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Sonnabend Nr. 226. 14. August 1847. Deutsche Allgemeine Zeitung. UM »Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» U-b-rvltck. Deutschland. 8 Aus Sachsen. Handelkjustiz. ConcurSwesen. — Der Herzog von Cambridge in Hannover. — Die Untersuchung in lllm. — Graf Clemenk v. Schönborn. Neusten. **Kerlin. Der Polcnproceß. — Die Prorectoratssache in Lalle- — Handelkjournal und Sparsystem in Wesel. KSefterreich. Erzherzog Stephan. Die Gymnastik. Hrostdttitannie«. Die Königin. Der Großfürst Konstantin und der Herzog von Nassau. Die verwitwete Königin. Die Wahlen. Wahlanek- dotcn- ArauSreich» Schluß der Kammern. Begnadigung der Lheuerungstuwul- tuanten. Hr. Lherbette. Mustcrmeiercien. Die Hängebrücke bei Redon. Rinderpest. Die Sklaven in den Colonien. ** Paris. Der König. Der Herzog von Montpensier. Lr^port. Schloß Eu. Ferien. jvelgien. Der König. Ntiederlande. Der König. Die II. Kammer der Generalstaaten. Italien. Das Corps der herzogl. Carabiniere in Lucca. — klom- Com- plot. Savelli. Grasselini. Faenza. kam- Morichini. Die Procession in Lrastevcre. Der Salzpreis. Dänemark. Belohnter Beistand. Türkei. Konstantinopel. Der Aufstand in Albanien. Nordamerika. Die Postdampfschiffahrt zwischen Cherbourg und Neu york. Nachrichten vom Kriegsschauplätze. Wissenschaft und.Kunst, **Lcipjig. Theater. Handel und Industrie. * Frankfurt a. M. Neue finanzielle Krisis. * Leipzig. Börsenbericht. ch Leipzig. Versammlung der leipziger Actio- naire der Magdeburg- Leipziger Eisenbahn.— Eröffnung der Schweizeri schen Nordbahn.— Berlin. — Leipzig. Ankündigung««. Deutschland. NÄUS Sachsen, It. Aug. Es düifte vielleicht an der Zeit sein, jetzt, wo durch die Frage, „ob dem System der Handelsfreiheit zu huldigen oder ob Schuhrölle zur Hebung und Förderung der allge meinen Wohlfahrt erfodcrlich find? " die Aufmerksamkeit der Betheiliglcn in so hohem Grad in Anspruch genommen wird, einen Gegenstand in das Bereich der öffentlichen Besprechung zu ziehen, der, flüchtig betrachtet, vielleicht weniger geeignet erscheint, die allgemeine Thcilnahme zu bcschäf tigcn, der aber nichtsdestoweniger tief in das Wesen des gcsammlcn kauf männischen Wirkungskreises in seiner größten Ausdehnung cingreift, auf dessen Gedeihen vom entscheidendsten Einfluß ist und darum nicht mindere Beachtung verdient; einen Gegenstand, der wcl nur deshalb bisher sel tener besprochen wurde, weil der Handel in unserm Vaterland überhaupt, obschon cs ihm einen großen Tkcil seines Wohlstandes verdankt, mehr seiner eignen Entwickelung überlassen blieb, als daß er sich eines genügen den staatlichen Schuhes zu erfreuen gehabt hätte, ohne den, wo er gegen wirkliches Unrecht gerichtet ist, der Handel so wenig wie irgend ein an derer Erwcrbszweig gedeihen kann: wir meinen ein geregeltes, den Ver hältnissen angcpaßtrs und wo möglich durch ganz Deutschland glcichmä ßiges HandclsgerichtSvcrfahren! Zwar besitzen wir in verschiede- nen einzelnen deutschen Staaten Handelsgerichte, deren Vorzüge dank bar ancikannt werden, die aber darum nicht genügen können, weil sie vor Allem der Ucbcreinstimmung entbehren, außerdem aber auch fast nur nach allgemein juristischen Grundsätzen gestaltet, nicht aber der besondcrn kauf männischen Praxis an,gepaßt sind, deren gewichtige Stimme größtcntheilS ganz unberücksichtigt gelassen wurde. Auf das gewöhnliche Rcchtsvcrfah- rcn basirt, sind sie dem gegenwärtigen Zustande des Handels so wenig angemessen wie die leipziger Kramerordnung, die seiner Zeit ganz gut ge wesen sein mag, jetzt aber nur noch als ein Curiosum in die Neuzeit hineinschaut und durch ihre noch jetzt bestehende Geltung dem Handel eher schadet als nützt. Mehre deutsche Staaten haben sich in der Neuzeit mit Verbesserung der Handelsjustiz beschäftigt, und namentlich sind in Sachsen die Bestre bungen nicht zu verkennen, dieselbe auf einen angemessenen Standpunkt zu bringen; allein dergleichen Bestrebungen stehen nicht nur isolirt da (und da der Handel sich nicht innerhalb der Landesgrenzcn bewegen kann, so werden die Maßregeln einzelner kleinerer Staaten auch nie eine durch greifende Verbesserung hcrbciführcn), sondern sie leiden auch an dem Man gel an genauer Kcnntniß der Sachlage. Gedenken wir nur der neuen Wechselordnung und des Verjährungsgcsehes; beide wurden lediglich von Juristen entworfen und dann von den Ständen bcrathen; unmöglich aber kann man erwarten, daß der erfahrenste Jurist zugleich ein tüchtiger prak ¬ tischer Kaufmann sei, noch weniger aber ist anzunehmcn, daß die Stände, welche der Stimmenzahl nach nur sehr wenige Sachverständige in ihrer Mitte zählen, mit der Praxis des Handels so vertraut seien, um von ih nen ein richtiges Urtheil in HandelSangelcgenhcitcn erwarten zu könne«. So ist das neue Vcrjährungsgesctz entstanden, welches nicht zum Schuhe, sondern zum Nachtheil des rechtlichen Kaufmanns ins Leben trat; so ist die neue Wechselordnung entstanden, von "der wir fürchten, daß sie dem Handel eher neue Fesseln anlegcn als ihm eine freiere Bewegung ge statten wird. Während diese Neuerungen, deren wir nur, beiläufig Er wähnung thun, dem beabsichtigten Zwecke nicht entsprechen, leidet der Han del ungemein unter den Mängeln, welche aus Anwendung der alten, für die jetzigen Verhältnisse durchaus nicht mehr geltenden Gesetze hcrvorge- hen, und ohne un? anmaßen zu wollen, Vorschläge zur zweckmäßigem Herstellung von Handelsgerichten zu machen, gestatten, wir uns nur die Aufmerksamkeit auf einige Mängel zu leiten, welche deutlich beweisen, daß nothwcndig etwas geschehen muß, um den Handel aus den Fesseln des veralteten Rcchtszustandes zu erlösen. Diese Ucberzcugung, von der schon längst jeder praktische Kaufmann durchdrungen war, hat in neue rer Zeit besonders an Kraft gewonnen, und die Calamität des Jah res 1846/47 hat namentlich in Folge des ungenügenden Rechtsschutzes auf den Kaufmannsstand nachthciliq gewirkt, da es natürlich war, daß durch den allgemeinen Nothstand dieses Jahres der Handel leiden und die Zahl der Fallimente höher steigen mußte als bisher. Während in früherer Zeit bei eintretendcn Fallimenten ein Accord- qesuch von 50 Proc. schon selten war und ein geringerer Ausfall vom Gesetze selbst als Criminalfall betrachtet und behandelt wurde, gehörm die Gebote von 50 Proc. jetzt zwar auch noch zu den Ausnahmsfällen, aber mit dem Unterschiede, daß der Fallit 50 Proc. jetzt als ein sehr gutes Gebot betrachtet und sich der Einwilligung seiner Gläubiger im voraus versichert hält, wenn er so viel bietet; 50 und 40 Proc. bilde» die Atmosphäre, in welcher sich jetzt die Fallitmasscn bewegen, trotz de» obenerwähnten in Sachsen geltenden Gesches. Diese auffallende Erschei nung erklärt sich aus dem ganz einfachen Grunde, daß im Falle der ge richtlichen Untersuchung der Fallit den Status nach Willkür ändert, und zwar so, Laß er mindestens 50 Proc. nachweist. Ob dieselben wirklich vorhanden sind oder nicht, unterliegt keiner weitern Prüfung, die Schätzung der vorhandenen Activcn bleibt dem Schuldner überlassen, und deren nie drigere Verwcrthung wird seiner Zeit auf Rechnung der Entwcrthung in Folge deS langwierigen gerichtlichen Verfahrens geschoben. Das außer dem höchst wohlthätige Gesetz verfehlt also in seiner gegenwärtigen Fas sung des beabsichtigten Erfolgs gänzlich, und würde nur dann von er wünschter Wirkung sein, wenn die Schätzung der in einer Fallilmaffe vorhandenen Aktiven, auf Veranlassung dcö Gerichts, durch Sachverstän dige erfolgte, nicht aber dem Schuldner überlassen bliebe. In dieser Un- rulänglichkcit des Gesetzes oder seiner Handhabung liegt also ein Uebel stand, dessen Beseitigung vor Allem nöthig ist, um den wohlihätigen Er folg zu erzielen, den der Gesetzgeber jedenfalls im Auge hatte. Ein zweiter, noch weit größerer Uebclstand liegt im gegenwärtigen Concursverfahren, welches von dem unglücklicherweise bei einem Fallimente bethciligten Kaufmannc ganz besonders gefürchtet, und wenn irgend mög lich, vermieden wird, denn durch das gegenwärtige Verfahren wird nicht nur die Abwickelung einer Fallitmasse um Jahre hinausgeschobcn, son dern cS werden auch die vorhandenen Activcn durch diese Verzögerung in der Regel so cntwerthet, daß oft nur ein sehr geringer Theil des ur sprünglichen Werths daraus erlöst wird; sehr häufig erreichen auch die durch eine so lange gerichtliche Procedur erwachsenden Kosten eine solche Höhe, daß die vorhandenen Activcn ganz oder zum größten Theil aufgc- zehrt werden, wenn nicht, waS wol auch vorkommt, die Gläubiger am Ende noch Kosten zahlen müssen, ohne für ihre Federungen etwas zu er halten. Ist aber der Fallit offenbarer Unredlichkeiten überführt und end lich in Folge der nöthig gewordenen Criminaluntcrsuchung ein Strafer- kcnntniß gegen ihn erfolgt, so tritt wol auch, sobald derselbe unter die Gerichtsbarkeit einer StandcSherrschaft gehört, der die Kosten zur Last fallen würden, die Begnadigung ein, und der Fallit geht straflos aus, um demnächst unter veränderter Firma und oft mit größern Mitteln als zuvor sein Geschäft von neuem zu beginnen. Die natürliche Folge davon ist, daß die Zahl der schlechten (muth- willigen und leichtsinnigen) Bankrotte sich in der Neuzeit auf eine höchst beunruhigende Weise gemehrt hat. Die Folge davon wird nicht vom