einem „Conscrvateur" und stellte an den damals anonymen Verfasser Hrn. Chaudcy die Frage, ob er etwa die Hoffnungen noch nähre, die er zu jener Zeit von seiner Partei und namentlich von Hrn. Guizot gehegt hat. Worauf denn die ser Hr. Chaudcy mit seltenem Freimuth in einer Erwiderung cinzugeste- hen und der Constitutionnel diese Erwiderung gestern abzudrucken sich be eilt, daß in der That die letzte Rede des leitenden Ministers den Ver fasser enttäuscht, daß der Fortschritt auf Hrn. Guizot nicht mehr zäh len könne und die conservativen Progressistcn, wenn sie ihren Neigungen treu bleiben und zu irgend einem Ziele gelangen wollen, nichts Besseres und Würdigeres zu thun haben, als zur Opposition übcrzugehen. Da, wo man den besagten Hrn. Chaudcy nicht kennt, war es leicht möglich, daß man in einem solchen Gcständniß eines der Progressistcn den Aus druck aller zu finden in Versuchung käme und die Spaltung der Majo rität nahe glaubte. Nm einem solchen Vorurtheile zuvorzukommcn, will ich Ihnen über die vor einem Jahr erschienene Flugschrift und ihren Ver fasser sowie über den eigentlichen Gehalt seiner Enttäuschungen einige Aufschlüsse mittheilcn. Die Lobrede, welche damals Hr. Chaudcy der conservativen Partei hielt, war in der Form eines Dialogs zwischen einem Onkel und icincm Neffen, die in einem Kaffeehaus ihr Frühstück verzehrten, abgcfaßt. Der Onkel war ein warmer Anhänger der HH. Thiers und Odilon-Barrot, sein Neffe ein eben so entschiedener Freund und Bewunderer des Hrn. Guizot. Bei Gelegenheit eines Artikels der «Presse», dic cr eben ge lesen, cntspinnt sich ein politischer Streit zwischen Onkel und Neffen, in Folge dessen die ganze Politik seit 1830 von der einen Seite angegriffen,